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Entwicklungsfinanzierung

China bietet Alternativen zu IMF-Programmen

Chinesische Kredite schmälern den Einfluss des IWF. Das könnte sich als gut erweisen.
IWF-Chefin Kristalina Georgieva mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping 2019  in Peking. Huang Jingwen/picture-alliance/Xinhua News Agency IWF-Chefin Kristalina Georgieva mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping 2019 in Peking.

Wenn Entwicklungsländer vor 20 Jahren in wirtschaftliche Not gerieten, gab es für sie nur eine Anlaufstelle: ein Konsortium westlich geführter Institutionen, darunter der Internationale Währungsfonds (IWF), Weltbank und der Entwicklungshilfeausschuss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Cooperation and Development – OECD).

Das hat sich geändert, denn nun spielt China eine Schlüsselrolle. Mal arbeitet das Land mit den westlich geführten Institutionen zusammen, mal nicht. Wissenschaftler denken seit Jahren darüber nach, was das für Entwicklungsländer bedeutet. Sie konzentrieren sich meist auf Chinas Langzeitkredite für Infrastruktur-Projekte und darauf, ob sie das finanzielle und politische Risiko für die Schuldner wert sind.

Doch auch andere Aspekte sind interessant, etwa Chinas potenzielle Rolle als IWF-Rivale bei der Vergabe von Notfallkrediten. Finanzjournalisten berichten über tatsächliche oder gerüchteweise existierende finanzielle Rettungsanker Chinas an etliche Länder. Bislang handelt es sich hauptsächlich um Anekdoten, da es noch keine seriösen Recherchen gibt. Wichtige Fragen sind aber:

  • Gibt es Anzeichen dafür, dass die Kreditvergabe Chinas die IWF-Programme ersetzt?
  • Wie weit verbreitet ist dieses Phänomen?
  • Hat das die Verhandlungsposition der Entwicklungsländer in Gesprächen mit dem IWF gestärkt?

Manch westlicher Politiker warnt, China verfolge eine „Schuldenfallen“-Strategie, um ärmere Länder abhängig zu machen. Interessant ist aber auch die Frage, ob chinesische Kredite diese Länder nicht vielmehr aus der IWF-Abhängigkeit lösen.

Meine Studien, basierend auf Daten von 2001 bis 2017 aus 104 Ländern, zeigen, dass sich einige Länder dank chinesischer Kredite nicht an den IWF wenden mussten. Anderen half das, Deals mit weniger Bedingungen auszuhandeln.

Das könnte ein gesunder Trend sein, schließlich erzielten IWF-Programme oft nicht die erwarteten Ergebnisse. Kritiker meinen, die schlechte Erfolgsbilanz resultiere aus einer übertrieben orthodoxen Marktwirtschaft. Manche sprechen gar von Souveränitätsverletzung. Der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz vergleicht die Konditionalität des IWF mit einem Aderlass – die Kreditbedingungen mögen zwar wohlgemeint sein, schadeten aber dem Patienten.

Indem es Kreditnehmern möglich wird, mit dem IWF bessere oder gar keine Konditionen auszuhandeln, tun die chinesischen Kredite womöglich mehr für die Freiheit der Entwicklungsländer, als IWF-Kritiker es bislang vermochten.

Es ist zu beachten, dass diese Kredite weniger riskant erscheinen, als manche befürchten. China hat Bürgschaften für Länder ohne verlässliche Devisenquellen – wie etwa Simbabwe – stets verweigert. Es scheint China eher um die Tragfähigkeit von Schulden zu gehen als darum, jemanden in die Schuldenfalle zu locken. Meine Daten zeigen, dass Länder, die Rohstoffe in großem Maße exportieren, am meisten von chinesischen Krediten profitieren. Sie sehen China klar als Alternative zum IWF.

China ist nicht das erste Land, das den IWF unterläuft, wenn es seinen Interessen entspricht. So leisteten die USA 1990 im Zuge des Ersten Golfkriegs trotz Protesten des IWF Soforthilfe an Ägypten. Ähnlich unterstützte Frankreich in den 1980er Jahren seine ehemaligen Kolonien in Westafrika.

Heute vergibt China an immer mehr Länder Kredite. Fürsprecher des IWF werden kontern, dessen politische Konditionalität sei über die vergangenen zwei Jahrzehnte weicher geworden, auch tue der IWF mehr dafür, Länder zu langfristigem Wohlstand zu führen als China. Und sie werden China vieler Dinge beschuldigen, wie etwa:

  • kurzfristige inländische Bedürfnisse der Kreditnehmer gegenüber langfristiger Nachhaltigkeit und Effizienz zu priorisieren,
  • intransparente Kreditvergabe, ohne Korruption und illegale Finanzströme zu berücksichtigen, und
  • eine Infrastruktur zu fördern, die den wirtschaftlichen Interessen Chinas entspricht (einschließlich Rohstoffimporte und Exporte von Industriegütern).

Vieles mag stimmen. Kreditnehmende Regierungen werden die Vorteile der Kredite von IWF und China sorgfältig abwägen müssen. Doch sie werden froh sein, eine Wahl zu haben.


Link
Sundquist, J., 2021: Bailouts from Beijing – How China functions as an alternative to the IMF.
https://www.bu.edu/gdp/2021/03/08/bailouts-from-beijing-how-china-functions-as-an-alternative-to-the-imf/


James Sundquist ist Stipendiat am Global Development Policy Center der Universität von Boston und Doktorand an der Universität von Yale.
james.sundquist@yale.edu