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NATO

Frankreichs stiller Rückzug

Frankreichs Truppen gehen deutschen voraus: Mehr als die Hälfte von ihnen werden Afghanistan bis Ende des Jahres verlassen haben – angeblich ohne Auswirkung auf die Sicherheitslage.

Von Anne Le Troquer

Im französischen Präsidentschaftswahlkampf war der beschleunigte Truppenrückzug aus Afghanistan noch Gegenstand heftiger Debatten. Heute wird er im Land als erste internationale Leistung des neuen Amtsinhabers François Hollande gefeiert.

Am Morgen des 31. Juli wurde die blau-weiß-rote Fahne im Militärcamp in Tora, das im Distrikt Sarobi im Osten von Kabul unter französischem Kommando stand, zum letzten Mal eingeholt. Die symbolträchtige Szene blieb 350 französischen Soldaten sowie ihren afghanischen Nachfolgern vorbehalten: Der gesamte Abzug wurde sicherheitshalber geheim gehalten.

An der NATO-Operation Enduring Freedom war Frankreich von Anfang an beteiligt. Von Herbst 2001 bis Ende 2010 waren bis zu 4000 französische Soldaten im Einsatz. Im Juni 2011 sprach Hollandes Vorgänger im Präsidentenamt, Nicolas Sarkozy, erstmals von einem „schrittweisen Rückzug“ im Einklang mit dem Abzug der US-Streitkräfte, der 2012 beginnen sollte. Hollande entschied, den Abzug zu beschleunigen. Derzeit sind 2950 Soldaten im Einsatz, Ende Dezember werden es nur noch 1400 sein, zwei Jahre vor dem offiziellen Ende des Kampfeinsatzes der ISAF-Truppen.

„Dieser Rückzug ändert nichts, da sich unsere Soldaten seit einem Jahr in den Kasernen verschanzen und nur drei Prozent aller ISAF-Soldaten ausmachen“, beschwichtigt ein Angehöriger der französischen Armee. Andere NATO-Alliierte hätten sich ebenfalls schon aus Afghanistan zurückgezogen: 2010 die Niederlande und 2011 Kanada.

Allerdings befindet sich der wesent­liche Teil französischer Streitkräfte in Kapisa. Die Provinz im Nordosten von Kabul gilt für Afghanistans Sicherheit als strategisch sehr wichtig. Soldaten zufolge sind die Täler Tagab und Alasay schwer kontrollierbare Schlupfwinkel. Es heißt, die Taliban nutzten sie für Transporte zwischen der pakistanischen Grenze und Kabul.

53 französische Soldaten kamen hier ums Leben – mehr als die Hälfte der insgesamt 88 von Frankreich beklagten Todesopfer. In den letzten Monaten haben sich den Angaben zufolge die örtlichen Umstände weiter verschlechtert.

Zweifelhafter Erfolg

Die ISAF-Führung glaubt nicht an die Fähigkeit der afghanischen Armee, ähnlich wie in Sarobi auch in Kapisa für Sicherheit zu sorgen. Laut verschiedenen Militärquellen überlegt sie daher, anstelle des französischen Kontingents andere ISAF-Truppen bis 2014 nach Kapisa zu verlegen. Offenbar spielten die französischen Truppen bisher also doch eine relevante Rolle. „In Wahrheit hat es in diesem Konflikt nie ein gemeinsames Vorgehen gegeben“, meint Jean-Pierre Maulny vom Institut für internationale und strategische Beziehungen (IRIS) in Paris. „Die Frage ist jetzt, was nach 2014 kommt und wie die politische Zukunft Afghanistans aussieht.“ Die Ausbildung der afghanischen Armee und die Entwicklungszusammenarbeit blieben weiterhin notwendig. „Aber damit allein ist es nicht getan“, urteilt Maulny, „denn die unkontrollierte, schlecht koordinierte internationale Unterstützung war einer der Faktoren, die Korruption und Abhängigkeit gefördert haben“.

Paris hat sich bislang nur zu diesem Mindestziel verpflichtet. 500 Soldaten werden auch nach 2014 zur Ausbildung von Militär und Polizei in Kabul bleiben; weitere 230 Millionen Euro werden als Entwicklungshilfe in den nächsten vier Jahren in Aussicht gestellt. Präsident Hollande versprach Ende Mai in Kabul „eine zivilere und wirtschaftlichere Präsenz“, nannte jedoch keine Details.

Anne Le Troquer

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