Welthandel

Liberalisierung hat Afrika bislang eher geschadet

Handel fördert in der Regel das Wirtschaftswachstum, besagen die meisten Modelle der Wirtschaftstheorie. Empirische Untersuchungen bestätigen diese Ansicht, wenn auch nicht eindeutig und mit Einschränkungen: Andere Faktoren als der Handel – insbesondere Institutionen – haben mehr Einfluss auf den Wohlstand eines Landes, und manche Länder profitieren mehr als andere. Dennoch, so die vorherrschende Ansicht, bringt die Nutzung des Weltmarkts in der Regel Gewinn.

 

Für Afrika südlich der Sahara stimmt das jedoch nicht, behauptet eine Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts. Die Autoren Matthias Busse und José Luis Groizard gelangen zu diesem Befund durch eine statistische Analyse, die die Höhe des Pro-Kopf-Einkommens mit Faktoren des langfristigen Wirtschaftswachstums in Beziehung setzt – darunter Offenheit für Handel, Klima, Größe des Binnenmarktes, ethnische Vielfalt und Qualität der Institutionen. Berücksichtigt sind Daten für 146 Länder. Sie ergeben, dass Institutionen der wichtigste Faktor für langfristiges Wirtschaftswachstum sind, geografische Unterschiede haben signifikanten Einfluss, die Offenheit für den Handel jedoch nicht. Für Subsahara-Afrika insgesamt (allerdings nicht für jedes einzelne Land) stellen Busse und Groizard sogar das Gegenteil fest: Handel hat dort langfristig das Wirtschaftswachstum verringert.

Das hat laut den Autoren drei Gründe. Erstens verkauft Afrika vorwiegend Agrarprodukte und Rohstoffe. Die Konzentration auf solche Exporte ist wirtschaftlich und politisch häufig nachteilig: Für viele dieser Güter – vor allem landwirtschaftliche – sinken die Weltmarktpreise seit Jahrzehnten – nicht zuletzt wegen der Agrarsubventionen in Europa und den USA. Für manche Rohstoffe steigen die Preise seit kurzem wieder, aber hohe Einnahmen aus Rohstoffexporten fördern oft Korruption und Misswirtschaft.

Zweitens ist die Infrastruktur in Afrika schlecht und politische Stabilität vielerorts nicht gesichert. Das verringert und verteuert Exporte und verhindert Investitionen in die Herstellung von höherwertigen Gütern, so dass sich die Exportstruktur nicht ändert. Denselben Effekt hat drittens, dass die Anpassungskosten einer Marktöffnung in Afrika infolge der schlechten Institutionen sehr hoch sind. Laut Busse und Groizard verhindern insbesondere bürokratische Hürden den Aufbau neuer Firmen; die Überregulierung des Arbeitsmarkts bremst zudem die Wanderung von Arbeitskräften von schrumpfenden in wachsende Sektoren. Zumindest die letztere Aussage verwundert allerdings angesichts des großen informellen Sektors und der hohen Zahl Arbeitsuchender in den meisten Ländern Afrikas.

Die Studie besagt nicht, dass Afrika ein Opfer der Globalisierung ist, sondern dass es deren Chancen nicht nutzt. Der Kontinent kann laut Busse und Groizard nur vom Welthandel profitieren, wenn er seine Institutionen verbessert und „exzessive Regulierungen“ abbaut. Ob befristete Einschränkungen des freien Handels nützlich wären, erörtern die Autoren nicht. (bl)