Bürgerschaftliches Engagement
Handlungsräume öffnen
In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern machen Regierungen zivilgesellschaftlichen Organisationen zunehmend das Leben schwer und sagen, diese dienten den Interessen westlicher Staaten. Engagement Global unterstützt nichtstaatliche Organisationen in aller Welt. Wie stehen Sie zu dieser Kritik?
Wir haben für unsere Arbeit und die Unterstützung zivilgesellschaftlicher, kommunaler und schulischer Akteure nur eine inhaltliche Richtschnur – und das sind die Menschenrechte. Darüber hinaus verfolgen wir keine Agenda, außer dass wir uns den von der internationalen Gemeinschaft anerkannten Grundsätzen wie den einstimmig von der UN-Vollversammlung beschlossenen Sustainable Development Goals verpflichtet fühlen. Da die Menschenrechte im Rahmen der UN vereinbart wurden und die meisten Staaten die wichtigsten Konventionen ratifiziert haben, ist dies für uns auch ein universeller und kein westlicher Werterahmen. Organisationen, die von uns gefördert werden wollen, müssen entsprechend Menschenrechte und Pluralität akzeptieren. Wir fördern auch in der Inlandsarbeit Organisationen, die die Politik der Bundesregierung sehr kritisch begleiten.
Sie arbeiten aber mit staatlichem Geld. Bedeutet das nicht, dass Sie deutsche Regierungsinteressen verfolgen?
In Deutschland und Europa haben wir die Erfahrung gemacht, dass freier Meinungsaustausch und bürgerschaftliches Engagement sehr wertvoll sind. Sie machen demokratischen Interessenausgleich möglich, was wiederum den gesellschaftlichen Frieden sichert. Ähnlich sichern Offenheit und freier Austausch auch zwischen den Völkern den Frieden. Das will die Bundesregierung, und das ist unser Auftrag. Wir dienen keinen anderen deutschen Interessen, auch nicht Wirtschaftsinteressen. Deshalb soll Ihre Redaktion bei E+Z/D+C ja auch in unserem Auftrag dafür sorgen, dass eine offene und kontroverse Diskussion läuft, und nicht einfach Werbung für die deutsche Entwicklungspolitik machen. Wir wissen, dass ernsthafte Auseinandersetzung uns alle voranbringt. Wenn nun aber eine Regierung die Menschenrechte nicht respektiert, dann stimmt es, dass wir dies kritisieren, da sich diese Regierung dann gegen universell akzeptierte Werte stellt.
Sie selbst sind promovierter protestantischer Theologe. Radikale Moslems könnten daraus einen westlich-christlichen Missionsauftrag ableiten.
Nein, das wäre ein großer Irrtum. Jeder Mensch hat einen persönlichen Werterahmen. Dass dieser bei mir transparent ist, sorgt im Gegenteil dafür, dass ich noch aufmerksamer mit meiner Prägung umgehe und ganz besonders darauf achte, dass sich dieser persönliche Hintergrund nicht etwa auf Förderentscheidungen auswirkt. Ich bin nicht nur Theologe, sondern auch Jurist, und das ist eine für Geschäftsführer typische Qualifikation. Die Zusammenarbeit des BMZ mit den Kirchen läuft auch gar nicht über uns. Dafür gibt es andere institutionalisierte Kanäle, über die das BMZ aber auch keine Missionierung fördert, sondern nur Vorhaben, die eindeutig der Entwicklung dienen und pluralistisch ausgerichtet sind, sich also nicht nur an eine bestimmte Glaubensgemeinschaft richten.
Die Zivilgesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie vom Staat unabhängig agiert. Warum ist dann staatliche Förderung nötig?
Zu dieser Frage lesenswert ist die „Strategie zur Zusammenarbeit von Staat und Zivilgesellschaft“ des BMZ vom Oktober 2014. Eine aktive Zivilgesellschaft kann selbstverständlich auch ohne staatliche Gelder bestehen. Wir haben in Deutschland eine vielfältige Zivilgesellschaft – mit Sportvereinen, Nachbarschaftshilfen, Kirchengemeinden, sozialen Initiativen, Flüchtlingshilfen und vielem mehr. Das läuft alles zunächst ohne staatliche Intervention. Dennoch ist Förderung für bestimmte Vorhaben sinnvoll:
- - Erstens gibt es Vorhaben, an denen dem Staat gelegen ist und die unabhängige Organisationen besser umsetzen können als Behörden, weil sie zum Beispiel einen besseren Zugang zu Zielgruppen haben oder mehr zivilgesellschaftliches Engagement mobilisieren können.
- - Zweitens ist es entwicklungspolitisch wertvoll, wenn der Staat mit einer berechenbaren Finanzhilfe dafür sorgt, dass Organisationen, die von Spenden leben, längerfristig planen und anspruchsvollere Vorhaben umsetzen können, als das sonst möglich wäre. Das ist auch im Sinne ihrer internationalen Partner.
- - Drittens brauchen wir Transparenz und Zuverlässigkeit. Das bedeutet, dass zivilgesellschaftliche Organisationen ihre Bücher ordentlich führen müssen, intern demokratisch strukturiert sind und sich zu Verbünden zusammenschließen. Damit das geschieht, ist es sinnvoll, die entsprechenden Kompetenzen, Kenntnisse und Strukturen zu fördern.
Woran denken Sie, wenn Sie sagen, dass zivilgesellschaftliche Organisationen manche Vorhaben besser umsetzen können als staatliche?
Ein Beispiel ist unser weltwärts-Programm. Es ermöglicht jungen Deutschen, in Entwicklungs- und Schwellenländern Erfahrungen zu sammeln, und jungen Menschen von dort, sich bei uns zu engagieren und zu lernen. Die Bundesregierung hält das für wichtig, weil das langfristig das Verständnis für internationale Zusammenhänge stärkt. Entsprechend sollen weltwärts-Freiwillige am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und die soziale Wirklichkeit kennenlernen. Dafür sind zivilgesellschaftliche Träger viel besser geeignet als staatliche Institutionen. Die jungen Leute sollen sich ja nicht bei der Implementierung von Regierungsanweisungen bewähren, sondern ungefiltert mitbekommen, was die Menschen im jeweiligen Einsatzland bewegt. Ganz grundsätzlich gilt, dass Engagement Global Räume für Handeln und Lernerfahrung öffnet, aber nicht im Detail steuert, wohin diese Reise dann geht. Wir sind Dienstleister nicht nur für unseren Geldgeber, das BMZ, sondern auch für die Zivilgesellschaft.
Manchmal äußern zivilgesellschaftliche Akteure aus Entwicklungsländern Unbehagen über das Machtgefälle, dass sich beispielsweise darin äußert, dass ihre nichtstaatlichen Partner aus Industrieländern mehr Geld haben und auch mehr staatliche Fördermittel bekommen. Wie lässt sich daran etwas ändern?
Zunächst einmal ist es gut, wenn solch ein Unbehagen geäußert wird, denn das zeigt, dass die Situation reflektiert wird – und wenn etwas in Frage gestellt wird, werden konstruktive Gespräche möglich. Es ist eine Tatsache, dass hier ein Ungleichgewicht besteht, und es lässt sich auch nicht einfach beseitigen. Wir denken aber darüber nach, wie die Lage verbessert werden könnte. Eine Stärkung von Partnerschaft, Transparenz und gegenseitiger Rechenschaftspflicht – so wie in der Agenda 2030 mit den Sustainable Development Goals angelegt – ist sicherlich ein wichtiger Ansatz.
Jens Kreuter ist Geschäftsführer von Engagement Global.
http://www.engagement-global.de/