Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele

Wie man Komplexität bewältigt

Beratungsgremien für die Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) müssen alle Inte­ressengruppen für nachhaltige Entwicklungspfade integrieren. Ihre Aufgaben sind Vermittlung und Koordination unterschiedlicher Interessen. Die Kommissionen in Ghana und Deutschland gehen dabei unterschiedlich vor – und stehen schwierigen Aufgaben gegenüber.
Treffen des Globalen Forums der Nachhaltigkeitsräte und ähnlicher Beratungsgremien in Kapstadt im September 2022. Belia Oh Photography © RNE Treffen des Globalen Forums der Nachhaltigkeitsräte und ähnlicher Beratungsgremien in Kapstadt im September 2022.

Wir haben die Halbzeit zur Verwirklichung der SDGs bis 2030 erreicht. Die Uhr tickt immer schneller, die Weltgemeinschaft muss handeln. Zugleich sind unsere Gesellschaften und Volkswirtschaften mit immer mehr vielfältigen und einander verstärkenden Krisen konfrontiert. Erst kürzlich warnte António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen (UN), deutlich: „Unsere Welt ist in Gefahr.“ Gleichzeitig betonte er: Es ist noch nicht zu spät, die SDGs zu retten.

Mit einem Mandat der 75. Generalversammlung der UN-Mitgliedstaaten hat Guterres einen Prozess für einen zusätzlichen Zukunftspakt zur beschleunigten Umsetzung der SDGs eingeleitet. Innerhalb eines Jahres finden der zweite SDG-Gipfel sowie der Summit of the Future statt. Der SDG-Gipfel im September 2023 – als Zwischenbilanz zum Jahr 2030 – konzentriert sich auf konkrete Verpflichtungen der UN-Mitglieder, um die SDGs doch noch zu erreichen. Wie Guterres im Bericht „Our Common Agenda“ vorgeschlagen hat, bringt der Zukunftsgipfel 2024 zusätzlich die UN-Mitgliedstaaten und andere Interessengruppen für einen Zukunftspakt zusammen.

Die Wege zur SDG-Umsetzung sind kontextabhängig und so heterogen wie Volkswirtschaften und Gesellschaften. Eine groß angelegte Transformation etwa der nationalen Energie- oder Agrarsysteme soll langfristig nachhaltig wirken, kann aber für einzelne Wirtschaftsakteure und Individuen echte Verluste bedeuten. Ein Strukturwandel wird daher nur gesellschaftlich akzeptiert, wenn die Menschen Alternativen kennen und nutzen können.

Multi-Stakeholder-Plattformen wie SDG-Beratungsgremien können national effektive und innovative Mechanismen sein, um Interessenkonflikte bei nötigen Veränderungen inklusiv und vermittelnd anzugehen. Ihr Auftrag ist, einen Konsens und die gesellschaftliche Akzeptanz für notwendige Veränderungen zum Erreichen der Agenda 2030 zu fördern. Ein Multi-Stakeholder-Expertenrat soll explizit alle Gesellschaftsbereiche in die Debatte über den Weg in eine nachhaltige Zukunft einbeziehen. Dafür verknüpft er Wissen, Werte und Interessen, um verschiedene Perspektiven zu ermöglichen.

Beratungsgremien als Kompass

Werden diese Gremien in die nationale Governance-Architektur integriert, können sich die Gesellschaften auf ein ständiges Beratungsforum verlassen, um die für die SDG-Umsetzung nötigen Entscheidungen zu treffen. Die Räte fungieren als Kompass: Sie gewährleisten, dass alle Gesellschaftsbereiche in Lösungsfindung und Entwicklung nationaler Strategien einbezogen werden. Entscheidungen werden so eher akzeptiert.

Solche Strukturen bedürfen aber bestimmter Voraussetzungen. Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass Beratungsgremien besonders effektiv sind, wenn ihre nationale Regierung:

  • sich zur Umsetzung der Agenda 2030 verpflichtet hat,
  • eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie oder Ähnliches geschaffen hat,
  • ein nachhaltiges und institutionalisiertes Stakeholder-Engagement pflegt,
  • ihr Engagement finanzieren kann.

Das Globale Forum der Nachhaltigkeitsräte und ähnlicher Beratungsgremien ist ein Netzwerk solcher Multi-Stakeholder-Gremien. Es will, dass die SDGs durch Austausch von Erfahrungen und Zukunftsvisionen aus verschiedenen nationalen Perspektiven schneller erreicht werden. Das 2019 auf dem UN-SDG-Gipfel entstandene Netzwerk des Globalen Forums sammelt und erkundet konkrete Ideen, um den gesellschaftlichen Diskurs zu stärken und einen Konsens für nachhaltige Entwicklung zu finden.

Pattsituationen überwinden

In Deutschland haben zwei von der Bundesregierung eingesetzte Ad-hoc-Kommissionen aufgezeigt, wie man mit komplexen Interessenkonflikten beim Umbau von Energiesystemen und des Agrarsektors umgehen kann. Beide Sektoren sind charakterisiert durch erhebliche Konflikte zwischen Bauernverbänden oder Energieunternehmen mit Gewerkschaften, Naturschutzverbänden, zivilgesellschaftlichen Organisationen (CSOs) und wissenschaftlichen Akteuren. Die zeitlich befristeten Gremien haben Kompromisse für den Kohleausstieg und die Umstellung der deutschen Landwirtschaft auf nachhaltige Landnutzung erzielt.

Seit 2002 hat die Bundesregierung eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet, begleitet vom Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) als institutionalisiertem Multi-Stakeholder-Beratungsgremium. Der RNE veröffentlicht Stellungnahmen zu relevanten Nachhaltigkeitsthemen und fördert die öffentliche Wahrnehmung und den gesellschaftlichen Dialog über Nachhaltigkeit. Er wurde zuletzt am 18. Januar 2023 für drei Jahre ernannt. Fünfzehn Mitglieder vertreten je nach Hintergrund wirtschaftliche, soziale oder ökologische Nachhaltigkeit. Der RNE soll den Wandel in all seinen Facetten konstruktiv begleiten und kann unabhängig agieren. In den letzten Jahren etwa hat der Rat in Pattsituationen zwischen Interessenvertretern und Regierung zum deutschen Lieferkettengesetz geholfen sowie bei Ansätzen, die Biodiversitätsverluste stoppen sollen, während zugleich die Energieinfrastruktur angetrieben wird.

Ärmere Länder gehen die Umsetzung der SDGs bisweilen strategisch anders an. Die ghanaische Regierung etwa verfolgt einen Multi-Akteurs- und Multi-Agenten-Ansatz. Die Umsetzung der SDGs ist im dezentralen Planungssystem Ghanas inte­griert; somit sind politische und finanzielle Ressourcen zur Verfolgung der SDG-Indikatoren verfügbar. Die Nationale Planungskommission für Entwicklung (NDPC) bietet den dezentralen Behörden – Stadt- bzw. Gemeindebezirksversammlungen (MMDAs), Ministerien, Abteilungen und Agenturen (MDAs) – die technische Aufsicht über die Aufnahme der verschiedenen Indikatoren in die Entwicklungs- und Sektorpläne. Hier fungiert die NDPC als Sekretariat des Koordinierungsausschusses für die SDG-Umsetzung (ICC); darin sind verschiedene Interessengruppen aus Regierung, Privatsektor, Entwicklungspartnern und Zivilgesellschaft vertreten. Der ICC setzt sich aus den Vertretern zehn wichtiger Ministerien, Abteilungen und Agenturen zusammen, darunter das Präsidialamt, die SDG-Phi­lanthropie-Plattform, zivilgesellschaftliche Organisationen und der National African Peer Review Mechanism Governing Council (NAPRM-GC).

Dezentralisierte Strukturen beeinflussen die Umsetzung der SDGs

Zudem wurde 2015 die Ghana Civil Society Organisations Platform on Sustainable Development Goals (CSOs Platform on SDGs) gegründet, um an den SDGs arbeitende CSOs unter einem Dach zusammenzubringen. Die Plattform war wichtig für die nationalen SDG-Prozesse und spielte 2019 und 2022 eine Schlüsselrolle bei der Mobilisierung von Bürgerbeiträgen zu den beiden freiwilligen nationalen Staatenberichten (Voluntary National Reviews, VNRs) in Ghana.

Als Koordinierungsstelle hat die Plattform zudem Kampagnen organisiert, um die Lage benachteiligter Gruppen aufzuzeigen und um sich bei der Regierung für Maßnahmen und politische Reformen einzusetzen. So wurde 2020 und 2021 gemeinsam mit Oxfam eine Medienkampagne zu Ungleichheit gestartet. Die Plattform und ihre Partner richteten auch einen Covid-19-Reaktionsfonds ein, um Ressourcen zu mobilisieren und die Regierung zu unterstützen. Zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) wurde zudem Kapazitätsaufbau für die Mitgliedsorganisationen zur Überwachung und Verfolgung von Regierungsverpflichtungen im SDG-Kontext betrieben.

Es hat sich gezeigt, dass Bürger*innen in Ghana wenig über die SDGs und ihre Indikatoren wissen. Institutionell und strukturell beeinträchtigen die dezentralen lokalen Strukturen Ghanas die Umsetzung der SDGs. Daher sollte die ghanaische Regierung diese Strukturen zur Umsetzung der SDGs überprüfen und sicherstellen, dass auch junge Menschen und Privatsektor-Akteure bei den SDGs mitreden können.

Links

De Sas Kropiwnicki-Gruber, Z., und Alsaeedi, B., 2021: Pathways for national sustainable development advisory bodies.
https://www.nachhaltigkeitsrat.de/wp-content/uploads/2021/05/Study_Pathways_for_MSP-advisory_bodies_2021.pdf

Kirkbride, T., und Figueroa, D., 2021: Pieces of a puzzle: towards sustainable development advisory bodies.
https://www.nachhaltigkeitsrat.de/wp-content/uploads/2021/07/Global_Forum_Study_Pieces_of_a_puzzle_July_2021.pdf

Figueroa, D., und Harrison, T., 2022: Pieces of a puzzle: further steps on a journey.
https://www.nachhaltigkeitsrat.de/wp-content/uploads/2022/03/Global-Forum-Study_Pieces-of-a-Puzzle_March-2022.pdf

Beauty Emefa Narteh ist Generalsekretärin der Ghana Anti-Corruption Coalition und Ko-Vorsitzende der Ghana Civil Society Organisations Platform on SDGs.
bnarteh@gaccgh.org

Felix Meyerhoff ist wissenschaftlicher Referent beim Rat für Nachhaltige Entwicklung.
felix.meyerhoff@nachhaltigkeitsrat.de

Hannah Janetschek ist wissenschaftliche Referentin beim Rat für Nachhaltige Entwicklung.
hannah.janetschek@nachhaltigkeitsrat.de

Governance

Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.