Preisverfall

Ende einer Ära

Für die OPEC gab es im April lauter Rückschläge. Der Ölpreis befand sich in freiem Fall.
Mühsame Annäherung: Russlands Präsident Wladimir Putin und der saudische König Salman im Oktober 2019 in Riad. picture-alliance/Mikhail Metzel/TASS/dpa Mühsame Annäherung: Russlands Präsident Wladimir Putin und der saudische König Salman im Oktober 2019 in Riad.

Ende April fiel der Preis für ein Fass Öl der Sorte West Texas Intermediate (WTI) mit Liefertermin Mai zeitweilig unter null. Der Weltmarkt war so sehr überflutet, dass den Produzenten die Lagermöglichkeiten ausgingen und sie Kunden dafür bezahlten, Öl abzuholen. Der WTI-Preis gilt als wichtiger Marktindikator.

Für Mitglieder der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), war diese Entwicklung besonders unangenehm. Sie trat nämlich nach, und nicht vor der Einigung von Russland und Saudi-Arabien in einem kurzen Preiskrieg ein. Beide Länder einigten sich darauf, die Produktion um 10 Millionen Barrel pro Tag zu kürzen, wobei sie die Hälfte und andere OPEC-Mitglieder den Rest übernehmen sollten. Die Märkte beeindruckte das jedoch offensichtlich nicht.

Kartelle sind oft schwächer als sie erscheinen. Sie versuchen Märkte zu manipulieren, indem sie sich auf einen überzogen hohen Preis oder auf eine Reduzierung des Angebotes einigen. Wenn die Kartellmitglieder das Angebot einer bestimmten Ware dominieren, läuft beides auf dasselbe hinaus. Allerdings stehen Kartelle typischerweise vor einem Problem: Jedes Mitglied spürt den Anreiz, die anderen zu betrügen und von manchen Kunden niedrigere Preise zu verlangen oder mehr Öl zu fördern als vereinbart.

Derlei belastet die OPEC schon lange, aber bislang hielt sie dennoch zusammen. Nun mehren sich aber die Zeichen, dass ihre Zeit abläuft. Der weltweite Ölmarkt hat sich so sehr verändert, dass die OPEC ihn nicht mehr beherrschen kann. Erwähnenswert ist dabei, dass US-Präsident Donald Trump verkündete, er habe die neuerliche Einigung von Russland und Saudi-Arabien unterstützt. Höhere Preise dienen schließlich auch amerikanischen Ölproduzenten. Trotz dieser Unterstützung aus Washington hat die OPEC längst nicht mehr den Einfluss wie früher.

Am 27. April berichtete die Financial Times, ein im Juni zu lieferndes WTI-Fass koste nur 12,27 Dollar. Das war weit weniger als die 20 bis 30 Dollar, welche die OPEC angestrebt hatte. Vor einem Jahr schwankte der Preis noch zwischen 70 und 80 Dollar, und dieses Niveau bräuchten die Mitglieder auch langfristig.

Der Absturz des Ölpreises und die verschärfte Konkurrenz von Nichtmitgliedern macht der OPEC das Leben schwer. Ihre Dominanz ist Geschichte. Offensichtlich trägt die Covid-19-Pandemie erheblich zu den Problemen bei, denn sie ließ die Treibstoffnachfrage weltweit um ein Drittel einbrechen. Der Ölpreis wird sich nicht schnell erholen. Die aktuelle Krise macht aber nur seit langem bestehende Probleme deutlich.

Ein Grund für das Schwinden des OPEC-Einflusses ist die inhärente Instabilität aller Kartelle. Je ungünstiger die Marktbedingungen werden, umso größer ist der Anreiz, gegen die Kartellabsprachen zu verstoßen. Jedes Mitglied will schließlich so viel wie möglich verkaufen.

Ein zweiter Grund sind die Spannungen zwischen der OPEC und ihren Partnern, die ihr nicht angehören. Russland ist kein Mitglied, kooperiert aber meist eng mit dem Kartell. Dieses Bündnis wird OPEC+ genannt. Der jüngste Preiskrieg zeigte nun, dass diese Allianz nicht sonderlich belastbar ist. Die Spannungen dürften wieder wachsen, nachdem die Preisstabilisierung misslang.

Drittens ist die Konkurrenz durch andere Ölproduzenten – allen voran die USA – stetig gewachsen. Die USA sind mittlerweile dank Fracking zum Energieexporteur geworden. Andere Länder haben die Förderung ebenfalls erhöht, sodass die OPEC nur noch etwa ein Drittel zum weltweiten Öl-Angebot beiträgt. Das reicht für Marktdominanz nicht.

Viertens haben weltweit die Bemühungen um Energieeffizienz und Erneuerbare zugenommen. Umweltschutz reduziert die Ölnachfrage zum Nachteil der OPEC.

Die OPEC-Länder brauchen die Einnahmen, die sie mit Ölexporten erzielen. Der Internationale Währungsfond schätzt, dass den Mitgliedern des Golf-Kooperationsrates, die für etwa ein Fünftel der Weltproduktion aufkommen, spätestens 2034 das Geld ausgeht, wenn die Finanztrends anhalten sollten, die vor Covid-19 vorherrschten.

Aus all dem folgt, dass es der OPEC kaum gelingen wird, den Ölpreis wieder zu kontrollieren. Mitleid hat das Kartell aber nicht verdient, denn es hat 60 Jahre lang sehr erfolgreich gearbeitet (siehe meinen Beitrag im Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Paper 2020/05). Diese Ära geht nun zu Ende.


Aviva Freudmann ist freiberufliche Wirtschaftsjournalistin mit Sitz in Frankfurt. Sie unterstützt die Redaktion von E+Z/D+C regelmäßig.
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