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Urbanes Leben

Nairobis trennender Fluss

In unserer neuen Kolumne „Heutzutage“ berichten Journalisten aus Entwicklungsländern über alltägliche Begebenheiten. Jedida Oneko aus Kenia schreibt darüber, wie Hochwasser Haushaltshilfen den Arbeitsweg erschwert.

Von Jedida Oneko

Jeden Morgen, wenn Emma Oricho den Mbagathi-Fluss überquert, um zur Arbeit zu gehen, ist es, als überquerte sie den Fluss zwischen Arm und Reich in Kenia. Mit ihrem Mann und ihrer neunjährigen Tochter lebt sie in einer zehn Quadratmeter großen Wellblechhütte. Sie und viele andere Menschen aus ihrem Slum arbeiten als Hausangestellte, Gärtner und Wächter auf der anderen Flussseite bei den Reichen in Karen, einem der nobel­sten Vororte Nairobis.

„Ich stehe jeden Morgen vor fünf Uhr auf, wasche ab, putze das Haus und bereite die Schuluniform meiner Tochter vor, ehe ich Frühstück richte und sie für die Schule fertig mache“, sagt Emma. Um sechs Uhr verlässt sie das Haus. Sie begleitet ihre Tochter auf ihrem 45-minütigen Schulweg und läuft weiter zur Arbeit, die um acht Uhr beginnt.

Von April bis Juni brauchte sie noch länger, weil der Fluss überflutet war. Sie musste flussabwärts laufen, um ihn sicher zu überqueren. „Das Ufer war unter Wasser und auch die Steine, auf denen wir normalerweise rüber gehen, waren nicht mehr zu sehen“, erzählt sie. „Am ersten Morgen der Überflutung beobachteten wir einen Mann, der auf halber Strecke aufgeben musste. Ihm reichte das Wasser bis über die Schultern, und die Strömung war zu stark.“ Der arme Mann hatte seine Kleider in einer Plastiktüte auf die andere Flussseite geworfen, um dort trockene Kleider zu haben. Emma und ihre Freunde hatten es eilig, zur Arbeit zu kommen, und konnten daher das weitere Schicksal des Mannes nicht abwarten.

Wie die meisten kam auch Emma an diesem Tag zu spät zur Arbeit. „Eine meiner Freundinnen wurde gleich gefeuert“, sagt sie. „Ihr Boss sagte, es gäbe genug arme Afrikaner, die gerne ihre Arbeit verrichten würden.“

Emma hat auch einen Sohn. Er ist älter als seine Schwester und lebt bei Onkel und Tante auf dem Dorf. „Es ist billiger, wenn er dort zur Schule geht“, erklärt Emma. Die kenianische Regierung garantiert zwar seit 2005 kostenlose Grundbildung, aber die Eltern müssen alle Zusatzkosten tragen wie Schuluniform, Schulessen und diverse Gebühren. In Nairobi ist das alles sehr viel teurer.

„Allein die Anmeldung hier in Nairobi würde schon 10 000 Schilling kosten“, sagt Emma – etwas mehr als 90 Euro. „Dann müsste ich ihm für 2700 Schilling einen Tisch von einem von der Schule ausgewählten Schreiner machen lassen. Auf dem Dorf liegen die Zusatzkosten nur bei 3000 Schilling.“

Obwohl Emma besser verdient als viele andere Hausange­stellte, reichen ihre monatlichen 12 000 Schilling kaum. Ihr Mann ist arbeitslos, sie muss die Familie allein ernähren und zudem Geld ins Dorf schicken, um ihren Sohn und die Familie ihrer Schwester zu unterstützen. Auch die Behandlung ihrer Tochter, die an Sichelzellanämie leidet, bringt Extrakosten.

Auf die Frage, ob sie sich vom Regierungswechsel bei den Wahlen 2013 eine bessere Wirtschaftslage und ein einfacheres Leben erhofft, lacht sie nur: „Mein Arbeitgeber ist meine Regierung.“

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