Afrika/EU
Schwierige Partner
Die EU drängt seit acht Jahren auf „Economic Partnership Agreements“ (EPA) und verspricht, im Falle einer breiten Öffnung für ihre Exportgüter, auch den EU-Binnenmarkt zu öffnen. Doch statt über Freihandel mit Afrika hätten Europas zivilgesellschaftliche Organisationen in Tripolis lieber andere Fragen diskutiert. Rudolf Ficker, Vorstand des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED), sagte, in der Afrika-Politik müsse „Entwicklung im Mittelpunkt stehen, nicht nur die Exportinteressen der EU“.
Am Schluss gelang es, einen vagen Aktionsplan zu unterzeichnen. Unter dem Titel „Wachstum und Arbeit“ wurden bis zum Jahr 2013 etliche Handlungsfelder in Bereichen wie Sicherheit, Demokratie und Menschenrechte festgelegt. Als wichtiger Grundsatz steht im Dokument: Afrika will seine Konflikte in eigener Verantwortung lösen und dabei „mit einer Stimme sprechen“. Dass die Privatwirtschaft einen steigenden Beitrag zum Wachstum leisten soll, gewann ebenfalls die Zustimmung der Unterhändler aus Nord und Süd.
Europa dokumentierte außerdem seinen Willen, für eine bessere Vertretung Afrikas in der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) einzutreten. Brüssel versprach noch einmal, in den kommenden fünf Jahren 0,7 Prozent des EU-Bruttoinlandsproduktes in Entwicklungshilfe zu stecken. Damit dieses Geld tatsächlich Entwicklung fördere, forderte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso von Empfängerländern „strukturelle Maßnahmen“.
Angst vor EU-Billigimporten
Seit 2002 verhandelt die EU im Anschluss an das Cotonou-Abkommen mit AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) über einen großzügigeren Handelsrahmen. Ein offener Zugang auf Europas Märkte läge auch im Interesse der Afrikaner. Das dürfe jedoch nicht bedeuten, dass ihre Länder sich dem Wettbewerb mit mächtigen Industriestaaten einfach preisgeben, sagt Misereor-Handelsexperte Armin Paasch: „Europäische Exporte von Milchpulver, Tomatenpaste, Geflügel- und Schweinefleisch drängen Kleinbauernfamilien in Ghana, Burkina Faso und der Elfenbeinküste aus den lokalen Märkten und gefährden deren Menschenrecht auf Nahrung.“
So argumentieren auch die afrikanischen Handelsminister. Folgende Bedingungen für eine Marktöffnung hatten sie schon am 2. November in Kigali formuliert:
– Die Afrikanische Union besteht auf der gemeinsamen Erfüllung der Millenniumsentwicklungsziele,
– ihre Mitgliedsländer wollen zunächst eine wettbewerbsfähige Produktion der nationalen Industrien und Landwirtschaften und
– sie beabsichtigen, einen stabilen Handel innerhalb des eigenen Kontinents aufzubauen.
Auch in Tripolis hielten Afrikas Minister somit an Marktschutzmaßnahmen fest. Völlig abgeschottet ist der europäische Markt indessen nicht, denn im Rahmen der „Alles-außer-Waffen-Initiative“ ermöglicht die EU schon heute 37 besonders armen Entwicklungsländern den Zugang zum Binnenmarkt. Die Verhandlungen über EPAs stocken, weshalb Europa sich neuen Partnerländern noch immer nicht weiter öffnet.
Keine Präferenz für Klimaschutz
Gleichzeitig weigerten sich die afrikanischen Wirtschaftspartner, ein von EU-Diplomaten entworfenes Papier zum gemeinsamen Einsatz nach Ablauf des Kyoto-Protokolls zu unterschreiben. Klimaschutz habe „Vorfahrt in Europa“, afrikanischen Ländern aber sei Wachstum wichtiger, sagten die Partner in Tripolis. Unterschiedliche Ansichten kamen auch beim Thema Migration zur Sprache: Um Flüchtlingsströme nach Europa dämpfen zu können, erhob Libyens Staatschef Anspruch auf 5 Milliarden Euro Ausgleichszahlungen; Muammar al-Gaddafi erhielt keine bis ausweichende Reaktionen. Für Deutschland formulierte Außenminister Guido Westerwelle ein klares Nein.
Die Europäische Union betonte in Tripolis außerdem die Universalität der Menschenrechte. „Ja, aber“, erwidert darauf die Afrikanische Union: EU-Diplomaten mussten hinnehmen, dass der Sicherheitsrat der Afrikanischen Union dem sudanischen Präsidenten Umar al-Baschir während des Gipfels seine „volle Solidarität“ aussprach. Dabei läuft schon seit 2009 ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes gegen ihn. Aus afrikanischer Sicht sind gegen den Sudan verhängte EU-Sanktionen nicht hilfreich. Die Europäer wollen al-Baschir aber für Kriegsverbrechen in Darfur verantwortlich machen.
Deutsche Wirtschaft im Zwiespalt
„Zu einem großen Durchbruch ist es nicht gekommen“, meint Anka Shild, Sprecherin des europäischen Industrieverbandes Businesseurope, dem auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) angehört. Trotzdem: Die Lobbyistin aus Brüssel wertet schon das Motto in Tripolis als Erfolg. „Investment, economic growth and job creation“ sei der beste Weg, um Armut und Unrecht zu bekämpfen. Gleichzeitig müsse Europa seinen Zugang zu wichtigen Rohstoffen sichern. „Verhandlungen darüber brauchen natürlich einen langen Atem.“
Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) argumentiert, dass ohne Jobs und ökonomisches Wachstum kein Land sich nachhaltig entwickelt. „Umso wichtiger ist bilaterale Zusammenarbeit, wie sie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung betont“, sagt Heiko Schwiderowski, Leiter des DIHK-Referats Afrika. Er sieht aber Mittelständler benachteiligt, wenn Brüsseler Behörden schärfere Normen für EU-Afrika-Geschäfte formulieren, wie zurzeit Germanwatch und 250 weitere zivilgesellschaftliche Organisationen in einer Kampagne fordern.
Insbesondere warnt der DIHK davor, deutsche Firmen für Tochtergesellschaften in Entwicklungsländern generell haftbar zu machen. „Für mittelgroße und kleine Unternehmen kann das zur Katastrophe werden, wenn Banken deren Auslandsfinanzierungen ablehnen oder Zinsaufschläge verlangen“, schildert Schwiderowski. Multinationale Konzerne hätten ein hohes Eigenkapital oder führten sogar eine eigene Bank. „Deshalb würden strengere Haftungsregeln der EU in Afrika den Wettbewerb zu Lasten unseres Mittelstands verzerren“, warnt der DIHK-Sprecher. Überzogene Normen aus Brüssel unterminierten so Deutschlands hohe Standards in Entwicklungsländern.
Peter Hauff