Rüstung
Etappensieg für den Todeshändler
„Ich verspreche Ihnen, dass ich keine Minute im Gerichtssaal verbringen werde“, sagt der Waffenhändler, worauf ihm sein Verfolger von Interpol entgegnet: „Sie haben wohl Wahnvorstellungen.“ Der Waffenhändler behält recht, kurz darauf spaziert er aus dem Gefängnis. So endet Andreas Niccols Film „Lord of War“. Diese Fiktion, die 2005 über die Kinoleinwände flackerte, könnte nun Realität werden.
Der 42-jährige Waffenhändler Victor Bout, der die vergangenen 17 Monate in einem Gefängnis in Bangkok verbracht hat, ist möglicherweise bald wieder auf freiem Fuß. Bout wird vorgeworfen, Waffen an Parteien der wichtigsten Konflikte der vergangenen Jahre geliefert zu haben. Doch ein Gericht in Bangkok lehnte seine Auslieferung an die USA nun ab. Die Begründung ist simpel: Bout sei nicht angeklagt, Verbrechen gegen Thailand begangen zu haben. Außerdem würden die FARC – die bewaffneten revolutionären Streitkräfte Kolumbiens – von Thailand nicht als Terroristen eingestuft. Doch mit der Einstufung der kolumbianischen Rebellenorganisation steht und fällt die Anklage gegen Bout. Denn nur aufgrund eines fingierten Deals, bei dem sich Agenten der amerikanischen Drug Enforcement Agency (DEA) als Mitglieder der Guerillaorganisation ausgegeben hatten, um Waffen zu kaufen, konnte Bout festgenommen werden.
„Wir sind enttäuscht und verwirrt", kommentierte der stellvertretende US-Botschafter in Thailand, James Entwistle, die Entscheidung des Gerichts im August. Russische Diplomaten hingegen begrüßten die Entscheidung. Außenminister Sergej Lawrow selbst hatte sich im Juli für die Freilassung Bouts eingesetzt. Internationale Medien gingen davon aus, dass Druck aus Moskau die Entscheidung über die Auslieferung beeinflusst habe.
Zu regelmäßigen Kunden des Waffenhändlers Bout sollen etwa Libyens Staatschef Muammar al Gaddafi oder der ehemalige liberianische Präsident Charles Taylor gezählt haben. Taylor muss sich derzeit vor einem Sondergericht wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten. Außerdem belieferte Bout Rebellenorganisationen in Angola, Zaire, dem Nahen Osten und Afghanistan.
Aber der Waffenhändler war auch im offiziellen Auftrag unterwegs. Für die UN brachte er Soldaten in Krisengebiete. Und für die USA belieferte er im Jahr 2003 die irakischen Streitkräfte mit Waffen. Laut Presseberichten habe Washington damals zu spät erkannt, wer hinter der beauftragten Firma stecke. Das sei oft auch sehr schwierig, meint Mathias John. Er ist Rüstungsexperte von Amnesty International Deutschland und beschäftigt sich seit fast 30 Jahren mit dem Thema Rüstung. „Häufig stützen sich Waffenhändler auf Netze aus Transportfirmen“, sagt er. Außerdem operierten sie häufig in „sehr diversifizierten Unternehmen, die verschiedene Geschäftsfelder bedienen“.
Dabei nutzen sie Grauzonen gezielt aus. „Leute wie Bout können immer wieder in Länder ausweichen, die lasche Regeln haben“, sagt John. Die EU hat sich zwar 2003 auf eine gemeinsame Regelung geeinigt; es gibt aber immer noch eine Reihe von Ländern, in denen es keinerlei Gesetze zum Waffenhandel gibt. Doch das sind nicht die einzigen Schlupflöcher, derer sich Waffenhändler wie Bout bedienen. Das Handeln von Waffenhändlern oder Vermittlern von Waffengeschäften sei nicht ausreichend reguliert, argumentiert Amnesty International in einer Studie. Die Zollkontrollen reichten nicht aus und die Bestände von Waffen würden nicht genügend kontrolliert. Zusätzlich erleichterten Steueroasen und Billigflaggen das Geschäft von Waffenschiebern.
Auch sei es keine Seltenheit, dass Waffen in Konflikten verschwänden und dort zu Menschenrechtsverbrechen beitrügen, meint John. Gerade deshalb sei ein verbindliches weltweites Waffenhandelsabkommen so wichtig. Genau dafür setzt sich die Kampagne Control Arms ein. Die UN haben sich zwar mit dem Thema schon beschäftigt, doch bisher wenig erfolgreich. Derzeit soll eine Arbeitsgruppe Vorschläge erarbeiten. Vor allem die USA hätten immer wieder aktiv versucht, den Prozess zu verzögern, sagt John.
Vor einem US-Gericht in New York ist Bout angeklagt, in eine Verschwörung zur Tötung amerikanischer Bürger verwickelt zu sein. Würde er verurteilt, bekäme er vermutlich lebenslange Haft. Doch dazu müsste Thailand ihn aber an die USA ausliefern. Ob das geschieht, ist derzeit aber noch völlig offen. Auf die Entscheidung des thailändischen Gerichts hat die Staatsanwaltschaft des Landes in letzter Minute Berufungsklage eingereicht. Bis Mitte September muss sie die Klageschrift ausformulieren, dann muss das Gericht entscheiden.
Bout, der mehrere Decknamen und fünf Pässe hatte, wurde im Januar 1967 in Tadschikistan geboren. Er besuchte das sowjetische Militärinstitut für Fremdsprachen und eine Militärakademie. Außerdem hat er einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften. Ins Transportgeschäft stieg er nach Medienberichten im Jahr 1992 ein. Für 120 000 Dollar kaufte der damals 25-Jährige drei Antonov-Transportflugzeuge. Zunächst flog er Blumen, erst später sattelte er auf Waffen, Munition und Diamanten um. Jahrelang versuchten Geheimdienste und Interpol ihn zu fassen. Doch die Behörden kamen nicht an ihn ran. 2002 stellte Belgien einen internationalen Haftbefehl gegen ihn aus. Der Vorwurf: Geldwäsche und Diamantenschmuggel auf belgischem Boden.
„Er kriegt schon, was er verdient“, sagt der eine Interpol-Beamte im Film. Doch sein Kollege wendet ein: „Da wäre ich mir nicht so sicher.“ Auch in der Realität ist diese Frage nun wieder offen. Ob Bout am Ende verurteilt wird oder der Justiz davonspaziert, wird sich noch zeigen.
Claudia Isabel Rittel