Verschwendung
Der Durst der Stadt
Von Mirja Michalscheck
Jordanien ist eines der wasserärmsten Länder der Welt. Die Hauptstadt Amman ist mit rund zwei Millionen Einwohnern die größte Agglomeration, wo Wasser vor allem in Haushalten gebraucht wird. Der Bedarf wächst mit der Einwohnerzahl und dem Lebensstandard.
Der Durst der Stadt hat Konsequenzen, die weit über ihre Grenzen hinaus reichen: Das Wasser wird aus immer weiter entfernt liegenden Gegenden bezogen. Auch die Erschließung neuer Wasserquellen wird immer teurer. Das aktuellste Megaprojekt Jordaniens ist die Disi-Pipeline, die voraussichtlich 1,1 Milliarden Dollar kosten wird. Zusätzlich zum Bau kostet auch das Pumpen und die Aufbereitung des Wassers Geld.
Eine Alternative wäre, Meerwasser in Aqaba zu entsalzen, doch auch das ist teuer. Am günstigsten wäre es, den Wasserverbrauch zu reduzieren – vorausgesetzt, Potenziale können kosteneffektiv genutzt werden. Knappheit ist oft kein pures Ressourcenproblem, sondern eine Frage des Ressourcenmanagements. Im Rahmen meiner Masterarbeit habe ich untersucht, wo Einsparpotenziale liegen und wie sie genutzt werden können.
Privathaushalte in der Pflicht
In Amman verbrauchen die privaten Haushalte rund 87 Prozent des gesamten Wassers. Auf sie kommt es also besonders an. Sie haben eine Reihe von Möglichkeiten: Sie können Wasserregler für Hähne, Duschköpfe und Toilettenspülungen anbringen, effiziente Waschmaschinen und Geschirrspüler nutzen und ihre Gärten sparsam bewässern. Um die Bevölkerung dazu zu motivieren, wären Aufklärungskampagnen und Fördermaßnahmen sinnvoll.
Wie viel die Menschen einsparen können und wie motiviert sie dazu sind, ist jedoch sehr unterschiedlich. Daher ist es für eine Analyse nützlich, Gruppen von Verbrauchern zu unterscheiden, die einen ähnlichen Wasserverbrauch haben.
Solche Gruppen zeichnen sich in der Regel durch ähnliche soziale und wirtschaftliche Voraussetzungen aus. Beispielsweise bieten sich die Ober-, Mittel- und Unterschicht als Kategorien an. Innerhalb dieser Gruppen sind Wasserverbrauch und Einsparpotenziale vergleichbar. Viele reiche Haushalte besitzen Gärten, Swimmingpools und Autos. Dafür nutzen sie allerdings auch häufiger Regenwasser, das sich auf ihren relativ großen Dachflächen sammelt.
Die Analyse nach Einkommensgruppen lohnt sich zudem, da diese typischerweise bestimmte Viertel der Stadt dominieren. Während der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch in dem ärmeren Viertel Ras El Ain bei 49 Litern am Tag liegt, beträgt er im wohlhabenden Abdoun mit 159 Litern mehr als dreimal so viel.
Wassersparkampagnen und Programme zur Nachrüstung sollten sich an solchen Tatsachen orientieren und auf Stadtviertel zugeschnitten werden. So sind sie individueller und durch die räumliche Begrenzung kostengünstiger.
Große Unterschiede
Um die Einsparpotenziale der einzelnen Gruppen zu bestimmen, führte ich zusammen mit einer Übersetzerin Haushaltsumfragen darüber durch, was die Familien über Wassersparen wissen und welche Maßnahmen sie bereits umsetzen. Das Ergebnis war, dass ärmere Haushalte oft Wasser sparen, indem sie ihre Verhaltensweisen ändern, während reiche Haushalte vor allem auf technische Ausstattung setzen.
Die teuren Badezimmer- und Küchenarmaturen der reichen Haushalte sind oft von vornherein mit Wasserreglern ausgestattet. Auch effiziente Waschmaschinen und Geschirrspüler sind in der Regel nur in dieser Verbraucherkategorie vorhanden. Ärmere Haushalte können sich derartige Investitionen oft nicht leisten und regulieren den Verbrauch manuell. Finanzielle Unterstützung in Form von Mikrokrediten könnte es auch ihnen ermöglichen, teure, aber langfristig effiziente technische Lösungen anzuwenden.
Manchen Sparmaßnahmen stehen außerdem soziale und kulturelle Vorbehalte im Weg. Beispielsweise haben in der arabischen Kultur viele Menschen Berührungsängste, was die Wiederverwendung von Abwasser angeht. Man muss sie aufklären und ihnen die Zweifel nehmen.
Auch das System der Wasserversorgung beeinflusst die Verhaltensweisen. Wasser gibt es in Amman nur einmal pro Woche über das öffentliche Netz. Haushalte speichern es in Metall- oder Plastiktanks auf dem Dach, um auch an den anderen Tagen über Wasser zu verfügen. Die Tanks kosten rund 100 Dollar. Der Preis variiert nach Größe und Qualität. Nicht jeder kann sich genug Speichervolumen leisten und besonders in den dicht besiedelten ärmeren Vierteln fehlt häufig der Platz für große Tanks. Arme Haushalte gehen in der Regel sparsam mit Wasser um, damit ihre begrenzten Speicher ausreichen.
Dies ist für reichere Haushalte kein Problem. Sie besitzen oft zusätzlich zu den Tanks unterirdische Zisternen, so dass ihnen im Schnitt fünfmal so viel Wasser zur Verfügung steht wie armen Haushalten. Zudem sind reiche Familien meist kleiner als arme, so dass sich die Pro-Kopf-Wasserverfügbarkeit der beiden sozialen Gruppen noch extremer unterscheidet.
Arme Familien motiviert der Wasserpreis zu möglichst sparsamem Verbrauch. Die Tarifgruppen richten sich nach der Absatzmenge pro Haushalt, nicht pro Kopf. Wegen ihrer überdurchschnittlichen Familiengröße ist der Gesamtwasserverbrauch armer Familien relativ hoch, so dass sie nicht von den Subventionen für die unteren Tarifgruppen profitieren. Trotz ihres geringen Pro-Kopf-Verbrauchs beträgt der Anteil ihres Einkommens, den sie für Wasser aufwenden, vier Prozent und ist damit viermal so hoch wie der reicherer Haushalte. Es gibt allerdings arme Familien, die bis zu 11 Prozent des Einkommens bezahlen.
Für reichere Haushalte bedeuten die Wasserpreise kaum einen Anreiz zur Sparsamkeit. Nach eigenen Angaben ist ihre Motivation eher religiöser Natur, denn der Koran verbietet die Verschwendung von Wasser.
In einem gewissen Grad sieht sich diese Verbrauchergruppe aber auch in gesellschaftlicher Verantwortung. Die Wasserressourcen sind begrenzt und jedem steht grundsätzlich nur ein bestimmter Anteil davon zu. Viele Teilnehmer der Umfrage erwarten, dass die Behörden sie über diesen „rechtmäßigen Anteil“ informieren. Sie gehen davon aus, dass, solange die Versorgungsbetriebe Wasser liefern, ihnen dieses auch zusteht. Dem ist aber nicht so – es besteht also amtlicher Handlungsbedarf.
Ein Viertel weniger
Mit Programmen, die nach Einkommensgruppen unterscheiden, könnte Ammans Bevölkerung viel Wasser sparen:
– Mit finanzieller Unterstützung könnten arme Familien effizientere Technik nutzen.
– Durch Information über die Wasserverteilung würden reiche Haushalte angeregt, ihr Verhalten zu ändern und mehr Wasser zu sparen.
– Durch Aufklärungskampagnen könnten kulturelle Vorbehalte aufgelöst werden.
Insgesamt ließe sich so der Wasserverbrauch privater Haushalte in Amman um rund 25 Prozent reduzieren. Das entspräche rund 28 Millionen Kubikmetern im Jahr. Jeder Kubikmeter, den Verbraucher einsparen, bedeutet zugleich auch weniger Verluste im Leitungsnetzwerk. Zudem ließe sich Energie sparen, die für die Wasseraufbereitung, das Pumpen und Klären des Wassers nötig wäre. Zumindest teilweise könnten auch die Erschließung neuer Wasserquellen verzögert und übernutzte Quellen geschont werden. Wassersparen wäre im Vergleich zu neuer Infrastruktur ausgesprochen kostengünstig – und ist schnell machbar.