Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Endlich ein Stück Gerechtigkeit

Fast 40 Jahre nach einem der grausamsten Massenmorde der jüngsten Geschichte hat die Gerechtigkeit doch noch gesiegt. Die beiden ranghöchsten noch lebenden Verantwortlichen des Rote-Khmer-Regimes in Kambodscha wurden wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft verurteilt: Khieu Samphan, der ehemalige Präsident, und Nuon Chea, Chefideologe und zweitmächtigster Mann nach Diktator Pol Pot.

Von Katja Dombrowski
Khmer-Rouge-Überlebende umarmen sich nach der Urteilsverkündung. AP Photo/picture-alliance Khmer-Rouge-Überlebende umarmen sich nach der Urteilsverkündung.

Unter den Maoisten, die das Land von April 1975 bis Dezember 1979 regierten und ruinierten, starben schätzungsweise 2 Millionen Menschen. Sie verhungerten, arbeiteten sich zu Tode, erlagen Krankheiten und den Folgen von Folter. Andere wurden mit unvorstellbarer Grausamkeit ermordet.

Die Extraordinary Chambers in the Courts of Cambodia, ECCC, besser bekannt als das Rote-Khmer-Tribunal, verhängten am 7. August 2014 das bedeutsamste Urteil ihrer Geschichte. Ein ganzes Volk hatte darauf gewartet. Angehörige von Opfern und andere Überlebende des Alptraums, der Kambodscha bis heute plagt, brachen in Tränen aus, als der Richter Nil Nonn die ersehnten Worte sprach. Das Gericht befand die Angeklagten unter anderem des Mordes, der politischen Verfolgung und der Vernichtung für schuldig. Lebenslange Haft ist die Höchststrafe.

Die größte Genugtuung liegt nicht in der Tatsache, dass zwei greise kranke Männer den Rest ihrer Tage hinter Gittern verbringen werden, sondern darin, dass es überhaupt zu dem Urteil gekommen ist. Zu den Hindernissen zählten politische Einflussnahme, Rücktritte mehrerer UN-Juristen, der Tod eines Angeklagten und Geldmangel. Die UN hatten Jahre gebraucht, um Kambodschas Führung zu einem Tribunal zu überreden. Erst 2003 gab Ministerpräsident Hun Sen, ehemaliger Roter Khmer und mittlerweile Kambodschas Autokrat, dem internationalen Druck nach – nicht ohne einige Bedingungen durchzudrücken: Das Tribunal musste in Kambodscha stattfinden, in der Justiz des Landes, und heimische Richter mussten gegenüber den UN-Richtern die Mehrheit stellen.

2006 nahm das Gericht seine Mission auf, die Hauptverantwortlichen der Roten Khmer zur Verantwortung zu ziehen. Zahlreiche Probleme verzögerten die Arbeit. Vor dem jüngsten Urteil war nur der Gefängnisdirektor Kaing Guek Eav, alias Duch, verurteilt worden.

Die Menschen wollten vor allem die obersten Führer auf der Anklagebank sehen. Viele starben vor langer Zeit, darunter auch Pol Pot. Doch einige Topkader, wie Nuon Chea und Khieu Samphan, führten ein unbehelligtes Leben in dem Land, das sie mit Größenwahn und Brutalität traumatisiert hatten.

Viele fürchteten, außer Duch werde kein Hauptverantwortlicher lange genug leben, um verurteilt zu werden. Jetzt herrscht das Gefühl vor, doch noch ein Stück Gerechtigkeit erhalten zu haben. Wenigstens zwei der Topkader müssen für ihre Taten zahlen.

Um den Prozess zu beschleunigen, hat das Gericht das Verfahren gegen Nuon Chea und Khieu Samphan aufgespalten. Im ersten Prozess ging es vor allem um Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit der Vertreibung der Bevölkerung und der Hinrichtung von Soldaten der Vorgängerregierung nach der Machtübernahme der Roten Khmer. Der zweite Prozess läuft noch. Es geht unter anderem um den Genozid an der Minderheit der Cham und an Vietnamesen.

Es ist wichtig, auch diese Verbrechen aufzuklären. Für die Angeklagten, die weder ihre Schuld anerkannt noch ein einziges Wort des Bedauerns geäußert haben, wird das Ergebnis aber keinen Unterschied machen. Lebenslang bleibt lebenslang.

Zwei Verfahren gegen weitere mutmaßliche Täter sind in Vorbereitung. Hun Sen hat jedoch wiederholt deutlich gemacht, dass er sie „nicht zulassen“ werde. Zeit, Geld und die Unterstützung der Weltgemeinschaft für das Rote-Khmer-Tribunal werden ebenfalls immer knapper. Es ist unwahrscheinlich, dass ein neuer Prozess begonnen, geschweige denn zu Ende geführt wird. Jedenfalls wird aber das aktuelle Urteil in die Geschichte eingehen. Es rechtfertigt all die Jahre harter Arbeit, die Millionen, die die internationale Gemeinschaft dafür ausgegeben hat, die Rückschläge und den Schmerz, den das Verfahren in den Opfern hervorgerufen hat. Dieses Urteil ist eine große Erleichterung.

Katja Dombrowski ist freie Journalistin und lebt in Bangkok. kd@katja-dombrowski.info