EU
Vernachlässigt Afrikas Sicherheit nicht!
Die EU hat beschlossen, für die Ukraine über die Europäische Friedensfazilität (EPF) Rüstungsaufwand zu betreiben. Nie zuvor hat die Union tödliche Waffen gekauft und an ein anderes Land geliefert. Die EU-Außenminister stellten die ersten 500 Millionen Euro am 28. Februar bereit. Bis Ende April kam eine weitere Milliarde hinzu.
Afrikas Staatschefs sehen das. Kurz vor Russlands Einmarsch in die Ukraine bekräftigte der EU-AU-Gipfel in Brüssel im Februar, dass Sicherheit und Frieden weiter auf der gemeinsamen Agenda stehen. Zusagen betrafen:
- die Ausbildung und Ausrüstung für die Entwicklung militärischer Kapazitäten,
- die Unterstützung von afrikanisch geführten Friedenseinsätzen und
- die Zusammenarbeit bei Cybersicherheit.
Für zivile Krisenprävention gab es Verpflichtungen, militärische Dingen hatten aber Vorrang.
Frieden und Sicherheit in Afrika zu fördern war schon bei der ersten Afrika-EU-Konferenz 2000 eine Priorität Europas. Die EU führt derzeit elf einschlägige militärische Operationen und zivile Missionen in afrikanischen Ländern durch. Von 2004 bis 2021 gab die Afrikanische Friedensfazilität (APF) fast 3 Milliarden Euro EU-Mittel für Friedenseinsätze unter afrikanischer Führung sowie zur Stärkung der afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur aus.
Die APF ist der Vorgänger der von den EU-Außenministern im März 2021 ins Leben gerufenen EPF. Trotz der ähnlichen Namen sind die Unterschiede groß. Das EPF-Budget
- beschränkt sich nicht auf Afrika,
- hängt nicht von AU-Entscheidungen ab und
- kann für tödliche Waffen genutzt werden.
Die neue Fazilität ist also stärker, aber afrikanische Regierungen haben weniger Einfluss auf sie. Die EPF ist nicht Teil des EU-Budgets, sondern steht als zwischenstaatliches Instrument den EU-Regierungen flexibel zur Verfügung.
Ausgabenobergrenze schon überschritten
Die EPF sollte dieses Jahr maximal 540 Millionen Euro ausgeben, aber der Ukraine wurden bereits 1,5 Milliarden bewilligt. Die EU-Mitglieder müssen also ihre Jahresbeiträge und Ausgabenlimits neu verhandeln und ihre strategischen Ziele prüfen. Was bedeutet die Unterstützung der Ukraine für andere EPF-Aufgaben? Was wird aus den Vereinbarungen des AU-EU-Gipfels? Die EU muss auf die AU zugehen, um darüber zu reden.
Europas Außen- und Sicherheitspolitik wird sich kurz- bis mittelfristig auf Osteuropa konzentrieren müssen. Oberste Priorität haben die Unterstützung der Ukraine und eine stärkere NATO-Präsenz in den baltischen und osteuropäischen Mitgliedsstaaten. Derweil wird die militärische Präsenz in Afrika wohl zumindest teilweise reduziert. Die EU muss das mit den afrikanischen Partnern besprechen und deren Bedenken ernst nehmen.
Vertrauen ist wichtig, aber die EU hat ernste Glaubwürdigkeitsprobleme. Laut Vladimir Antwi-Danso vom Ghana Armed Forces Command&Staff College liegt das unter anderem daran, dass die vom Westen geführte Libyen-Intervention nicht gut verlief und die Sicherheitslage in vielen Ländern verschlechterte (siehe Interview mit Vladimir Antwi-Danso auf www.dandc.eu). Besonders schwierig ist die Lage in Mali, wo nun ein Militärregime herrscht. Antwi-Danso spricht von „systemischem Putschen“, wenn Offiziere Staatlichkeit zerfallen sehen, wo westliche Geber substanzlose demokratische Zeremonien unterstützen.
Angesichts wachsender Probleme will Frankreich aus Mali abziehen und die EU ihre Militärausbildung dort einstellen. Europa muss klären, wie das kompensiert werden soll, und wie sie künftig mit Malis Militärjunta umgehen will. Die Fragen sind nun schwieriger denn je.
Der Ukraine-Krieg ist furchtbar und beispiellos. Eine Atommacht hat ein souveränes UN-Mitglied angegriffen. Darauf müssen die europäischen Entscheider reagieren. Sie dürfen aber nicht vergessen, dass dieser Krieg keines der zuvor schon bestehenden Probleme erübrigt – und es wäre ein Riesenfehler, Afrika aus den Augen zu verlieren.
Dieser Kommentar beruht auf einem Beitrag des DIE-Blogs „Zukunft der Globalisierung“.
blogs.die-gdi.de/future-of-globalisation/
Julian Bergmann ist Wissenschaftler am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE).
julian.bergmann@die-gdi.de
Niels Keijzer ist ebenfalls Wissenschaftler am DIE.
niels.keijzer@die-gdi.de