Klimawandel
Über die übliche Hilfe hinaus
[ Von Kate Raworth ]
Turkana, Kenia, Dezember 2006: Philip Emanman betrachtet den monatlichen Dürrebericht seiner Region. Fischerei: Alarm. Städtische Ballungsräume: Alarm. Ländlicher Raum: Alarm. Bezirk insgesamt: Alarm. „Früher gab es alle 15 bis 20 Jahre eine schwere Dürre, inzwischen alle zwei bis drei Jahre“, erklärt Emanman, der für die kenianische Regierung in der Verwaltung trockener Landstriche arbeitet: „Unser Klima verschlechtert sich.“
Die Dürren sind nicht das einzige Problem, klagt Esinyen Timu, von einem Ältestenrat im Oropoi-Distrikt: „Wir wissen nicht, ob und wann der Regen kommt. Also können wir nicht entscheiden, was wir nächste Woche mit unseren Tieren machen – und nächstes Jahr mit unserem Leben.“
Wissenschaftliche Prognosen der globalen Erwärmung bewahrheiten sich schnell – und viele arme Gemeinschaften müssen lernen, mit den Folgen umzugehen. In Südafrika regnet es heute weniger und unregelmäßiger als früher. Bauern verkaufen ihr Vieh und pflanzen schnellwachsende Getreidesorten. In Bangladesch legen die Dorfbewohner schwimmende Gemüsegärten an, um die Ernte vor Fluten zu bewahren. In Vietnam werden entlang der Küste Mangroven angepflanzt, um tropische Sturmwellen zu brechen.
Viele Agrargesellschaften kommen seit Jahrhunderten mit Klimaschwankungen zurecht. Aber die absehbaren Folgen des menschengemachten Klimawandels gehen weit über das bisher Erfahrene hinaus, warnt John Holdren, Präsident der American Association for the Advancement of Science: „Wir haben nur drei Optionen – Milderung, Anpassung und Not. Es wird auf alle drei hinauslaufen. Die Frage ist nur die der Mischung. Je besser wir den Wandel abmildern, desto weniger Anpassung ist nötig und desto weniger Not entsteht.“
Die Entwicklungsländer müssen sich auf vielen Ebenen an den Klimawandel anpassen. Nötig sind neue Technologien und zusätzliche Einkommensquellen. Ministerien müssen Klimarisiken bei der Haushalts- und sonstigen Planung berücksichtigen. Infrastrukturen – Krankenhäuser, Wasserreservoirs und Straßen – müssen klimafest gemacht werden. Das wird Geld kosten – ebenso wie Nothilfe und Wiederaufbau nach Katastrophen.
Die Auswirkungen des Klimawandels gehen mit großer Ungerechtigkeit einher. Die Industrieländer haben das Problem verursacht. Seit Jahrzehnten stoßen sie Treibhausgase aus und sind dabei reich geworden. Die armen Länder wiederum trifft der Wandel am härtesten. Sie sind immer größeren Dürren und Fluten, Hunger und Krankheit ausgesetzt, haben aber nicht die Mittel, damit umzugehen.
Fundamentale Ethik
Ein allgemeines ethisches Prinzip gilt weltweit, auf Spielplätzen und in Gerichtssälen: Wer andere beeinträchtigt, muss damit aufhören und den Schaden reparieren. Umweltverschmutzende Länder – mit anderen Worten: die reichen ¬– müssen aufhören, andere zu schädigen. Sie müssen massiv Emissionen reduzieren und Alternativen mit niedrigem CO2-Ausstoß entwickeln, damit die globale Erwärmung so weit wie möglich unter 2 Grad Celsius bleibt. Und sie müssen beginnen, den armen Ländern bei der Anpassung zu helfen, bevor diese vom Klimawandel voll getroffen werden.
Ein erster notwendiger (und relativ leicht umzusetzender) Schritt wäre, dass die reichen Länder ihren Anteil an den Adaptionskosten der Entwicklungsländer übernehmen, und zwar zusätzlich zu ihrer bisherigen Entwicklungshilfe.
Es ist aus drei Gründen schwierig, diese Kosten exakt zu schätzen:
– Es gibt bisher nur wenige Adaptionserfahrung, also ist die verlässliche Kalkulation problematisch;
– die Auswirkungen des Klimawandels sind sehr ungewiss; und
– die Schwere künftiger Schäden hängt davon ab, wie schnell wir heute die Umweltverschmutzung eindämmen.
Dennoch ist es nötig, sich ein Bild von der Höhe der Adaptionskosten zu machen. Der Weltbank zufolge werden die Entwicklungsländer jährlich 10 bis 40 Milliarden Dollar brauchen, um sich an die wachsenden Auswirkungen des Klimawandels anzupassen. Dabei erfasst die Bank aber nur klimabezogene Makro-Investitionen, die Regierungen, Geber und Privatsektor bereits planen. Außen vor bleiben lokale Initiativen, die den schwächsten Gliedern der Gesellschaft dienen. Zudem werden zusätzliche Aufwendungen – wie Ausgaben, um angeschlagene Ökosysteme zu restaurieren oder schmelzende Gletscher kontrolliert abfließen zu lassen – ignoriert.
Wegen solcher Faktoren schätzt Oxfam die Anpassungskosten viel höher ein – nämlich auf mindestens 50 Milliarden Dollar jährlich. Das Volumen dürfte schnell steigen, wenn der Treibhausgasausstoß nicht sofort im nötigen Umfang gesenkt wird.
Wer muss zahlen? Laut den in der Klimarahmenkonvention der UN definierten Regeln ist klar, dass die Staaten diese Kosten schultern müssen, die a) die globale Erwärmung verursacht haben und b) in der Lage sind, Hilfe zu leisten. Die „Zahlungsverantwortung“ könnte auf der Basis der jeweils aktuellsten Statistiken über Pro-Kopf-Emissionen von 1992 bis 2003 ermittelt werden. Die „Zahlungsfähigkeit“ kann anhand des Entwicklungsstandes jedes Landes gemessen werden, wie ihn der Human Development Index (HDI) der UN erfasst.
Demnach wären 28 Länder verantwortlich und in der Lage, für die Anpassung der Entwicklungsländer zu zahlen. Auf die USA entfielen mehr als 40 Prozent und auf die EU 35 Prozent (mit Deutschland, Großbritannien, Italien, Frankreich und Spanien als den fünf größten Verursachern) der jährlich 50 Milliarden Anpassungskosten. Japan, Kanada, Australien und Korea müssten zusammen 20 Prozent zahlen, die Hälfte davon Japan.
Bislang ist Konsens, dass die Adaptionskosten sich auf „mehrere zehn Milliarden Dollar“ belaufen werden. Die reichen Länder haben bisher aber nur 182 Millionen Dollar zugesagt – nicht einmal 0,5 Prozent des Minimums, von dem Oxfam ausgeht.
Haiti, Samoa, Kiribati – und Schluss
Um das Verhältnis zu verdeutlichen: Die dringendsten, sofort notwendigen Anpassungsschritte in den am geringsten entwickelten Ländern (LDC) erfordern wahrscheinlich ein bis zwei Milliarden Dollar im Jahr. Aber die reichen und verantwortlichen Staaten eilen sich nicht. Sie haben bisher nur 48 Millionen Dollar in den internationalen Fonds für die LDC gezahlt. Das reicht gerade mal für Haiti, Samoa und Kiribati.
Obendrein rechnen die reichen Länder diesen Bruchteil des Nötigen fast komplett auf ihre staatliche Entwicklungshilfe (ODA) an. Nur die Niederlande haben ausdrücklich versprochen, klimabezogene Mittel zusätzlich zu ihrer Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen. Aber die ODA ist weltweit längst unterfinanziert, die Geberländer erfüllen noch immer nicht ihr Versprechen, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bereitzustellen. Anpassungsfinanzierung muss separat und zusätzlich zur Entwicklungshilfe erfolgen. Dieses Geld steht den armen Ländern auf einer ganz anderen Grundlage zu.
Derweil ist der Aufwand, den reiche Länder für ihre eigene Klimawandelanpassung betreiben, deutlich größer. Britannien hat international mit 38 Millionen Dollar bisher die größte Summe zugesichert, investiert aber daheim 347 Millionen Dollar in die Kühlung der Londoner U-Bahn. Die Niederlande haben 18 Millionen Dollar internationale Adaptionshilfe zugesagt, geben aber für eigene Deiche mindestens 2,9 Milliarden Dollar aus.
Es ist im Eigeninteresse reicher Länder, ihr schädliches Tun zu stoppen und stattdessen zu helfen. Anpassung kann die Schäden des Klimawandels in armen Ländern reduzieren, geht aber nicht an die Wurzel des Problems. Wenn die Industrieländer ihre Emissionen nicht schnell reduzieren, werden sich die Adaptionskosten immer weiter in die Höhe schrauben. Es geht um globale Stabilität und Sicherheit. Die reichen Länder stehen nicht nur vor dem Problem schwerwiegender klimatischer Bedrohung zu Hause, sondern auch vor möglichen Krisen im Ausland, wenn die Entwicklungsländer zunehmend unter Armut, Hunger, Krankheit, Migration und Konflikten um Ressourcen leiden. Es ist im Interesse aller Länder, das Thema Klimawandel anzugehen – und zwar sofort.