Alltägliches Leben

Mutterschaft in Burundi

Etwa 75 Prozent der burundischen Bevölkerung gilt laut UN-Entwicklungsprogramm als arm. Ethnopolitische Konflikte prägen das Land seit Jahrzehnten, und der Bildungs- sowie Gesundheitssektor leidet unter starken Ausgabenkürzungen. Das Land macht aber auch Fortschritte, beispielsweise haben sich der Zugang zu Bildung und ihre Qualität verbessert. Die Geburtenrate ist rückläufig: Vor 40 Jahren bekam eine Frau im Schnitt noch sieben Kinder, nun sind es fünf. Die Journalistin Gloria Manirakiza (Name geändert) wohnt mit ihrer Familie in der Millionenstadt Bujumbura, dem größten Ballungszentrum Burundis. Hier berichtet sie davon, wie es sich dort als Mutter lebt.
Zu teure Kinderbetreuung ist ein wichtiges Thema für viele Frauen in Burundi. picture-alliance/ASSOCIATED PRESS/Berthier Mugiraneza Zu teure Kinderbetreuung ist ein wichtiges Thema für viele Frauen in Burundi.

Sie arbeiten als Journalistin und haben fünf Kinder, vier davon leben bei Ihnen zu Hause. Das kleinste ist gerade einen Monat alt. Wie sieht Ihr Alltag aus?
Mein ältester Sohn ist bereits 16 Jahre alt und beginnt seine Ausbildung. Ich bin gerade noch im Mutterschutz. Bald nehme ich meine Arbeit wieder auf. Mein Mann ist selbstständiger Geschäftsmann in der Privatwirtschaft. Er verdient nicht viel und vor allem nur unregelmäßig, aber es reicht für uns zum Leben. Wenn er gerade nicht arbeitet, dann unterstützt er mich mit den Kindern. Wir organisieren uns, dann klappt alles.

Wie gestaltet sich der Mutterschutz in Burundi? Wie lange dürfen Sie zu Hause bleiben, und bekommen Sie trotzdem Geld?
49 Tage vor und 49 Tage nach der Geburt eines Kindes bleibt die Mutter zu Hause bei vollem Lohnausgleich. Danach geht sie wieder zur Arbeit. Da bleibt nicht viel Zeit zum Ausruhen. Mütter bekommen danach täglich je eine Stunde Zeit für das Stillen, die sie morgens, mittags oder abends nehmen können. Müssten sie zum Beispiel eigentlich um acht Uhr morgens auf der Arbeit sein, können sie während der Stillzeit erst um neun Uhr kommen. Diese Regelung gilt aber nur für die ersten sechs Monate nach der Geburt.

Und dann? Wie vereinbaren Sie die Arbeit mit dem Baby?
Die allermeisten städtischen Familien, in denen beide Elternpaare arbeiten, haben Haushaltshilfen, die auch Babysitter sind. Auch wir haben diese Unterstützung. Das Baby bleibt bei ihnen, während die Mutter wieder arbeitet. Niemand nimmt hier seine Kinder mit zur Arbeit, das ist kein Ort für Babys. Dass Frauen nicht arbeiten gehen und zu Hause bei den Kindern bleiben, ist eher die Ausnahme. Meist ist das finanziell überhaupt keine Option. Aber es gibt natürlich auch alleinerziehende Frauen. Ich habe zwei Kolleginnen, die alles allein schaffen müssen. Und sie müssen ganz besonders dringend arbeiten. Ohne Haushaltshilfe oder Unterstützung durch die Familie ginge das nicht.

Bedeutet das, dass die meisten Frauen in Burundi schon nach eineinhalb Monaten abstillen?
Nein, die Ärzte empfehlen uns, die ersten sechs Monate voll zu stillen. Erst danach beginnen wir, den Babys feste Nahrung anzubieten. Wenn ich arbeiten gehe, bekommt das Kind Pulvermilch aus der Flasche, aber abends, morgens und nachts plane ich, weiter zu stillen. Das ist mir wichtig.

Bekommen Sie nach dem Mutterschutz Ihren alten Posten wieder?
Wenn ich an meinen Arbeitsplatz zurückkehre, bin ich wieder Redakteurin, aber habe anders als zuvor keine Führungsposition mehr inne und verdiene dann auch weniger. Das hat aber nichts mit der Schwangerschaft zu tun: Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten kam es zu Umstrukturierungen bei meinem Arbeitgeber. Das letzte Gehalt, das ich bekommen habe, war das für Juli, und es erreichte mich erst Mitte November. Ich bin einfach froh, dass ich nicht entlassen wurde, und habe die Hoffnung, weitere Einkommensquellen zu finden.

Und wann kommen die Kinder in die Krippe oder den Kindergarten?
Wenn die Kinder fünf Monate alt sind, können sie theoretisch in die Krippe. Aber das machen die wenigsten Eltern, weil die Einrichtungen nicht staatlich sind – und dadurch sehr teuer. Auch wir können uns das nicht leisten. Die Preise variieren, je nachdem ob die Krippen in der Stadt liegen oder eher abgelegen. Es gibt sogar sogenannte VIP-Krippen. In einem gehobenen Stadtteil von Bujumburu wie etwa Rohero kostet ein Platz für ein fünf Monate altes Kind ­500 000 Burundi-Franc (BIF) im Monat (etwa 220 Euro). Um es in ein Verhältnis zu setzen: Ich verdiene 400 000 BIF monatlich und habe einen guten Job.

Wie sieht es mit Schulgebühren aus?
Für meine Tochter, die in die vierte Grundschulklasse einer Privatschule geht, zahle ich etwa 20000 BIF. Die staatlichen Grundschulen sind zwar kostenfrei, aber die Bildungsqualität dort ist nicht gut. Deshalb gehen meine Kinder auf private Schulen. Unterm Strich sind die Preise für Einrichtungen der frühen Bildung sehr hoch. Daher gehen die meisten Kinder nicht in die Krippe, sondern fangen frühestens mit dem Kindergarten an. Ab dem siebten Lebensjahr müssen die Kinder verpflichtend in die Grundschule.

Sprechen wir über die Schwangerschaft. Wie steht es um die medizinische Betreuung? Gibt es vorgeschriebene, regelmäßige Arztbesuche?
Ja, die meisten Frauen, die ich kenne, durchlaufen während der Schwangerschaft einen Beratungsprozess. Auch ich hatte regelmäßige Termine bei meinem Frauenarzt. Er schaute nach mir und dem Baby. Und jedes Schwangerschaftstrimester machte der Arzt auch einen Ultraschall. Ich bin privat krankenversichert, dadurch wurden 85 Prozent der Kosten für diese Untersuchungen übernommen. 15 Prozent mussten wir selbst tragen. Aber es gibt natürlich auch Frauen, die sich die Versicherung oder den Eigenbeitrag nicht leisten können. Und einige Frauen wollen das auch nicht. Sie vertrauen auf traditionelle Medizin und sagen: „Ich werde schon merken, wenn die Geburt losgeht!“ Für mich wäre das nichts.

Geburten sind oft sehr kulturell geprägt. In manchen Ländern ist es normal, Schmerzmittel zu bekommen, in anderen ist genau das verschrien. Auch Kaiserschnittoperationen werden in manchen Weltteilen viel eher durchgeführt als in anderen. Wie ist das in Burundi?
Die Geburt erfolgt meist ohne schmerzstillende Mittel, aber direkt danach werden den Frauen Antibiotika und Medikamente verschrieben, die sie dann selbst kaufen. Während der Geburt wird wenig gegen die Schmerzen getan, das gehört einfach dazu. Kaiserschnitte werden durchgeführt, wenn es medizinisch notwendig ist, was bei mir nie der Fall war. Mein Mann war bei allen Geburten dabei, aber viele Frauen oder ihre Männer wollen das nicht. Oft geht es auch nicht, weil die Männer arbeiten. Dass mein Mann fünf Mal anwesend war, ist eher eine Ausnahme.

Konnten Sie sich im Wochenbett gut erholen mit fünf Kindern?
Eines meiner Kinder wohnt im Internat. Ich bin momentan also nur mit vier Kindern zu Hause. Vormittags sind die größeren in der Schule, und ich bin mit dem Baby und der Haushälterin zu Hause. Und sie hilft mir sehr: Sie kocht, putzt und wäscht. Nachmittags holt sie die Schulkinder ab, und die helfen mir auch ein bisschen. Dadurch kann ich mich ausruhen, bevor ich bald wieder arbeiten gehe.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft Ihrer Kinder?
Ich hoffe, dass die Zukunft meiner Kinder gut sein wird, dass wir genug Einkommen für alle haben. Ich wünsche mir, dass alle meine Kinder die Universität besuchen können. Darauf bereite ich sie schon vor. Zum Beispiel frage ich sie regelmäßig, was sie später werden und studieren wollen. Ich möchte sie damit ermutigen, immer weiter zu gehen, sich zu strecken und an sich zu glauben. Und auch mir selbst sage ich immer wieder: Es wird schon alles gut werden! Ich bin Optimistin.

Gloria Manirakiza (Name geändert) ist Journalistin in Burundi.
euz.editor@dandc.eu