Gleichberechtigung
Frauen in Nigeria arbeiten in Haushalt und Beruf
In Nigeria müssen die meisten Mütter zusätzlich zu ihren häuslichen Pflichten arbeiten, um das Familieneinkommen aufzubessern. Die Frauen haben Schwierigkeiten, Haus- und Erwerbsarbeit unter einen Hut zu bringen – besonders, wenn die Ehemänner sie nicht unterstützen.
Adesola Olaniyi beispielsweise ist Mutter von drei Kindern und arbeitet als Managerin für eine Bank auf Lagos Island. Um 7.30 Uhr muss sie auf der Arbeit sein. Da sie in der Innenstadt von Lagos wohnt, muss sie dafür sehr früh aufstehen. Jeden Morgen um 4 Uhr bereitet sie Frühstück und Mittagessen für ihre Familie vor und macht die Kinder fertig für die Schule. Wegen des Verkehrs in Lagos verlässt sie das Haus um 5.30 Uhr. Ihr Mann schläft dann noch, er arbeitet näher am Wohnort.
Adesola arbeitet oft bis 18 Uhr. Wegen des Berufsverkehrs kommt sie teils erst nach 20 Uhr nach Hause. Ihr Tag ist dann noch nicht vorbei. Sie kontrolliert, was die Kinder in der Schule gemacht haben, und deren Hausaufgaben. Manchmal nimmt sie Arbeit mit nach Hause und bleibt lange auf. Ihr Leben ist ein Hamsterrad, aber sie hat keine Wahl. Ihr Job ist unverzichtbar, da das Einkommen ihres Mannes die Familie nicht ernähren kann.
Catherine Nwachukwu führt ein ähnlich stressiges Leben. Sie ist fünffache Mutter und arbeitet als Lebensmittellieferantin im informellen Sektor. Sie hatte nie die Chance auf einen Job im formellen Sektor, wo die Arbeitsplätze sicherer und die Bezahlung besser ist. Ihr Mann, ein Handwerker, ist arbeitslos. Er musste seine Werkstatt wegen der schlechten Stromversorgung schließen.
Catherine hält die Familie über Wasser, kümmert sich gleichzeitig um die Kinder und erledigt die Hausarbeit. Wenn sie kein Geld verdient, haben ihre Kinder nichts zu essen. Manchmal muss sie für ihre Arbeit sogar den Bundesstaat Lagos verlassen. Ihr Mann bleibt dann bei den Kindern, aber wenn sie zurückkommt, muss sie immer noch für die Familie kochen und das Haus putzen.
Viele Frauen haben zwei oder drei Jobs, um ihre Familien zu ernähren. Ayinke etwa ist Grundschullehrerin und hat vier Kinder. Nach der Schule und am Wochenende betreibt sie einen Gemischtwarenladen. Ihr Mann hat die Familie verlassen, und ihr Lehrergehalt deckt nicht alle Ausgaben. Die Inflation untergräbt die Kaufkraft, und Nigeria hat in den letzten fünf Jahren zwei Rezessionen erlebt.
Geschlechterstereotypen
Wie in vielen anderen afrikanischen Ländern haben Frauen in Nigeria eine untergeordnete Rolle gegenüber Männern. Offiziellen Statistiken zufolge leben doppelt so viele Frauen wie Männer unterhalb der Armutsgrenze. Außerdem besetzen Männer 19-mal mehr Führungspositionen. Frauen können sich wegen ihrer familiären Pflichten oft nicht an eine Unternehmenskultur anpassen, die erfordert, dass sie „jederzeit und überall“ verfügbar sind.
Viele informell Beschäftigte in Nigeria sind Frauen. Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization – ILO) ist das typisch für Schwellen- und Entwicklungsländer. Dort fehlt es an sozialen Sicherheitsnetzen, Arbeitsgesetzen und menschenwürdigen Arbeitsbedingungen. Besonders schlimm ist es für Kleinunternehmer.
Covid-19 hat den informellen Sektor besonders hart getroffen und bestehende Probleme verschärft. Laut ILO waren 83 Prozent der informell Beschäftigten erheblich von Lockdown-Maßnahmen betroffen. Besonders schlimm ist die Lage im informellen Gastgewerbe, in dem weitaus mehr Frauen als Männer arbeiten.
Auch im formellen Sektor hat sich das Coronavirus negativ auf nigerianische Frauen ausgewirkt. Viele Arbeitsplätze fielen weg, weil Unternehmen Pleite gingen. Von den verbliebenen Firmen arbeiten viele noch immer nicht mit voller Kapazität, sodass sie die meisten Beschäftigten noch nicht wieder einstellen konnten.
Das Narrativ verändern
Frauen müssten selbst die öffentliche Wahrnehmung von ihnen ändern, meint Adenike Ogunlesi, die ehemalige Leiterin des Berufsnetzwerks Network of Entrepreneurial Women (NNEW). „Wir werden bekommen, was wir wollen“, sagt sie. Ähnlich sieht das Oyinkansola Olasanoye, ehemalige Vorsitzende der Frauenkommission im nigerianischen Gewerkschaftsbund (The Trade Union Congress of Nigeria (TUC) Women Commission). Sie betont, die Öffentlichkeit glaube zu Unrecht, Frauen seien nicht zu vernünftigem Handeln fähig. In ihren Augen müssen Probleme wie Frauenarbeitslosigkeit, Gewalt gegen Frauen, sexualisierte Gewalt gegen Mädchen und Müttersterblichkeit dringend angegangen werden. Männer, so sagt sie, müssten Frauen finanziell und politisch unterstützen.
Fortschritte zeigen sich indes bei Finanzinstituten, die begonnen haben, Frauen stärker zu berücksichtigen. Die Central Bank of Nigeria ist hier führend. Sie hat 220 Milliarden Naira (umgerechnet 460 Millionen Euro) für ihren Entwicklungsfonds für kleinste, kleine und mittlere Unternehmen bereitgestellt und 60 Prozent davon für Frauen reserviert. Geschäftsbanken wie die Fidelity Bank und die Sterling Bank nehmen sich daran ein Beispiel. Wichtige Institutionen beherzigen somit international diskutierte Ratschläge zur finanziellen Stärkung von Frauen (siehe Interview mit Jen Braswell auf unserer E+Z/D+C-Plattform).
Dennoch fühlen sich viele Unternehmerinnen weiter ausgegrenzt. Blessing Irabor ist Leiterin der nigerianischen Sektion der Organization of Women in International Trade (OWIT), eines geschäftlichen Netzwerks für Frauen. Sie weist darauf hin, dass Frauen eine eher geringe Finanzkompetenz hätten, während Banken strenge Kriterien für die Kreditvergabe anlegten. Tatsächlich haben vor allem informelle Unternehmen keinen Zugang zu Kapital. Das aber brauchten sie, um produktiver zu werden. Unter den Folgen leiden – wie so häufig – insbesondere Frauen.
Bimbola Oyesola arbeitet als Journalistin in Lagos.
oritokeoyee@gmail.com