Medien

Einsatz für die Wahrheit

Desinformation kann überall beginnen – und breitet sich mit Hilfe digitaler Buschtrommeln und der politischen Gerüchteküche in Minutenschnelle in ganz Afrika aus. Faktenprüfung ist unerlässlich.
Kenias Präsident Uhuru Kenyatta im Wahlkampf im vergangenen Sommer. Ben Curtis/picture alliance/AP Photo Kenias Präsident Uhuru Kenyatta im Wahlkampf im vergangenen Sommer.

Zu den spektakulärsten Fake News gehören Geschichten über:

  • einen südafrikanischen Pastor, der im Kruger-Nationalpark von Löwen zerfleischt wurde, nachdem er sie zum Kampf herausgefordert hatte,
  • einen Elefanten, der Millionen aus einer Bank in Nigeria gestohlen hat, und
  • eine kenianische Frau, die glaubt, dass Marihuana-Rauch Masern bei kleinen Kindern heilt.

Es gibt keinerlei Beweise, dass diese Dinge wirklich passiert sind. Doch in Gesellschaften, in denen Mythen, Volksglauben und irrationale Vorstellungen tief verwurzelt sind, verbreiteten sich solche Märchen schnell über das Internet.

Wer online auf sie stößt, stellt sie selten in Frage oder sucht nach Beweisen für ihre Richtigkeit. Die Menschen teilen sie einfach über Plattformen wie WhatsApp, Facebook, Twitter oder Instagram. Sie lachen darüber. Manche glauben die Geschichten, andere nicht.

Klatsch und Gerüchte, Mythen und Glauben, Lügen und Meinungen sind seit jeher Teil der menschlichen Zivilisation. Die Technik ändert daran nichts, im Gegenteil: Sie trägt sogar zur Verbreitung von Desinformation bei.

„Der Unterschied ist, dass wir heute in einer Gesellschaft leben, die reich an Informationen ist und in der die Menschen viele Wege gefunden haben, um ihre Zerrbilder schnell und effektiv zu verbreiten. Mit anderen Worten: Es ist kein technisches Problem, sondern ein menschliches“, sagt Sam Kamau, Dozent für digitale Medien an der Graduate School of Media and Communications der Aga-Khan-Universität in Nairobi. Zu diesem „menschlichen Problem“ trügen geringe digitale und Medienkompetenz bei. Vielen Afrikanern, vor allem der Jugend, fehlen seiner Ansicht nach Wissen, Werte und die Fähigkeit zum kritischen Denken, die sie brauchten, um ihre Erfahrungen in der virtuellen Welt einzuordnen.

 

Politische Verdrehungen

Gefährlich wird es dann, wenn absichtlich verfälschte Informationen die öffentliche Meinung oder die Politik beeinflussen. Um das zu verhindern, gibt es Faktenprüfer. Africa Check, 2012 in Johannesburg gegründet, gehört zu den führenden Fact-Checking-Organisationen in Afrika. Ihr erklärtes Ziel ist es, „Fakten und Fiktion voneinander zu trennen“, um Ehrlichkeit in der öffentlichen Debatte zu garantieren. Africa Check ist außer in Südafrika auch in Kenia, Nigeria und dem Senegal vertreten. Laut dem Gründer und Chef der Organisation, Peter Cunliffe-Jones, befinden sich alle Niederlassungen in Ländern, die eine Führungsrolle in ihrer jeweiligen Region, relativ viel Medienfreiheit und gutes Internet haben. Africa Checks Online-Inhalte sind auf Englisch und Französisch verfügbar.

Die Organisation entlarvt Mythen, deckt Fake News auf, korrigiert Falschinformationen und stellt richtige Informationen zur Verfügung beziehungsweise verbreitet sie (siehe Kasten, S. 34). Der „InfoFinder“ auf ihrer Website nennt verlässliche Informationsquellen für verschiedene afrikanische Länder. Der Ansatz besteht laut Cunliffe-Jones darin, „korrekte Informationen anhand unserer Berichte, Merkblätter und des InfoFinders zugänglich zu machen“.

Der ehemalige Leiter des nigerianischen Landesbüros der französischen Nachrichtenagentur AFP war entsetzt, als religiöse Autoritäten und führende Politiker nach der Jahrtausendwende die Polio-Impfung in Nigeria schlechtmachten. Sie verbreiteten das Gerücht, es handele sich um eine Verschwörung des Westens, um Frauen unfruchtbar zu machen, und behinderten so den Erfolg der gemeinsamen Impfkampagne des UN-Kinderhilfswerks und der Weltgesundheitsorganisation. In der Folge gelang es in Nigeria nicht, die Krankheit auszurotten.

Ähnliche Vorwürfe über Impfungen, die afrikanische Frauen und Mädchen unfruchtbar machen, kursieren immer wieder, zuletzt während des Wahlkampfes in Kenia im vergangenen Jahr. Africa Check wiederlegt solche Behauptungen.

Es ist heute allgemein bekannt, dass das Datenanalyse-Unternehmen Cambridge Analytica alles darangesetzt hat, sowohl das britische Brexit-Referendum als auch die US-Präsidentschaftswahl 2016 zu beeinflussen. Dasselbe Unternehmen hat auch die Informationslage in Nigeria und Kenia im Umfeld der Wahlen manipuliert. Es ist selbstverständlich die Aufgabe von Journalisten, Desinformationen aufzudecken.

Der Generalsekretär der kenianischen Journalistengewerkschaft Kenya Union of Journalists, Eric Oduor, ist überzeugt davon, dass die Inhalte, die die verschiedenen politischen Lager über soziale Medien verbreitet haben, die redaktionellen Perspektiven der wichtigsten Medien des Landes in der Wahlberichterstattung geprägt haben. Die traditionellen hätten sich ein Wettrennen mit den sozialen Medien geliefert, die ihnen den Rang abgelaufen zu haben schienen – denn diese genössen das Vertrauen der Nutzer, obwohl sie journalistische Grundsätze wie die Verpflichtung zur Wahrheit missachteten.

Oduor verweist auf die Ergebnisse von Medienauswertungen, die auf ein Versagen der Medien bei ihrer professionellen Gatekeeping-Funktion hinweisen: „Wenn Fake News es in die Mainstream-Medien schaffen, muss das System der Qualitätskontrolle hinterfragt werden. Redakteure müssen die Verantwortung übernehmen, denn alle Storys müssen geprüft und bestätigt werden.“ Der Gewerkschafter fordert: „Wir brauchen eine Clearingstelle, die alle Falschmeldungen kennzeichnet, sobald sie entdeckt wurden.“ Die Warnung sollte dann weit verbreitet werden.

Um seine Reichweite und Einflussmöglichkeiten zu erhöhen, kooperiert Africa Check mit Medienunternehmen in den Ländern, in denen es vertreten ist. Seine Mitarbeiter informieren Journalisten und andere Medienschaffende über die Grundlagen der Faktenprüfung. Außerdem führt die Organisationen Veranstaltungen durch, um die Öffentlichkeit aufzuklären.

 

Alphonce Shiundu arbeitet für Africa Check Kenia und studiert derzeit als Chevening-Stipendiat Medien und Entwicklung an der University of Westminster in London.
shiunduonline@gmail.com
https://twitter.com/Shiundu
https://africacheck.org/

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