Unsere Sicht

Humane Lösungen gesucht

Wir können es seit Jahren regelmäßig in den Medien verfolgen: Kriege, Krisen und Naturkatastrophen zwingen Menschen in vielen Teilen der Welt zur Flucht oder Migration. Ob eine Wanderungsbewegung erzwungen oder freiwillig ist, lässt sich oft nicht genau definieren. Ohnehin sind Migrationsentscheidungen meist multikausal.
Das weltweit größte Flüchtlingslager in Dadaab in Kenia ist von der Schließung bedroht. picture alliance / dpa / Anna Kerber Das weltweit größte Flüchtlingslager in Dadaab in Kenia ist von der Schließung bedroht.

Wenn Krieg wie in Syrien herrscht oder die Regierung mit brutaler Gewalt regiert wie in Eritrea und in Myanmar, kann kaum von freiwilliger Migration die Rede sein. Wenn die Auswirkungen der Klimakrise Lebensgrundlagen zerstören, junge Leute keine Perspektiven finden und ganze Volkswirtschaften von Heimatüberweisungen abhängen, ist Freiwilligkeit auch höchst relativ. Die meisten Betroffenen würden wohl gerne in ihrer Heimat bleiben, wenn sie die Möglichkeit dazu sähen.

Ob die Unterscheidung zwischen „freiwillig“ und „erzwungen“ Sinn macht, zweifeln viele Experten an. Gleichwohl ist diese Unterscheidung rechtlich von großer Bedeutung, denn die Unterzeichnerstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention sind zur Aufnahme und zum Schutz von Flüchtlingen verpflichtet, während sie über die Aufnahme von Migranten weitgehend souverän entscheiden können. Juristisch relevant ist zudem, ob Grenzen überschritten werden. Binnenvertriebene genießen oft noch weniger Schutz als in andere Staaten Geflohene.

Westliche Staaten unterhöhlen das Schutzprinzip jedoch bereits seit Jahren – derzeit am augenscheinlichsten an der EU-Grenze zwischen Polen und Belarus. Polen weigert sich, die vom belarussischen Regime an die Grenze gebrachten Flüchtlinge aus dem Nahen Osten ins Land zu lassen und zu prüfen, ob sie ein Recht auf Asyl in der EU haben. Polnische Grenzschützer halten verzweifelte Menschen mit Gewalt von der Grenze fern. Hilfsorganisationen dürfen nicht in die Grenzregion. Auch im Mittelmeer drängen Grenzschützer Boote voll mit Migranten aus Afrika seit Jahren mit Gewalt zurück, und in den Flüchtlingslagern auf griechischen und italienischen Inseln herrschen teils menschenunwürdige Zustände.

Es ist ein Skandal, dass die EU an ihren Außengrenzen geltendes Asyl- und Menschenrecht bricht und dass es dem Staatenbund seit Jahren nicht gelingt, humane Lösungen für die Situation zu finden. Ähnlich sieht es auch in anderen westlichen Ländern wie den USA oder Australien aus. Leider findet auch in vielen armen Ländern, in denen weltweit gesehen immer noch die meisten Menschen Zuflucht finden, oft kein menschenfreundlicher Umgang mit den Schutzsuchenden statt.

Bessere Lösungen im Umgang mit Migration und Flucht zu finden, ist kein triviales Unterfangen. Dennoch muss es wohlhabenden Staaten gelingen, einen besseren Umgang mit der Situation zu finden. Abschottung und Gewalt kann keine dauerhafte Lösung sein. Paradoxerweise brauchen diese Staaten laut Arbeitsmarktexperten sogar dringend Zuwanderung. Die Gesellschaften schrumpfen und werden immer älter, weshalb der Bedarf an vielen Fachkräften vor allem in der Pflege oder im Handwerk nicht mehr mit heimischer Bevölkerung gedeckt werden kann. In der Gesundheits- und Altenpflege fehlen jetzt schon tausende Arbeitskräfte.

Die neue Bundesregierung scheint dieses Problem angehen zu wollen. Der Koalitionsvertrag enthält wichtige neue Regelungen, um Migration auch aus Nicht-EU-Staaten zu fördern.


Sabine Balk ist Redakteurin von E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit /D+C Development and Cooperation.
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