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Global Governance

Neue Schwergewichte

Westeuropa und Nordamerika sind gewohnt, in multilateralen Institutionen den Ton anzugeben. Ihr Einfluss in diesen Einrichtungen entspricht jedoch nicht mehr ihrem wahren politischen und ökonomischen Gewicht. Die aktuelle Wirtschaftskrise zeigt den Reformbedarf schonungslos auf.


[ Von Jaleel Ahmad ]

Das gegenwärtige System der Global Governance ist ein Überbleibsel des Bretton-Woods-Systems, das nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor sechs Jahrzehnten gegründet wurde. Seine Geschichte war turbulent. Das System hat eine Reihe grundlegender Veränderungen durchgemacht, deren wichtigste das Ende der festen Wechselkurse in den frühen 70er Jahren war.

Trotz des dramatischen Wandels blieb die Führungsstruktur aber weitgehend unverändert. Das System diente der Weltwirtschaft recht gut und sorgte für belastbare Stabilität. Heute ist aber klar, dass sich das System überholt halt. Es entspricht nicht mehr der politischen und wirtschaftlichen Realität. Die wachsende Bedeutung neuer Schwergewichte – vor allem in Asien und Lateinamerika – muss in Betracht gezogen werden. Im System der Global Governance sind mehr als nur kosmetische Änderungen nötig.

Dies zeigt sich am deutlichsten bei den G8. Dies ist eine informelle Formation, die ursprünglich zur Koordinierung der makroökonomischen Politik gegründet wurde – mit den USA, Kanada, Deutschland, Britannien, Frankreich, Italien und Japan als Teilnehmern. Später wurde auch Russland aufgenommen, was die Tatsache widerspiegelte, dass die G8 mittlerweile auch auf anderen Politikfeldern aktiv geworden waren.

Was die globale Makroökonomie angeht, sind die G8 aber inzwischen nicht nur veraltet. Sie wurden sogar schon von den G20 ersetzt, denen außer den G8-Mitgliedern auch die großen Schwellenländer angehören. Wegen der aktuellen Finanz- und Wirtschaftsnöte wurden die G20 im November kurzfristig nach Washington einberufen, ihr nächster Gipfel findet im April in London statt. Am regelmäßigen G8-Turnus mit seinen sommerlichen Gipfeln wurde hingegen nichts geändert. Das beweist, dass die G8 nicht mehr das Weltforum für makroökonomische Koordination sind.

IWF und Weltbank

Die Mitglieder der informellen G8 sind gewohnt, wichtige formal organisierte internationale Institutionen zu dominieren. Das gilt besonders für den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Weltbank. Es ist absurd, dass die winzige Schweiz fast den gleichen Stimmenanteil (1,6 %) im IWF hat wie das riesige Indien (1,9 %). Es ist höchste Zeit, dass der IWF Konsequenzen aus dem schnellen Wachstum der Schwellenländer zieht. Sie sind zu Gravitationszentren der Weltwirtschaft geworden.

Trotz des Aufschwungs und wachsenden Einflusses Asiens ringt dieser Kontinent aber immer noch mit großen Problemen – zu nennen wären etwa weit verbreitete Armut, Krankheiten und Mangelernährung. Damit sich die Dinge bessern, ist nicht nur stabiles Wirtschaftswachstum nötig, sondern auch faire Verteilung. Deshalb kommt es darauf an, ein Global-Governance-System zu schaffen, das die Basis für breit angelegte und faire Wirtschafts- und Sozialentwicklung schafft.

Auch das wäre für sich genommen schon Anlass genug, die Stimmrechte bei den internationalen Finanzinstitutionen neu zu verteilen und den Regierungen, die sich den Herausforderungen unmittelbar stellen müssen, mehr Einfluss zu geben. Nicht nur der IWF und die Weltbank, sondern auch die regionalen Entwicklungsbanken müssen sich anpassen.

Zu lange schon werden Finanzentscheidungen mit Konditionalitäten verbunden. Das darf jetzt, wo die internationalen Finanzinstitutionen wegen der Kreditklemme im Privatsektor wieder an Bedeutung gewinnen, nicht so bleiben. Die Industrieländer konzentrieren sich zunehmend auf ihre eigenen Probleme, aber die ärmsten Entwicklungsländer und auch die Schwellenländer brauchen Zugang zu Liquidität.

Die in Bretton Woods angestrebte Hauptfunktion des IWF war, Mitgliedsstaaten in Krisenzeiten mit Liquidität beizustehen. Für die Entwicklungshilfe war die Weltbank gedacht. In der jüngeren Vergangenheit gab es viele Überschneidungen. Es wäre sinnvoll, dass sich beide Institutionen wieder auf ihre jeweilige Kernkompetenz konzentrierten.

Trotz gegenteiliger Behauptungen hat der IWF kein umfassendes Mandat dafür, sämtliche Aspekte der von ihm beobachteten internationalen Angelegenheiten in seine Bewertungen mit einzubeziehen. Die Aufsicht über die gesamtwirtschaftlichen Angelegenheiten der Mitglieder und die staatsübergreifende Politikgestaltung sollten deshalb einer neuen Behörde anvertraut werden. Sie könnte World Macroeconomic Authority, Global College of Macroeconomics oder so ähnlich heißen. Diese Behörde würde unbürokratische Studien, Analysen und Rat in makroökonomischen Dingen auf eine Weise anbieten, die nicht die jeweilige nationale oder territoriale Souveränität beeinträchtigen dürfte.

Diese Institution sollte auch keine Daten erheben, sondern mit den Statistiken anderer Körperschaften (von den UN bis zur EU) arbeiten. Sie sollte auch keine Prognosen erstellen. Als hochrangige Beratungsstelle sollte sie regelmäßig ein allgemeines Bild der weltwirtschaftlichen Gesamtlage zeichnen und bei Bedarf genauere Analysen bestimmter Regionen, Länder oder Probleme abgeben. Sie dürfte sich nicht, wie bisher meist üblich, vor allem an den Interessen Nordamerikas und Westeuropas orientieren.

Der IWF sollte die immense Masse seiner Berichte und Studien nicht weiterführen. Die meisten dieser Expertisen berühren die Schlüsselaktivitäten des Fonds nur am Rande. Das Gros dieser Forschungstätigkeit (und die dafür benötigten Mittel) sollten Hochschulen übernehmen, denn diese sind eher in der Lage, transparent zu ausgewogenen Ergebnissen zu kommen.

Die neue makroökonomische Institution sollte als Global Public Good verstanden werden und Mitgliedsländern unkonditioniert mit Rat und Tat zur Seite stehen. Ihre Struktur und Funktion sollte man sich ganz anders als die des IWF vorstellen. Hätte es vor zehn Jahren solch eine Institution schon gegeben, hätten die Fehler des IWF bei der Beurteilung und Bekämpfung der Asienkrise vermieden werden können.

Die Vereinten Nationen

Angesichts der Kreditklemme und des dramatischen Konjunktureinbruchs in vielen Ländern liegt das Hauptaugenmerk gegenwärtig auf Wirtschaftsproblemen. Darüber darf aber nicht vergessen werden, dass das System der Vereinten Nationen ebenfalls schwerfällig geworden ist und nicht befriedigend funktioniert. Zu den Ursachen gehören unter anderen die gestiegene Mitgliederzahl, die zunehmenden Forderungen von immer selbstbewusster auftretenden zivilgesellschaftlichen Organisationen und vor allem die überholte Machtkonzentration aufgrund des Vetorechts der ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat.

Letzteres ließe sich durch eine Vergrößerung des Sicherheitsrats beheben. Länder wie Indien und Brasilien, die eine hohe Bevölkerungszahl, eine bedeutende Wirtschaft und beachtliche militärische Macht aufweisen, sollten ständige Mitglieder werden. Es ist aber darauf zu achten, dass die ständige Mitgliedschaft im Sicherheitsrat – ob neu oder alt – auf allgemein vereinbarten Kriterien beruht.

Eine Neuordnung der Mitgliedschaft des Sicherheitsrats auf Basis klarer Auswahlkriterien würde dieses Weltgremium viel repräsentativer machen. Außerdem könnte es helfen, Finanzprobleme der UN zu lösen, denn von den neuen Mitgliedern könnte im Gegenzug für den gewachsenen Einfluss auch mehr Geld erwartet werden.

Fazit

Reformbedarf ist in fast allen bestehenden multilateralen Einrichtungen zu erkennen. Die Weltwirtschaft ist multipolar und um vieles komplexer geworden als früher. Zu betonen ist natürlich, dass Reformen auf demokratische und transparente Weise zustande kommen müssen als Ergebnis sorgfältiger Verhandlungen.

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