Öffentliche Finanzen
Herausforderung Klimawandel
Von Monika Wiebusch
Seit 2007 lebt mehr als die Hälfte der Menschen in Städten. Laut UN-Habitat, der einschlägigen UN-Organisation, wird ihr Anteil bis 2050 auf zwei Drittel ansteigen. Den Prognosen zufolge wird das weitere Bevölkerungswachstum vor allem im urbanisierten Raum stattfinden und mit Armut gleichzusetzen sein (UN-Habitat 2010).
Es kommt also darauf an, Städte zu attraktiven Orten für menschliches Leben zu machen. Städte sind – und waren schon immer – Zentren von Entwicklung. Hier finden Zivilgesellschaft, kulturelles Leben, Handel und Industrie und viele andere Aspekte des sozialen Lebens statt.
Entsprechend spielen sie auch beim Klimawandel eine Rolle. Rund 60 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs finden in Städten statt, und sie sorgen für fast 70 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen (OECD 2010). Auch zeichnet sich immer deutlicher ab, dass Städte sich auf die Folgen des Klimawandels einstellen müssen. Hochwasser und Erdrutsche verursachen zunehmend Schäden – die Überschwemmung Bangkoks im vergangenen Jahr war nur eines der oft dramatischen Beispiele. Anpassung an die globale Erwärmung ist vielerorts kein Zukunftsszenario mehr. Es geht längst um die Herausforderungen der Gegenwart.
Es bestehen bereits verschiedene Instrumente, um Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel zu finanzieren. Dabei werden aber oftmals kommunale Anforderungen und Bedürfnisse übersehen. Bürgermeister und ihre Verwaltungen tun sich schwer, Finanzmittel dafür zu bekommen. Mein Aufsatz will einige aus Sicht der KfW Entwicklungsbank (siehe Kasten) wichtige Aspekte erläutern.
Knappe Haushalte
In den Städten der Entwicklungsländer herrscht oft Armut. Die Infrastruktur ist unzureichend und hoffnungslos überlastet, umfangreiche Investitionen sind nötig. Die Budgets der Kommunalverwaltungen sind aber in der Regel sehr beschränkt. Städte und Gemeinden hängen von Zuweisungen der nationalen Regierungen und von Geberhilfe ab.
Die Städte haben aber selten direkten Kontakt zu Geberinstitutionen, von Nichtregierungsorganisationen (NGO) vielleicht abgesehen. Das Geld multilateraler und bilateraler Entwicklungsorganisationen fließt normalerweise über die nationalen Regierungen. Dafür gibt es mehrere Gründe:
– Internationale Geber verhandeln über Entwicklungszusammenarbeit mit den nationalen Regierungen. Die Programme sind auf thematische Schwerpunkte fokussiert, weil auch für die Entwicklungskooperationen das Geld natürlich beschränkt ist. Nur zu diesen Schwerpunkten können dann auch Maßnahmen in Städten finanziert werden.
– Im Jahr 2005 hat die Paris Declaration on Aid Effectiveness die Bedeutung der nationalen Regierungen und ihrer Institutionen zusätzlich gestärkt. Die Geber haben sich verpflichtet, ihr Handeln an deren politische Vorgaben anzupassen. Internationale High-Level-Foren haben diese Verpflichtungen 2008 in Accra und 2011 in Busan bekräftigt.
– Internationale Entwicklungsbanken und Geberregierungen können nur in begrenztem Maße direkt mit Kommunalverwaltungen kooperieren. In vielen Ländern haben diese nämlich nur sehr begrenzte Budgethoheit. Oft dürfen sie beispielsweise keine Kredite aufnehmen, schon gar keine von internationalen Gebern. Andererseits fordern Geldgeber Sicherheiten, die Kommunen in der Regel nicht bieten können. Die KfW Entwicklungsbank fordert deshalb für Darlehen an Kommunen normalerweise staatliche Garantien.
Kommunale Entscheidungsträger sollten die Führungsrolle ihrer nationalen Regierung bei den Schwerpunkten akzeptieren. Sie sollten sich aber zusammentun, sich zum Beispiel in Städtenetzen organisieren und sich in Debatten über den Klimawandel einmischen. Je mehr Einfluss sie auf ihre nationale Regierung nehmen können, desto größer sind auch ihre Chancen, international auf die Anliegen von Städten aufmerksam zu machen. Dafür ist auch der professionelle Austausch mit internationalen Bündnispartnern sinnvoll.
Zwei Seiten derselben Medaille
In gewisser Weise sind Klimaschutz und die Anpassung an die Folgen des Treibhauseffekts zwei Seiten derselben Medaille. Wenn eine Stadt ihre Energieversorgung mit erneuerbaren Quellen verbessert, wird das in der Fachwelt als Klimaschutz gewertet, weil Emissionen vermieden werden. Wenn dagegen ein Kraftwerk verlagert werden muss, um es vor möglichen Überschwemmungen zu schützen, gilt das als Anpassungsmaßnahme. Wenn Häuser saniert werden, damit Heizung oder Kühlung weniger Energie verbrauchen, ist das Klimaschutz. Aber wenn ähnliche Baumaßnahmen dem Schutz vor extremen Wetterereignissen dienen, ist das Anpassung.
Diese Beispiele zeigen, dass die strikte Unterscheidung von Klimaschutz und Anpassung, die unter Geberinstitutionen gebräuchlich ist, den kommunalen Gegebenheiten nicht gerecht wird. Städte brauchen Finanzierungsmechanismen, die beide Aspekte berücksichtigen und Co-Finanzierungen ermöglichen.
Eine integrierte, nachhaltige Stadtentwicklung ist mehr als Risiken abschätzen und Maßnahmen formulieren. Klimastrategien müssen in die städtische Gesamtplanung einbezogen sein, die soziale, wirtschaftliche, kulturelle und ökologische Aspekte berücksichtigt.
Wenn eine Stadtverwaltung ihre Klimastrategie entwickelt hat, muss sie entscheiden, wo sie handeln und investieren will. Die Infrastruktur muss ausgebaut, Bausubstanz saniert und öffentliche und private Kfz umgerüstet werden. Geldgeber – ob private oder öffentliche – brauchen klar definierte Vorhaben. Sie wollen genau wissen, in was sie investieren und wer die Verantwortung für das Ergebnis trägt.
Wenn beispielsweise die Busflotte eines Verkehrsbetriebs modernisiert wird, um CO2-Emissionen zu reduzieren, müssen vermutlich die Tarife steigen, um die Kosten zu decken. Damit trotzdem auch die arme Bevölkerung weiter den öffentlichen Verkehr nutzen kann, muss die öffentliche Hand Sozialtarife finanzieren – das Busunternehmen wird dies kaum leisten. Für Investoren ist es bei solchen Projekten wesentlich, dass die finanziellen Risiken genau zugeordnet sind und dass der wirtschaftliche und soziale Auftrag klar definiert sind.
Grundsätzlich bevorzugen private Geldgeber Vorhaben, die einen angemessenen Gewinn versprechen, wie beispielsweise die Modernisierung von Immobilien oder Industriebetrieben. Soziale Einrichtungen, die solche Gewinne nicht erwirtschaften können und sollen, sind für private Investments in der Regel nicht geeignet. Einige Vorhaben werden deshalb durch Zuschüsse oder zinsverbilligte Darlehen kostendeckend gestaltet. Sie sind vor allem für sozial orientierte Unternehmen („Social Enterprise“) und NGOs interessant. Alle Formen sozialer Infrastruktur gehören dazu oder auch Mikrokreditprogramme, die armen Menschen neue ökonomische Aktivitäten erschließen.
Allerdings wird es immer Bereiche der kommunalen Daseinsfürsorge geben, die sich „nicht rechnen“. Wenn kostenloser Schulunterricht angeboten werden soll, dann müssen die Schulen öffentlich finanziert werden. Auch für städtische Straßen wird man keine Benutzungsgebühr erheben wollen. Und manche Gesundheitsleistung muss kostenlos oder zu Sozialtarifen angeboten werden, wenn die arme Bevölkerung erreicht werden soll. Diese „nicht rentierlichen Kosten“ werden immer bei der öffentlichen Hand, sei es Staat oder Stadt, verbleiben und müssen über Steuern finanziert werden.
Die Städte sind deshalb gut beraten, sich die jeweils richtigen Investoren für ihre verschiedenen Maßnahmen auszusuchen. Einzelprojekte mögen für private und kleine Geldgeber interessant sein. Entwicklungsbanken ziehen größere Programme vor, in denen Einzelprojekte zusammengefasst sind. Deshalb kann es sich für Städte auszahlen, sich mit anderen Gemeinden zu vernetzen, um Einzelmaßnahmen thematisch zu bündeln. Wenn sie dann noch ihre nationale Regierung an Bord holen, dürften die Chancen für finanzielle Unterstützung erheblich steigen.