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Reformprogramm

115 Plastikbecher im Magen eines Wals

Nachhaltige Abfallentsorgung hatte in Indonesien bisher kaum Stellenwert, obwohl das Land mit dem Müll von 280 Millionen Menschen zu kämpfen hat. Der landet in dem Inselstaat nur allzu häufig im Meer. Neue ambitionierte Pläne sollen nun in Richtung Kreislaufwirtschaft führen.
Urlaub am Plastikstrand: angeschwemmter Müll auf Bali. picture-alliance/EPA/MADE NAGI Urlaub am Plastikstrand: angeschwemmter Müll auf Bali.

Indonesien, das größte Archipel der Welt, hat eine faszinierende Unterwasserwelt. Aber selbst in maritimen Nationalparks ist das im Wasser treibende Plastik mittlerweile unübersehbar. In Anbetracht der Herausforderungen, vor denen die indonesische Abfallwirtschaft steht, ist das zunächst wenig verwunderlich: Die Weltbank geht davon aus, dass sich das Abfallvolumen des Landes mit seinen knapp 280 Millionen Einwohner*innen 2022 in einer Größenordnung von 70 Millionen Tonnen bewegte. Die Städte haben täglich geschätzte 150 000 Tonnen Abfall ihrer 142 Millionen Einwohner*innen zu entsorgen. Allein in Jakarta fallen etwa 7500 Tonnen Hausmüll an.

Eine regelmäßige Müllsammlung haben der Weltbank zufolge jedoch nur etwa sechzig Prozent der städtischen Haushalte, auf dem Land tendiert dieser Wert gegen null. In der Konsequenz wird laut dem indonesischen Gesundheitsministerium etwa die Hälfte des Abfalls verbrannt und circa 14 Prozent in Gewässern und auf frei zugänglichen Müllkippen entsorgt. Der geringe Stellenwert der Abfallentsorgung wird auch durch das hierfür von den Kommunen reservierte Budget von durchschnittlich nur 0,7 Prozent der Gesamtausgaben reflektiert.

Plastikmüll macht gemäß des World Economic Forum im Jahr bis zu 6,8 Millionen Tonnen des indonesischen Abfalls aus, von denen etwa 620 000 Tonnen im Ozean landen. Der Großteil davon mündet als Schmutzfracht der größeren Flüsse im Meer. Über Fische und Wale gelangt das Plastik dann auch in die Nahrungskette. So wurden im Magen eines Pottwals, der 2018 nordöstlich von Bali verendet war, 115 Plastikbecher, 25 Plastiktüten, vier Plastikflaschen und zwei Kunststoffsandalen gefunden. Zweifellos schaden die zunehmend sichtbaren Folgen der Vermüllung inzwischen auch dem ausgeprägten Tourismussektor des Landes.

Die Regierung unter Präsident Joko Widodo hat nun Schritte ergriffen, um Entsorgungsinfrastruktur und -dienstleistungen zu verbessern und einen Paradigmenwechsel von der Abfallproduktion mit weitgehend ungeordneter Entsorgung zur Kreislaufwirtschaft einzuleiten. 80 Prozent der indonesischen Haushalte sollen Ende 2024 von regelmäßiger Müllsammlung profitieren. Das versprechen die Planvorgaben. Bis 2025 will Indonesien den Müll aller Haushalte sammeln. Zugleich soll das Abfallvolumen bis 2025 um 30 Prozent und der Eintrag von Meeresmüll um 70 Prozent reduziert werden.

Handlungsleitend ist hier der bewährte Dreiklang von Müllvermeidung (reduce), Wiederverwendung (reuse) und Verwertung (recycling) („3R“). Diese ambitionierten Pläne sollen maßgeblich durch eine Trägerförderung auf kommunaler und regionaler Ebene erreicht werden.

Gleichzeitig sollen Maßnahmen eine langfristig kostendeckende Finanzierung durch verursachergerechte, aber auch sozialverträgliche Abfalltarife, Subventionen und die Einbindung des Privatsektors gewährleisten. Ferner werden mittelfristig Verhaltens- und Bewusstseinsänderungen in der Bevölkerung angestrebt.

Religiöse Führer predigen Umweltbewusstsein

Auch wenn die skizzierten Zielvorgaben in vielen Teilen unrealistisch sein dürften, gibt es erste Erfolge zu verzeichnen. So haben inzwischen 72 der insgesamt 514 Städte und Landkreise Verordnungen erlassen, die die Einmalverwendung von Plastikerzeugnissen limitieren. Für größere Kommunen ist der Bau von Müllverbrennungsanlagen geplant. Die ersten beiden Anlagen zur Herstellung von Ersatzbrennstoffen aus Abfall (refuse-derived fuel), die täglich bis zu 2150 Tonnen Abfall verbrennen können, wurden bereits in Betrieb genommen. Und es stand im Hinblick auf die Meeresverschmutzung auch schon schlimmer: Plastikmüll im Ozean konnte, so die Regierung, bis 2020 um etwa 15 Prozent reduziert werden.

Präsident Widodo hat den Handlungsbedarf in Bezug auf eine Kreislaufwirtschaft wiederholt herausgestellt. In einer Grundsatzrede, die er 2023 bei der Eröffnung einer Anlage zur mechanisch-biologischen Behandlung von Abfällen hielt, äußerte er seine Erwartung, dass dieser arbeitsintensive Ansatz in allen Städten und Landkreisen des Landes Anwendung finden sollte.

Als Vorbild dienen hier die von der KfW im Auftrag der Bundesregierung finanzierten ersten vier geordneten Abfalldeponien. Die Pilotanlagen haben mit Bestandteilen wie abgedichteten Deponiekörpern, Drainagesystemen, Sickerwasserreinigungsanlagen, Kompostierung, Sortierung sowie Gasfassung und -verwertung Standards gesetzt und vermittelt, die mit denen in der EU vergleichbar sind. Durch diese Anlagen können – in Verbindung mit der Abdeckung bzw. Gasverwertung der zuvor genutzten Müllkippen – jährlich etwa 450 000 Tonnen Treibhausgase eingespart werden.

Eine über Jahrzehnte hinweg unzureichend adressierte Entsorgung der Abfälle von rund 280 Millionen Menschen erfordert einen ganzheitlichen Politikansatz und gesellschaftliches Umdenken. Deshalb soll durch multisektorale Arbeitsgruppen zusätzlicher Antrieb entstehen, um den Themenkomplex Abfallentsorgung sowohl politisch als auch gesellschaftlich stärker zu verankern und Lösungsansätze zu entwickeln. In einem ersten Schritt konnten die religiösen Führer des Landes dafür gewonnen werden, in ihren Predigten Umweltbewusstsein, Eigeninitiative sowie Abfall- und Hygieneaspekte zu vermitteln.

Zugleich strukturiert die KfW im Auftrag der Bundesregierung – zusammen mit anderen Banken – derzeit ein politikbasiertes Großdarlehen, das auf eine konkrete Reduzierung des Meeresmülls abzielt. Das Darlehen wird erst dann ausgezahlt, wenn die indonesische Regierung nachweislich die gemeinsam definierten Reformschritte umgesetzt hat. Handlungsfelder konzentrieren sich beispielsweise auf Abfallmanagement, kleinere Inseln und küstennahe Gebiete. Hinzu kommen Maßnahmen, die zur Reduzierung von Plastikverpackungen führen und eine verbesserte Datenerfassung ermöglichen.

Burkhard Hinz ist der Büroleiter für die KfW Entwicklungsbank in Jakarta.
burkhard.hinz@kfw.de

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