Entwicklungskredite
Auf Schuldenqualität achten
Kürzlich noch war die Verschuldung von Ländern mit niedrigen Einkommen ein heißes Thema. Anfang 2020 stritten sich die Präsidenten von Weltbank und Afrikanischer Entwicklungsbank noch über die Rolle ihrer Institute angesichts der wachsenden Schuldenlast in Afrika. Covid-19 hat die internationale Debatte aber komplett verändert. Internationale Finanzinstitutionen und andere haben ihre Kreditvergabe gesteigert, um Ländern mit niedrigen Einkommen in der Krise zu helfen.
Die Gruppe der 20 größten Volkswirtschaften (G20) zeigt sich wegen der Pandemie mit Blick auf Schulden großzügig. Sie beschloss den Schuldendienst der Niedrig-Einkommen-Länder ein Jahr lang auszusetzen. Diverse Spitzenpolitiker und Amtsträger haben sich für noch radikalere Schritte ausgesprochen. So empfahl der französische Präsident Emmanuel Macron im April 2020 umfangreiche Schuldenerlasse. Später erklärte Weltbank-Präsident David Malpass, dies sei der einzige Weg, Armutsfallen zu vermeiden.
Wir sagen dagegen, dass die aktuelle Kreditschwemme Probleme verschärfen wird. Sicherlich ist wegen der ungewöhnlichen Pandemie internationale Solidarität geboten. Schwache Volkswirtschaften brauchen Geld und Hilfsmaterialien. Wir dürfen aber die ständig wachsenden Schuldenberge von immer mehr Ländern nicht ignorieren. Dass steigende Kreditvergabe fundamentale Probleme löst, ist ein Irrglaube.
Üblicherweise wird die Schuldensituation in Ländern mit niedrigen Einkommen mit quantitativen Daten wie etwa der Relation der Schulden zur Wirtschaftsleistung oder dem Exportvolumen analysiert. Zwei qualitative Indikatoren verdienen ebenso Beachtung:
- die Schuldenwirksamkeit (in welchem Maß wird das erwünschte Ziel erreicht?) und
- die Schuldeneffizienz (der Mehrwert pro geliehenem Dollar).
Wenn beide Indikatoren nur mittelmäßig ausfallen, wurden Mittel offensichtlich vergeudet. Sollten dabei kleptokratische Staatsapparate Geld veruntreut haben, trüge das zur Toxizität der Staatsschulden zusätzlich bei.
Derartige landesspezifische Daten existieren. Sie sind Teil der Kreditberichterstattung – und sollten weitere Entscheidungen über Darlehen oder Schuldenerlass beeinflussen. Im Fall von klaren Fehlschlägen oder offensichtlicher Veruntreuung ist pauschaler Schuldenerlass nämlich nicht hilfreich, sondern schädlich.
Viele Niedrig-Einkommens-Länder haben von früheren Schuldenerlassen profitiert. Zu nennen ist besonders die Heavily Indebted Poor Countries (HIPC) Initiative, die 1996 lanciert wurde. 37 Ländern (davon 31 in Afrika) wurden Schulden ganz oder teilweise erlassen. Das Gesamtvolumen betrug 100 Milliarde Dollar. Im Gegenzug mussten die betroffenen Länder wirtschaftliche und soziale Strukturreformen durchführen. Verantwortungsvolles Schuldenmanagement sollte künftige Überschuldung verhindern.
Zwei Jahrzehnte später wissen wir, dass sich weder Kreditgeber noch Kreditnehmer daran gehalten haben. Pauschaler Schuldenerlass ändert aber nichts an den grundsätzlichen Problemen der betroffenen Länder. Folglich trägt er auch nicht dazu bei, Armut-und Schuldenfallen zu vermeiden.
Die wirkliche Aufgabe ist, die Wertschöpfung voranzubringen, damit Volkswirtschaften wettbewerbsfähig, robust und sozial inklusiv werden. Geld allein reicht nicht. Es hat in der Vergangenheit nicht zu guter Amtsführung, kompetenter Führung und leistungsfähigen Institutionen geführt – und es gibt keinen Grund, weshalb das künftig anders sein sollte. Es ist Anlass zur Sorge, dass Spitzenleute der globalen Wirtschaftspolitik glauben, nur systemische Schuldenreduzierung könne wieder zu Wachstum führen und Armut verhindern.
Leny van Oijen ist unabhängige Entwicklungs-Gutachterin.
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Christian Penda Ekoka ist Geschäftsführer von Insight BDS (Business Development Service).
christian.pendaekoka@insightbds.com