Leistungsbewertung
Messverfahren neu kalibrieren
Jahr für Jahr werden Milliarden für Entwicklungshilfe ausgegeben – allzu oft mit nur mäßigem Erfolg. Über die Frage, wie die Mittel am effektivsten eingesetzt werden können, zerbrechen sich Geber und Wissenschaft seit langem die Köpfe. Die Weltbank hat hierzu ein klares Konzept entwickelt: „Performance-based Allocation“ geht davon aus, dass Entwicklungshilfe nur unter guten politischen Rahmenbedingungen wirksam sein kann. Der Großteil der konzessionären Kredite wird daher an Länder mit vernünftiger Politik und funktionierenden Institutionen vergeben.
Das „Country Policy and Institutional Assessment“ (CPIA) ist das Instrument, mit dem die Weltbank die Qualität von nationaler Politik und Institutionen bewertet. Das Bewertungsergebnis fließt in die Mittelvergabe ein. Welches Land wie viel Geld bekommt, ist eine hochpolitische Angelegenheit. Der CPIA-Index ist deshalb umstritten. Seit seiner Einführung Ende der 1970er Jahre hat die Weltbank das Bewertungsverfahren (siehe Kasten) und die darauf aufbauende Vergabeformel mehrfach überarbeitet.
Trotz dieser Reformbemühungen steht das CPIA-Verfahren in der Kritik. So wird unter anderem vorgebracht, das Messverfahren sei ungenau und inkonsistent. Zudem seien die gegenwärtigen Faktoren, die die Grundlage für die Bewertung bilden, unvollständig und bezögen nicht alle entwicklungsrelevanten Aspekte mit ein. Letztlich seien Rating- und Vergabeentscheidungen unfair und bestraften diejenigen Länder, die Unterstützung am dringendsten benötigen.
Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) hat das „Global Public Policy Institute“ (GPPi), ein unabhängiger Berliner Think-Tank, untersucht, ob das CPIA-Verfahren in der jetzigen Form sinnvoll ist. Die GPPi-Studie macht Reformvorschläge, deren Umsetzung das Vergabesystem präziser und gerechter gestalten, und obendrein die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe steigern würde (GPPi 2008).
Das CPIA-Verfahren dient dazu, diejenigen Länder zu ermitteln, die Entwicklungshilfe am effektivsten nutzen werden. Aber erfüllt das gegenwärtige Verfahren seinen Zweck? Öffentlich zugängliche Statistiken zeigen, dass CPIA-Rankings und Entwicklungsfortschritte nicht unbedingt korrelieren. Länder am unteren Ende der Liste erreichen etwa ebenso oft außergewöhnliche Wachstumsraten wie Top-Performer. Die Relevanz des Systems steht daher in Frage.
Es besteht offensichtlich Verbesserungsbedarf. Diese Einsicht wirft eine weitere Frage auf: Kann das bestehende System reformiert werden oder ist ein vollkommen neuer Ansatz notwendig? Eine Alternative zum gegenwärtigen System wäre die Einstufung der Länder nach ihren Entwicklungsfortschritten. Solch eine ergebnisorientierte Bewertung würde jedwede Entwicklungsstrategie belohnen, solange sie effektiv ist und Erfolge bringt. Angesichts der enttäuschenden Ergebnisse der Strukturanpassungspolitik der 80er Jahre scheint es verlockend, statt auf Regierungshandeln und Institutionen auf Ergebnisse abzustellen.
Dennoch plädiert das GPPi für eine Reform des gegenwärtigen CPIA-Verfahrens. Dafür gibt es mehrere Gründe:
– Es ist legitim, dass Geber nicht nur berücksichtigen, ob Entwicklung stattfindet, sondern auch, auf welche Art und Weise sie zustande kommt.
– Da Reformen oft erst nach langer Zeit Früchte tragen, würde ein ergebnisorientiertes System Regierungen für das Handeln ihrer Vorgänger belohnen oder bestrafen.
– Es wäre außerdem sehr schwierig, die Wirkungen externer Einflüsse auf die Entwicklung zu berücksichtigen.
– Letztlich würde ein ergebnisorientiertes System diejenigen Länder bestrafen, die es ohnehin am schwersten haben. Werden dagegen Regierungshandeln und Effizienz von Institutionen bewertet, profitieren davon auch sehr arme Länder mit viel versprechenden politischen und institutionellen Entwicklungen.
Glaubwürdigere Ergebnisse
CPIA-Ratings basieren auf einem ausgefeilten Bewertungsvorgang, der die immense Expertise der Weltbank nutzt und das professionelle Urteil der Mitarbeiter einem strengen Prozess unterwirft. Dennoch sind die Ergebnisse bisher nicht zufriedenstellend. Ein Grund dafür ist, dass die CPIA-Methodik zu stark auf subjektive Einschätzungen setzt. Natürlich ist es unglaublich schwierig, Dinge wie Transparenz, Rechenschaftspflicht oder Korruption objektiv zu messen. Das heißt aber nicht, dass man es nicht trotzdem versuchen sollte. Dann sollten allerdings die Fehlerquoten transparent gemacht werden.
Darüber hinaus würden die Ergebnisse an Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn die Bewertungsteams zusätzliche Informationen und weitere Quellen nutzen würden. Neben den betroffenen Regierungen sollten auch andere Durchführungsorganisationen der Entwicklungspolitik und externe Experten aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft mit einbezogen werden.
Schließlich sollte der CPIA-Prozess transparenter werden. Bislang wird die Bewertung weitgehend als eine interne Weltbanksache angesehen. Es reicht aber nicht, lediglich die CPIA-Ergebnisse zu veröffentlichen. Alle Daten und Fakten, die in die Bewertung eingeflossen sind, sollten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Eine solche externe Überprüfung könnte dazu beitragen, Fehler und Versäumnisse aufzudecken, und würde die Ergebnisse verlässlicher machen.
Relevanz steigern
Derzeit basiert das CPIA-Konzept auf Wachstumstheorien. Diese Theorien gehen davon aus, dass neben Wirtschafts- und Strukturpolitik auch soziale und ökologische Aspekte sowie die Qualität der Amts- und Regierungsführung eine Rolle dafür spielen, dass eine Ökonomie gedeiht. Allerdings ist sich die Wissenschaft auch nach jahrzehntelanger Debatte nicht darüber einig, welche Faktoren nun wesentlich sind – und ihre jeweils relative Bedeutung ist noch umstrittener. Daher ist es schon per se konfliktträchtig, ein Bewertungsverfahren wie CPIA auf diese Theorien zu stützen.
Besser wäre es, den Fokus auf einen breiteren Satz an Entwicklungszielen zu legen, wie zum Beispiel die Millenniumsentwicklungsziele (MDG) oder ähnliche internationale Übereinkommen. Es würde dann nicht nur geprüft, ob sich ein Land auf dem Weg zum Wirtschaftswachstum befindet, sondern auch, ob es Bildung, Gesundheitswesen, Geschlechtergleichheit, ökologische Nachhaltigkeit, Menschenrechte und andere Dinge fördert, die für die Armutsbekämpfung von Bedeutung sind.
Eine solche Neuausrichtung des CPIA hätte zwei wesentliche Vorteile:
– Über Entwicklungsziele wie die MDGs gibt es einen breiten internationalen Konsens. Ein Urteil, ob ein Land eine sinnvolle Alphabetisierungspolitik betreibt, ist verhältnismäßig leichter zu fällen als darüber, ob es die richtigen institutionellen Rahmenbedingungen für Wirtschaftswachstum aufweist.
– Ein Fokus auf einen breiteren Satz an Entwicklungszielen würde den Ländern mehr Spielraum für eigene Entwicklungsstrategien geben, die ihre länderspezifischen Eigenheiten stärker berücksichtigen.
Fairness zählt
Ein System, welches über die Zuweisung von Mitteln bestimmt, sollte nicht nur ihre Wirksamkeit maximieren, sondern auch fair sein. So müssen externe Faktoren, über die die Empfängerregierungen keine Kontrolle haben, angemessen berücksichtigt werden. Zwar werden bereits jetzt fast ausschließlich Regierungshandeln und die Institutionen eines Landes bewertet. Einige Kriterien (Finanzsektor, Geschlechtergleichheit und Arbeitsrecht zum Beispiel) spiegeln aber auch Entwicklungsergebnisse wider. Damit die CPIA-Ratings nicht durch externe Faktoren verfälscht werden, sollten diese konsequent nur auf Regierungshandeln und Institutionen abstellen.
Zudem müssen die CPIA-Methoden flexibel genug sein, länderspezifische Gegebenheiten zu berücksichtigen. Fragile Staaten zum Beispiel sind außergewöhnlichen Bedingungen ausgesetzt – etwa dem hohen Risiko gewaltsamer Konflikte. Das CPIA-Konzept berücksichtigt bisher keine Maßnahmen zur Konfliktvermeidung. Es wäre daher sinnvoll, die CPIA-Kriterien um Aspekte wie Einhaltung der Menschenrechte, Minderheitenschutz und Empowerment von lokalen Gemeinschaften zu erweitern.