Energieeffizienz
Quantensprung für den Klimaschutz
Die meisten Länder sind gerade erst dabei, die Ressource Energieeffizienz zu entdecken. Dabei ist sie für die Internationale Energieagentur (IEA) die wichtigste Energiequelle überhaupt – „the world‘s first fuel“. Besonders Entwicklungs- und Schwellenländer sind jedoch noch weit davon entfernt, dieses Potenzial systematisch zu nutzen. Dabei wird gerade in Staaten wie China, Indien und den Ländern des Nahen Ostens der Energiebedarf weiter dramatisch wachsen – mit fatalen Folgen für Umwelt und Klima. Diese Nachfrage lässt sich nicht allein aus regenerativen Quellen decken.
Und so liegen die Vorteile auf der Hand: Energieeffizienz erhöht nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit. Sie eröffnet auch Wachstumschancen, indem Entwicklungs- und Schwellenländer selbst am expandierenden Markt für moderne Technologien teilhaben. Zudem macht Energieeffizienz weniger abhängig von Energieimporten und senkt den Investitionsbedarf für Erzeugungs-, Netz- und Speicherkapazitäten. So können die Einsparungen genutzt werden, um die Energieversorgung zu verbessern. Die UN-Initiative „Sustainable Energy for All“ (SE4All) sieht deshalb vor, den jährlichen Ausbau von Energieeffizienz weltweit bis zum Jahr 2030 zu verdoppeln. Nicht zuletzt hilft Energieeffizienz, CO2-Emissionen einzusparen (siehe Hintergrundbox).
Es gibt viele Möglichkeiten, Energieeffizienz zu steigern. Beispiele sind effizientere Dampfturbinen oder der Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplung, um den Wirkungsgrad von thermischen Kraftwerken zu erhöhen. Auch lassen sich Verluste bei der Übertragung und Verteilung von Strom und Wärme reduzieren.
Viel wichtiger ist es jedoch, auf der Nachfrageseite bei den Energieverbrauchern anzusetzen, also in Industrie und Gebäuden, beim Gewerbe und Verkehr. Hier liegen 70 bis 90 Prozent der wirtschaftlichen Einsparmöglichkeiten.
In Industrie und Gewerbe können hocheffiziente elektrische Antriebe, Pumpen, Kältetechnik, Druckluft, Wärmeerzeugung und -rückgewinnung oder Beleuchtung 10 bis 30 Prozent Energie einsparen. Ihre Anschaffung ist teurer, rechnet sich aber meist schon nach ein bis zwei Jahren. Besonders effektiv sind Elektromotoren, die rund 70 Prozent des industriellen Stromverbrauchs ausmachen. Hocheffiziente Motoren kosten zwar rund ein Fünftel mehr, haben sich aber oft bereits nach wenigen Monaten amortisiert.
Der Gebäudesektor hat mit rund einem Drittel den größten Anteil am globalen Energieverbrauch. Hier gibt es Einsparpotenziale bei Raumklimatisierung, Warmwasserbereitung, Beleuchtung und elektrischen Geräten wie Kühlschränken oder Kommunikationselektronik. Wie groß das Potenzial ist, hängt vom Klima und Gebäudebestand eines Landes ab.
In Osteuropa beispielsweise gibt es zahlreiche sanierungsbedürftige Gebäude, bei denen sich durch verbesserte Dämmung und effizientere Heizungen (z. B. Brennwertkessel, Wärmepumpen, Thermostate) hohe Effizienzgewinne erzielen lassen. In wärmeren Klimazonen wiederum schlagen Klimaanlagen zu Buche; dort lässt sich durch Gebäudeisolierung, Verschattung, natürliche Belüftung oder effizientere Klimaanlagen viel Energie einsparen.
Dies ist umso wichtiger, weil gerade der Verbrauch für Kühlung in Entwicklungs- und Schwellenländern stark ansteigen wird – Schätzungen zufolge um 300 bis 600 Prozent bis zum Jahr 2050. Dabei könnte weltweit bereits beim Gebäudeneubau rund die Hälfte der Energie eingespart werden. Die zusätzlichen Aufwendungen ließen sich innerhalb von zehn Jahren amortisieren.
Rund 30 Prozent der weltweiten Energie fließen heute in den Verkehrssektor. Dort könnte, so warnt der Weltklimarat IPCC, der Ausstoß an Treibhausgasen bis 2050 um zwei Drittel zunehmen. Hohe Effizienzpotenziale liegen bei Kraftstoff- und Antriebstechnologien, dem Ausbau des Schienen- und öffentlichen Personennahverkehrs oder von Fahrradwegen, bei der Änderung des Nutzerverhaltens sowie der integrierten Stadt- und Verkehrsplanung.
Fehlende Anreize für Investitionen
Investitionen in Energieeffizienz müssen massiv steigen, sonst bleiben weltweit künftig gut zwei Drittel des möglichen Einsparpotenzials ungenutzt. Die meisten Investitionen werden allerdings auch künftig in Europa, Nordamerika und China getätigt und nur zu einem Bruchteil in Entwicklungsländern – sofern sich die Investitionsbedingungen dort nicht erheblich verbessern.
In Schwellen- und Entwicklungsländern mangelt es vor allem an förderlichen Gesetzen und Regularien. So fehlen häufig verpflichtende Effizienzstandards für Neubauten oder Elektrogeräte. Zudem erachten viele Länder das Thema als wenig dringlich: Zwar sind Energiesicherheit und -unabhängigkeit meist zentrale Ziele der Regierungen; sie konzentrieren sich jedoch eher auf die Energieproduktion und den Ausbau der Elektrifizierung als auf eine Reduktion des Verbrauchs.
In vielen Ländern scheitern umfangreiche Effizienzmaßnahmen schon deswegen, weil Kraftwerke oder Netze hierfür nicht mehrere Monate abgeschaltet werden können, ohne das Risiko von Stromausfällen weiter zu vergrößern. Kraftwerksbetreiber können zudem häufig nicht kostendeckend arbeiten und Effizienzmaßnahmen nicht selbst finanzieren.
Energiesubventionen, etwa für Treibstoffe, stellen ein großes Problem dar, weil sie Investitionen in Energieeffizienz durch künstlich niedrig gehaltene Energiepreise für die Verbraucher unattraktiv machen (siehe Essay von Anthony Jude in E+Z/D+C 2014/11, S. 410 ff.). Dabei wird der Löwenanteil der globalen Subventionen für fossile Energie in Schwellen- und Entwicklungsländern gewährt.
Investoren erscheinen zudem Energieeffizienzmaßnahmen oft nur attraktiv, wenn sie kurzfristig gewinnbringend sind. Auch Banken gewähren ungern langfristige Darlehen.
Dabei erfordert Energieeffizienz gerade langfristige Investitionen mit höheren Anschaffungskosten, die sich über niedrigere Energiekosten erst nach einigen Jahren rechnen. Die kurzfristige Sicht der Investoren ist ein besonders großes Problem in Entwicklungsländern. Unternehmen stellen hier selbst hochrentable Investitionen in Energieeffizienz gegenüber anderen betrieblichen Investitionen zurück, weil sich Letztere noch schneller amortisieren und die begrenzten Möglichkeiten zur Kreditaufnahme hierfür genutzt werden.
Im öffentlichen Sektor scheitern Energieeffizienzmaßnahmen nicht selten an Vergaberichtlinien, die Investitionen mit den geringsten Anschaffungskosten den Vorzug geben. Die Energiekosteneinsparungen über die gesamte Nutzungsdauer werden hingegen nicht betrachtet.
Herausforderungen beim Endverbrauch
Verbraucher fürs Energiesparen zu gewinnen ist in Entwicklungsländern eine besondere Herausforderung: Zum einen fehlt häufig das technische und wirtschaftliche Verständnis, zum anderen müssen die Strukturen für breitenwirksame Förderprogramme erst aufgebaut werden:
- Es fehlt an qualifizierten Energieberatern, spezialisierten Dienstleistungsunternehmen sowie Fachkräften mit Know-how. Auch sind zertifizierte Produkte wie Dämmstoffe und energieeffiziente Baustoffe, LEDs oder effiziente Antriebe und Pumpen häufig nicht verfügbar.
- In wenig entwickelten Märkten haben sich zudem noch keine transparenten und standardisierten Verfahren etabliert, mit denen sich Einsparungen überprüfen, messen und zertifizieren ließen. Diese sind für eine zielgerichtete Förderung aber zwingend notwendig.
- Energetische Standards etwa für Gebäude, elektrische Geräte oder im gewerblichen Bereich, an die eine finanzielle Förderung anknüpfen könnte, sind nicht festgelegt.
In fast allen Entwicklungsländern mangelt es an nötigem Kapital und Angeboten für langfristige Finanzierungen. Dies gilt besonders für Privathaushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Eine Befragung der KfW von 2010 ergab, dass auch in Deutschland unzureichende Finanzmittel das größte Hindernis darstellen, um Einsparpotenziale bei KMU zu erschließen.
Finanzierung und Know-how kombinieren
Die deutsche Entwicklungspolitik fördert seit vielen Jahren Projekte zur Steigerung der Energieeffizienz in Entwicklungs- und Schwellenländern. Sie setzt dabei vor allem bei den Rahmenbedingungen und einem verbesserten Zugang zu Finanzdienstleistungen an.
Das Portfolio der KfW Entwicklungsbank, die ihre Projekte im Auftrag der Bundesregierung durchführt, zeigt in den vergangenen Jahren eine eindeutige Tendenz: Energieeffizienz wird immer wichtiger. Die KfW Entwicklungsbank unterstützt verschiedene Ansätze – von der Finanzierung von Einzelmaßnahmen bis hin zu ganzheitlichen Lösungen. Sie finanziert zahlreiche Projekte auf der Energieangebotsseite (überwiegend Übertragungsnetze), widmet sich aber verstärkt auch der Nutzerseite. Als Teil der KfW Bankengruppe kommen ihr dabei die Erfahrungen aus der inländischen Förderpraxis zugute.
Ein Schwerpunkt des KfW-Engagements liegt auf der Sanierung von öffentlichen Gebäuden wie Schulen, Krankenhäusern oder Gesundheitszentren, beispielsweise in Montenegro, der Türkei, Jordanien, Marokko oder Ägypten. Vor allem dort, wo es noch wenig Anreize für private Investitionen gibt, macht es Sinn, Energieeffizienz zunächst über öffentliche Institutionen zu fördern.
Staatliche Akteure sollten ein grundsätzliches Interesse an Energieeffizienz haben, weil sich dadurch Subventionen einsparen lassen. Außerdem stehen bei Gebäudesanierungen weitere entwicklungspolitische Ziele im Vordergrund, wie verbesserte Lernbedingungen in Schulen und Universitäten. Der öffentliche Sektor ist für Energieeffizienz sehr wichtig, weil er eine Vorbildfunktion hat und dadurch den Markt für den privaten Sektor ebnet.
Die KfW Entwicklungsbank arbeitet mit zahlreichen Förderbanken rund um den ganzen Globus zusammen. Dabei stellt sie langfristige zinsgünstige Kreditlinien für Energieeffizienzinvestitionen zur Verfügung. Die Partnerbanken vergeben dann entweder direkt oder indirekt über lokale Geschäftsbanken Kredite an den Endkunden. Hierüber wird die Nachfrage nach Investitionen in Energieeffizienz stimuliert und innovative Kreditprodukte auf dem Markt eingeführt. Dies eröffnet auch kommerziellen Finanzinstituten die Möglichkeit, neue, wirtschaftlich lohnende Geschäftsfelder zu erschließen.
Zinsgünstige Refinanzierungsmittel bereitzustellen genügt noch nicht. Über Begleitmaßnahmen werden die Partnerbanken auch dabei unterstützt, eigenes Know-how aufzubauen. So können sie selbst Finanzierungsprogramme entwickeln, Investitionsrisiken bewerten, förderfähige Investitionen identifizieren und deren Energie- und Emissionseinsparungen abschätzen. Diese Verfahren sollten jedoch möglichst einfach sein, damit ein Förderprogramm von den Bankmitarbeitern akzeptiert und bei den Kunden aktiv beworben wird. Über die indische staatliche Förderbank NHB (National Housing Bank) konnte die KfW Entwicklungsbank ihren Förderansatz beim energieeffizienten Bauen erfolgreich auf Indien übertragen und die nötigen Voraussetzungen für ein energieeffizientes Neubauprogramm schaffen. Dazu gehören ein Instrument, mit dem man den Energieverbrauch indischer Gebäude berechnen kann, ein Zertifizierungssystem und die Schulung von Architekten, Ingenieuren und Bankmitarbeitern. Bisher sind 22 000 Wohnungen als verbrauchsarm zertifiziert worden.
Auch in Mexiko engagiert sich die KfW Entwicklungsbank, zusammen mit anderen Gebern, über das Modellprogramm EcoCasa beim energieeffizienten Wohnungsbau. Hierbei werden der Bau von Niedrigenergiehäusern sowie der Einsatz moderner Technologien wie Fassadenverkleidungen, Wärmedämmung und Solarpaneelen gefördert.
Jetzt Weichen stellen
Ohne höhere Energieeffizienz lässt sich der Kampf gegen den Energiemangel in Entwicklungs- und Schwellenländern nicht gewinnen und der Quantensprung für den Klimaschutz nicht erreichen. Noch genießt das Thema in vielen Ländern auch aus entwicklungspolitischer Sicht längst nicht den Stellenwert, den es verdient.
Dabei müssen vor allem auf der Verbrauchsseite heute in Entwicklungs- und Schwellenländern die richtigen Weichen für langfristige Investitionen in Industrieanlagen oder Gebäude gestellt werden. Breitenwirksame Finanzierungsprogramme über staatliche Förder- und Geschäftsbanken, kombiniert mit dem Aufbau von Know-how, sind dabei der richtige Weg. Allerdings müssen auch die Partnerländer selbst für die richtigen Rahmenbedingungen sorgen. Konkret heißt das: Subventionen für Energie senken und verbindliche energetische Standards einführen.
Stephan Opitz ist KfW-Direktor und Mitglied der Geschäftsbereichsleitung der KfW Entwicklungsbank.
http://www.kfw.de