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Klimawandel

Nötige Vorsorge

Wegen des Klimawandels hat sich die Zahl der Naturkatastrophen innerhalb weniger Jahrzehnte vervierfacht. Immer mehr Menschen sind davon betroffen. Bangladesch betreibt mittlerweile eine gut funktionierende Katastrophenvorsorge. Auch Burma (Myanmar) arbeitet nach den schlimmen Erfahrungen mit Zyklon Nargis daran, das Krisenmanagement zu verbessern.


[ Von Stephan Beschle ]

In den 70er Jahren betrafen die jährlichen Überschwemmungen, Wirbelstürme, Trockenzeiten oder Erdbeben weltweit nur 100 Millionen Menschen – heute sind es 225 Millionen, unter anderem auch, weil die Urbanisierung in gefährdeten Regionen, etwa an der Küste, zunimmt.

Nirgends auf der Welt ist die Gefahr, Opfer einer Naturkatastrophe zu werden, größer als im dicht besiedelten Asien. Längst hat sich der Kontinent an Tropenstürme und immer heftigere Monsunregen gewöhnt. Erdrutsche und Erdbeben gehören dazu wie Überschwemmungen und Sturmfluten.

Eine von der Kinderrechtsorganisation Save the Children in Auftrag gegebene Studie zu den Auswirkungen zweier Wirbelstürme, die innerhalb von sechs Monaten in Asien gewütet haben, zeigt jedoch: Eine umfangreiche Katastrophenvorsorge kann Leben retten und den finanziellen Schaden drastisch reduzieren.

Der Zyklon Sidr traf am 15. November 2007 auf die Küste von Bangladesch. 5,4 Millionen Menschen waren betroffen, 3 500 starben. Kein halbes Jahr später, am 2. Mai 2008, wütete der Wirbelsturm Nargis in Burma. Eine Million Menschen verlor ihre Häuser, 130 000 gelten seither als tot oder vermisst.

Beide Stürme der Kategorie vier trafen auf niedrig liegende, dicht besiedelte Deltaregionen, wo vor allem arme Bauern und Fischer leben. So ähnlich die Katastrophen, so unterschiedlich deren Folgen: In Burma starben nicht nur wesentlich mehr Menschen, auch der wirtschaftliche Schaden lag mit vier Milliarden Dollar mehr als doppelt so hoch wie in Bangladesch (1,6 Milliarden Dollar).

Rechtzeitige Warnung und Notfallpläne

Der Hauptgrund dieser Unterschiede ist: Bangladesch hat eine relativ gut funktionierende Katastrophenvorsorge, die sogenannte Disaster Risk Reduction (DRR). Als DRR gelten sämtliche Aktivitäten, die Familien, Gemeinden, Regierung oder Nichtregierungsorganisationen (NROs) unternehmen, um Auswirkungen von Katastrophen schon vor deren Eintreten abzuschwächen. Dabei versucht man, sämtliche Risiken abzudecken, auch die Auswirkungen des Klimawandels.

Praktisch sieht das so aus, dass Gemeinden die verschiedenen Gefahren, denen sie ausgesetzt sind, analysieren und Fluchtwege identifizieren. Auf nationaler Ebene werden sichere Schulen und sturmsichere Notunterkünfte gebaut, Frühwarnsysteme eingerichtet und Infrastrukturprojekte – wie Uferdämme – finanziert. Mit Kampagnen wird die Bevölkerung über Risiken und lebensrettende Verhaltensweisen aufgeklärt.

In Bangladesch gibt es häufig Wirbelstürme und bereits seit zwanzig Jahren Katastrophenvorsorge. Notfallpläne, Frühwarnsysteme, Evakuierung und akute Nothilfe sind aufeinander abgestimmt. Ein Netzwerk ausgebildeter Freiwilliger warnte die Bevölkerung vor dem herannahenden Sturm Sidr. Drei Millionen Menschen wurden evakuiert, 1,5 Millionen in sturmsichere Unterkünfte gebracht. Landesweit berichteten die Medien vom bevorstehenden Zyklon, so dass jedes Dorf rechtzeitig Bescheid wusste.

Das Frühwarnsystem in den Gemeinden Bangladeschs liegt vor allem in der Hand des Cyclone Preparedness Programs (CPP), das Save the Children, Union Disaster Management Commitee und andere NROs unterstützen. Das CPP wurde in den 70er Jahren vom Roten Kreuz, dem Roten Halbmond sowie der Regierung Bangladeschs eingeführt und setzt auf die Hilfe umfangreich geschulter Freiwilliger. Das CPP baut Schutzbehausungen und arbeitet direkt mit der Bevölkerung zusammen. Heute erreicht allein das CPP mit seinem Frühwarnsystem acht Millionen Menschen im Delta des Landes.

Gänzlich anders war die Situation in Burma, als der Zyklon Nargis das Ayeyawaddy-Delta erreichte. Wirbelstürme sind dort eher selten, Katastrophenvorbereitung und Frühwarnsysteme gab es nahezu nicht. Der Großteil der Bevölkerung war nicht auf den Sturm vorbereitet und ihm daher schutzlos ausgeliefert. Schutz fanden die Menschen lediglich in Dörfern mit soliden Gebäuden wie Klöstern und Schulen. Viele Dörfer wurden jedoch von Sturm und Wellen komplett zerstört. Es fehlten definierte Fluchtwege, Uferdämme und Schutzbehausungen. In Burma starben wesentlich mehr Menschen als im benachbarten Bangladesch nach dem Zyklon Sidr.

Vorbild Bangladesch

Bangladesch ist gewissermaßen ein Vorreiter für Katastrophenvorsorge in Asien, an dem sich andere Länder orientieren können. Das Land hat aus seinen Erfahrungen gelernt: Noch 1970 kostete der bislang verheerendste Zyklon Bhola mindestens eine halbe Million Bangladeschi das Leben. 1991 folgte Gorky: 138 000 Menschen starben. Der Zyklon Sidr im November 2007 forderte 3 500 Todesopfer.

Dennoch steht auch Bangladesch erst am Anfang. Landesweite Katastrophenpläne und Vorsorge-Programme in gefährdeten Dörfern und Städten sind angelegt. Weitere Anstrengungen sind aber notwendig, um das Land noch umfassender vorzubereiten.

Bangladesch und Burma sind arme Länd mit langen Küsten. Es ist nicht einfach, alle Küstenstädte und -dörfer auf Katastrophen vorzubereiten und die Maßnahmen jederzeit wirkungsvoll abzurufen. Der Nutzen ist zwar erwiesen, die Finanzierung von Programmen und Strategien zur Katastrophenvorsorge jedoch noch nicht ausreichend gesichert. So können beispielsweise Schäden an den Notunterkünften nicht immer repariert werden; Lagerbestände zur Versorgung der Menschen in Katastrophenzeiten werden selten oder gar nicht wieder aufgefüllt. Die Finanzierung der Ausbildung von Freiwilligen und Fachkräften ist schwierig.

Wie die Save the Children-Studie zeigte, gibt es noch immer keine einheitlichen Warnsignale, die vor Naturkatastrophen warnen. Unterschiedliche Flaggen, die vor und während des Sturms Sidr verwendet wurden, sorgten für Verwirrung: Etliche Familien wurden erst evakuiert, als der Zyklon das Festland schon erreicht hatte.

In Burma hat man nach den katastrophalen Folgen von Nargis begonnen, nationale Richtlinien zu erlassen, die klare Rollen und Verantwortlichkeiten im Katastrophenmanagement definieren. Jetzt wird erstmals strategisch geplant, wie auf Naturkatastrophen zu reagieren ist und zwar auf allen Ebenen: In der Regierung ebenso wie in Städten und Dörfern.

Auch andere gefährdete Länder sollten derartige Maßnahmen ergreifen – nicht nur in Asien, sondern überall auf der Welt. Vernünftige Katastrophenvorbereitung kostet zwar Geld, aber wie Studien belegen, sind diese Investitionen wirtschaftlich sinnvoll: Die Weltbank schätzt, dass mit jedem in Katastrophenvorsorge investierten Dollar zwei bis vier Dollar an Schäden vermieden werden.

Wesentlich für den Erfolg wirksamer Katastrophenvorbereitung ist es, das Verständnis der Bevölkerung zu gewinnen. Nur wenn die Menschen in den Gefahrengebieten informiert und vor allem motiviert sind, die Risiken bewusst in ihren Alltag zu integrieren, kann eine Kultur der Sicherheit entstehen.

Die Notwendigkeit von DRR-Projekten und deren Umsetzung lässt sich durch das Prinzip „build back better“ verdeutlichen: Beim Wiederaufbau nach einer Katastrophe werden die beschädigten Strukturen nicht nur ersetzt, sondern verbessert. Verändert man zum Beispiel die Neigung eines Haus- oder Schuldaches, bekommt der Wind weniger Angriffsfläche. Beim nächsten Sturm ist das Dach daher widerstandsfähiger und wird nicht abgetragen.

In Burma wird beim Wiederaufbau der Infrastruktur nach dem Zykon Nargis das build-back better-Prinzip angewendet. Schulen, Wasserversorgung, Sanitäranlagen, Staubecken und Deiche werden nicht nur erneuert, sondern verbessert, indem sicherere Baustandards berücksichtigt werden. Konzepte zur Katastrophenvorsorge werden in der Schule aber auch in Schulungen und Assessments mit gefährdeten Gemeinden erarbeitet. Diese wiederum sind an allgemeine Gesundheits-, Bildungs- und Nahrungsmittelprogramme im Land gekoppelt.

Dank dieser Maßnahmen sind sich die Menschen in Burma heute nicht nur der Gefahr durch Wirbelstürme bewusst. Viele Menschen – darunter auch Lehrer, Bürgermeister, religiöse Führer – wollen darüber hinaus wissen, wie sie sich vor den diversen weiteren Naturkatastrophen (wie etwa Erdbeben oder Überschwemmungen) schützen können.
Dabei müssen Menschen jeglichen Alters berücksichtigt werden. Die Organisation Save the Children zum Beispiel arbeitet insbesondere mit Kindern. Diese sollen lernen, selbst Fluchtwege zu identifizieren und in selbst gemalte Karten einzuzeichnen.

Kultur der Sicherheit

Ein funktionierendes Netzwerk aller am DRR beteiligten Institutionen trägt zum Erfolg bei. Regierungen müssen sich ebenso engagieren wie private oder zivilgesellschaftliche Akteure. Eine umfangreiche Koordinierung aller Beteiligten ist notwendig.

Der eigentliche Schlüssel zum Erfolg sind aber die Menschen in den Dörfern und Städten: Sie sind es, die sofort reagieren müssen, um im Katastrophenfall ihr Leben zu retten. Keiner kennt ihr Dorf und ihre Region und letztlich auch die lokalen Risiken besser als sie selbst; daher sind sie auch selbst am besten geeignet, nach entsprechenden Lösungen zu suchen.

In Bangladesch wissen Regierung und Bevölkerung die DRR-Maßnahmen schon seit längerem zu schätzen. Oft aber folgen mehrere Katastrophen so dicht aufeinander, dass sich mittel- und langfristige Infrastrukturprojekte nur mühsam verwirklichen lassen. In der Stadt Barisal wurden nach dem Sturm Bhola in den 70er Jahren zwar Uferdämme gebaut – doch kamen in den letzten dreißig Jahren nur wenige neue Dämme dazu.

Nach dem verheerenden Zyklon von 1991 investierte man verstärkt in Notunterkünfte – diese wurden aber in den Folgejahren nicht instand gehalten oder saniert. Viele dieser Unterkünfte waren deshalb unbrauchbar und boten den Menschen im Jahr 2007 keinen Schutz vor Sidr.

Inzwischen hat man erkannt, dass man auch die Notunterkünfte sinnvoll in den Alltag der Menschen einbeziehen kann: Viele der renovierten Gebäude dienen auch als Schulen oder Verwaltungsgebäude. Somit stehen sie nicht leer und verfallen schließlich, sondern sie haben eine wichtige Funktion für das Leben in den Dörfern und Städten.