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Finanzmärkte

Türkischer Abwärtssog

Gemessen am Dollar, hat die türkische Lira in diesem Jahr etwa 40 Prozent ihres Werts verloren. Das hat mehrere Gründe. Die beiden wichtigsten sind die internationale Aufwertung des Dollars und steigenden Zinsen in den USA. Das große Problem ist, dass die türkische Wirtschaft in den vergangenen zehn Jahren von billigen Dollarkrediten angefeuert wurde.
Wechselstube in Ankara. Ozbilici/picture-alliance/AP Photo Wechselstube in Ankara.

Im Zuge der globalen Finanzkrise von 2008 haben Anleger aus G7-Ländern viel Geld in Schwellenländer umgeleitet. Sie wollten höhere Erträge, als in den etablierten Wirtschaftsmächten angesichts niedriger Zinsen zu erwarten war. Zustrom ausländischen Kapitals machte Kredite in der Türkei und anderen Schwellenländern besonders billig. Der starke Dollar und steigenden Zinsen in den USA bedeuten nun, dass dieser Trend sich umgekehrt (siehe Interview mit Iwan J. Azis in E+Z/D+C e-Paper 2018/08, S. 21). Angesichts ähnlicher Probleme hat die argentinische Regierung bereits den Internationalen Währungsfonds (IWF) um Unterstützung bitten müssen (siehe hierzu auch Artikel von Jorge Saborido in E+Z/D+C 2018/09, S, 19).

Derzeit macht die globale Trendwende der Türkei besonders zu schaffen. Schätzungen zufolge braucht das Land einen Zustrom von rund 200 Milliarden Dollar im Jahr, aber Devisen fließen nun ab. Die Volkswirtschaft steckt in einem Sog nach unten. Kreditnehmern fällt es zunehmend schwer, Dollardarlehen zu bedienen. Entsprechend zweifeln ihre Kreditgeber daran, dass sie die Erträge bekommen, auf die sie hofften. Je weiter die Lira abgewertet wird, desto größer sind die Anreize, Kapital aus der Türkei abzuziehen, wodurch aber die Schuldenprobleme noch größer werden. Privatunternehmen, die Schulden in Dollar bedienen müssen, stehen unter wachsendem Druck.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will diese Dynamik nicht wahrhaben. Die Türkei bräuchte eine strengere Geldpolitik, um die Lira zu stärken und die Inflation zu bekämpfen. Stattdessen behauptet Erdogan ohne jeden empirischen Beweis, hohe Zinsen führten zu Inflation. Historisch ist das Gegenteil richtig. Internationale Wirtschaftsblätter diskutieren nun, wann – aber nicht ob – die Türkei IWF-Geld brauchen wird.

Erdogan ist nicht allein für die Probleme verantwortlich. Finanzkrisen haben nicht nur einen Urheber. Wenn Schuldenlasten untragbar werden, haben Kreditnehmer und Kreditgeber dazu beigetragen.

Normalerweise wäre zu erwarten, dass alle Regierungen sich bemühen, eine Finanzkrise zu begrenzen. Wir leben aber nicht in normalen Zeiten. US-Präsident Donald Trump will politisch von den makroökonomischen Problemen der Türkei profitieren. Er hat Sanktionen verschärft sowie Stahl- und Aluminiumzölle erhöht und damit den Verfall der Lira beschleunigt. Er will, dass Erdogan einen amerikanischen Pastor freilässt, dem Erdogan wiederum Verwicklung in den gescheiterten Militärputsch vor zwei Jahren vorwirft. Der türkische Präsident lastet nun die Wirtschaftskrise seines Landes dem amerikanischen Amtskollegen an.

Trump hat sie aber nicht verursacht. Er verschärft sie nur. Das Weiße Haus hat nicht die Macht, internationale Kapitalströme umzulenken. Die Kräfte, welche die Währungen der Türkei und anderer Schwellenländer nach unten ziehen, sind viel stärker.

Trump spielt mit dem Feuer. Typisch für Finanzkrisen ist, dass sie von einem Land auf andere übergreifen können, wenn deren Lage ähnlich zu sein scheint. Irgendwann kann die Zahlungsfähigkeit systemrelevanter Akteure auf dem Spiel stehen, und dann könnte das globale Finanzsystem einfrieren, wie das 2008 nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers geschah.

Um globale öffentliche Güter zu sichern, ist globale Kooperation nötig. Finanzmarktstabilität ist solch ein globales öffentliches Gut. Die Erfahrung lehrt, dass internationale Institutionen in solchen Situationen nicht immer optimal handeln, aber sie Krisen durchaus schon in den Griff bekommen. Lektionen können gezogen und müssen beherzigt werden (siehe Jürgen Zattler in E+Z/D+C ­e-Paper 2018/08, S. 23).

Dass Trump von Multilateralismus nichts hält, ist bekannt. Allerdings ist auch Erdogans Behauptung, er habe Alternativen zur Kooperation mit den USA, unverantwortlich. Es ist sicherlich hilfreich, dass Katar ihm kürzlich Investitionen im Volumen von 15 Milliarden Dollar in der Türkei versprochen hat, aber das reicht für eine Trendwende nicht. Vielleicht würde auch Russland Erdogan gern helfen; Moskau hat aber selbst Finanzprobleme. Falls andere Schwellenländer in den türkischen Abwärtssog hineingeraten, gibt es zur multilateralen Zusammenarbeit nur eine Alternative: tiefen Absturz.


Hans Dembowski ist Chefredakteur von E+Z/D+C.
euz.editor@fazit-communication.de

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