Artenvielfalt

Die Lebensversicherung behalten

Biodiversität ist für die Menschheit überlebenswichtig. KfW-Experte Stephan Opitz erläutert in einem Grundsatzessay, welche Lehren aus 30 Jahren Naturschutz-Finanzierung gezogen werden können.
Die Natur braucht Schutz: Tsavo West National Park in Kenia. Charlotte Thege/Lineair Die Natur braucht Schutz: Tsavo West National Park in Kenia.

Wir wissen es längst – und unternehmen trotzdem zu wenig: Knapp jede Viertelstunde stirbt eine Art aus, geschätzte 100 am Tag, fast 700 in der Woche, mehr als 30 000 im Jahr. Dabei brauchen wir die Vielfalt heute mehr denn je. Denn sie bietet einer wachsenden Zahl an Menschen Nahrungsmittel, Baumaterialien, Energiequellen, Arzneimittel und vieles andere mehr.

Noch kann die Wissenschaft nicht genau beziffern, wie viele Arten für das Überleben des Menschen tatsächlich nötig sind, aber sie weiß, dass „viel gut ist“. Denn die Fülle wirkt wie eine Art Lebensversicherung. Versagt die eine Art, etwa wegen Trockenheit oder Hitze, übernimmt eine andere ihre Funktionen. Das fortgesetzte Artensterben ist so, als kündigten wir jeden Tag aufs Neue unsere Lebensversicherung.

Weil der Verlust an Biodiversität weltweit beunruhigende Ausmaße angenommen hat, setzte sich die internationale Gemeinschaft 2010 – als Teil der Biodiversitätskonvention – die sogenannten „Aichi-Ziele“. Sie sehen vor, bis 2020 den Rückgang an natürlichen Lebensräumen zu halbieren, die Überfischung der Weltmeere zu stoppen sowie 17 Prozent der Landfläche und 10 Prozent der Meeresfläche unter Schutz zu stellen. Nach heutigem Stand werden die meisten dieser Ziele nicht erreicht. Deshalb haben die Mitglieder der Konvention bei ihrer letzten Sitzung Ende November in Ägypten noch einmal einen dringenden Appell an die Welt gerichtet, alle Anstrengungen zum Erhalt von Biodiversität auszuweiten und „zu beschleunigen“ (siehe Günter Mitlacher in der Debatte e-Paper E+Z/D+C 2019/01).

Dafür sind neben dem politischen Willen vor allem deutlich mehr Mittel und deren effizienterer Einsatz nötig. Laut Schätzungen besteht allein für die Aufrechterhaltung der bestehenden Schutzgebiete in Entwicklungs- und Schwellenländern jährlich eine Finanzierungslücke von 1,3 Milliarden US-Dollar.

Genau hier hat die KfW viel Erfahrung. Sie engagiert sich seit über 30 Jahren im Naturschutz. Die Bank zählt mit einem Portfolio von mehr als 2 Milliarden Euro sogar zu den bedeutendsten internationalen Finanziers auf diesem Gebiet. Aus dieser langjährigen Arbeit haben wir fünf wichtige Lehren für die künftige Finanzierung von Naturschutz gezogen:

Die erste Lehre: Naturschutz funktioniert auf Dauer nur, wenn die Bevölkerung einen unmittelbaren Nutzen davon hat.
Ab Ende der 1980er Jahre stand überwiegend staatlicher Naturschutz in Partnerländern im Vordergrund der Förderung. Konkret waren das vor allem unterfinanzierte und schlecht ausgerüstete Verwaltungen von Nationalparks in den Ländern Subsahara-Afrikas. Dort wurden ihre Naturschätze weder geschützt noch nachhaltig bewirtschaftet. Sie hatten ihren Status nur auf dem Papier. Deshalb investierte die KfW häufig in die Infrastruktur der Parks und in bessere Ausrüstung ihrer Verwaltungen. Später kam die ländliche Entwicklung von Randzonen der Parks dazu, um die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu erlangen. Denn man erkannte, dass sich langfristige Erfolge nur erzielen lassen, wenn für die Bevölkerung und für nationale Akteure Anreize bestehen, Biodiversität zu erhalten.

Die zweite Lehre: Es gilt, die laufenden Kosten von Naturschutzgebieten zu garantieren und für eine langfristige Finanzierung zu sorgen.
Ein Beispiel ist der Schutz des Regenwaldes im Amazonas-Gebiet, gekoppelt mit dem Erhalt indigener Lebensformen (siehe Beitrag von Carmen Josse im Schwerpunkt E+Z/D+C2019/02). Evaluierungen aus allen Regionen zeigten bald, dass sich die Finanzierung der Parks meist nur für die Dauer des Projektes sicherstellen ließ. Nach Abschluss der Investitionen stellte sich die Frage, wie der Schutz nachhaltig zu finanzieren sei. Vor allem im östlichen und südlichen Afrika verschärfte sich das Problem durch immer besser organisierte und zum Teil schwer bewaffnete Banden von Wilderern, die ganze Populationen etwa von Nashörnern oder Elefanten an den Rand der Ausrottung brachten. Es genügt also nicht, Schutzgebiete auszuweisen oder deren Management zu verbessern, selbst wenn die örtliche Bevölkerung beteiligt ist. Vielmehr gilt es, sich frühzeitig Gedanken darüber zu machen, wie Parks nachhaltig zu finanzieren sind.

Die dritte Lehre: Die öffentliche Hand kann die enormen Kosten für den Erhalt von Biodiversität nicht allein decken. Finanzierungsmodelle müssen private Mittel mobilisieren.
Vor diesem Hintergrund entwickelte die KfW zusammen mit anderen Akteuren ein neues Instrument, sogenannte „Conservation Trust Funds“. Gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern, die mit begrenzten öffentlichen Mitteln den Betrieb der Schutzgebiete sicherstellen sollen, spielen diese Fonds eine wichtige Rolle. Sie haben meist die Form einer Stiftung, um aus den Erträgen des Stiftungsvermögens dauerhaft laufende Kosten zu bezahlen. Derzeit unterstützt die KfW im Auftrag der Bundesregierung den Aufbau und die Kapitalisierung von weltweit 18 solcher Fonds, die mehr als 200 Schutzgebiete finanzieren helfen. Beispiele reichen von Stiftungen, die regionale Schutzgebietssysteme wie den Amazonien-Fonds in Brasilien fördern, über Stiftungen mit nationalem Auftrag etwa in Madagaskar, bis zu grenzüberschreitenden Ansätzen wie der „Trinationalen Sangha Stiftung“ im Kongobecken. In Zeiten negativer Zinsen stößt das Modell aber an seine Grenzen. Zum Teil mussten die Fonds zusätzliche Gelder einwerben. Das kann sich mit höheren Zinsen wieder ändern.

Die vierte Lehre: Der intelligente Einsatz öffentlicher Mittel kann private Kapitalgeber dazu bewegen, in neue Bereiche zu investieren.
Staatliche Gelder müssen am besten so eingesetzt werden, dass sie ihre Wirkung über andere Kanäle vervielfältigen. Eine Möglichkeit dafür liegt in der Kooperation mit der Privatwirtschaft, die ein wachsendes Interesse an intakter Natur hat. Erstens ist für Konsumenten Nachhaltigkeit zunehmend ein Kaufargument. Zweitens merken auch viele Firmen, dass sie auf die sogenannten Dienstleistungen der Natur angewiesen sind und, bei Nichtvorhandensein, immer höhere Kosten dafür selbst aufbringen müssen, etwa wenn Wasser knapp oder verschmutzt ist. Mit den natürlichen Grundlagen schonender umzugehen kann deshalb auch für sie ökonomisch interessant sein.

Um diesen Prozess zu unterstützen, hat die KfW im Auftrag der Bundesregierung den eco.business Fund gegründet, zusammen mit der Finanzinstitution Finance in Motion und der amerikanischen Nichtregierungsorganisation Conservation International. Sein Ziel ist es, innovative Unternehmen zu fördern, die nachhaltige Produkte und Verfahren entwickeln. Der Fonds vergibt dazu über lokale Finanzinstitute günstige Darlehen an die Unternehmen. Ihm gehören neben öffentlichen auch private Investoren und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) an. Die privaten Investoren profitieren davon, dass die öffentlichen Geber den größten Teil des Risikos tragen. Bisher gibt es den Fonds in Costa Rica, Ecuador, El Salvador, Honduras, Kolumbien, Nicaragua und Panama. Die weitere Nachfrage ist groß. Die KfW arbeitet im Moment daran, das Modell auch nach Afrika zu übertragen, erste Finanzierungen sollen 2019 erfolgen.

Die fünfte Lehre: Die Zusammenarbeit mit NGOs kann die Arbeit mit Partnerregierungen im Naturschutz gut ergänzen.
NGOs haben meist aufgrund ihrer langjährigen Erfahrungen vor Ort viel fachliche Expertise. Ein Beispiel für diese Zusammenarbeit ist der Blue Action Fund, den die KfW, wiederum im Auftrag und zusammen mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) vor gut zwei Jahren ins Leben gerufen hat (siehe Beitrag im Monitor E+Z/D+C e-Paper 2018/1). Das Besondere ist, dass der Fonds einerseits internationale NGOs wie den WWF oder Conservation International bei ihrer Arbeit im Küsten- und Meeresschutz unterstützt und andererseits eine weitere Kapitalisierung durch den Beitritt anderer Geber zulässt. Das ist inzwischen auch geschehen. Schweden und Frankreich sind dazugestoßen, weitere Länder sind interessiert.

Der Rückblick auf 30 Jahre Engagement im Naturschutz zeigt: Das klassische Fördermodell von Gebern mit Partnerländern wird weder dem Finanzbedarf noch der Komplexität des Themas gerecht. Um den Artenschwund aufzuhalten, müssen verschiedene Ansätze und Finanzierungsquellen gebündelt und gestärkt werden: Dafür braucht es eine Allianz von öffent­lichen Gebern, Partnerregierungen, NGOs, Privatwirtschaft und Philanthropen. Vor wenigen Wochen hat etwa der schweiz-amerikanische Philanthrop Hansjörg Wyss angekündigt, in den kommenden zehn Jahren eine Milliarde US-Dollar für den Erhalt von Biodiversität zu spenden. Solche Mittel gilt es in von Entwicklungsbanken vorbereitete und strukturierte Naturschutzansätze zu integrieren, damit keine Doppelungen oder gegensätzliche Wirkungen entstehen. Die KfW als erfahrene Entwicklungsbank kann verschiedene Interessen und Möglichkeiten der öffentlichen und privaten Finanziers bündeln und durch neue Ansätze wie den eco.business Fund oder den Blue Action Fund skalieren.

Ein großer Schritt ist nötig in der Naturschutzfinanzierung. Andernfalls wird die Staatengemeinschaft bei der nächsten großen Überprüfungskonferenz 2020 in Peking vor allem feststellen, dass sich das Artensterben weiter beschleunigt hat und für ambitionierte Naturschutzziele der nächsten Dekade die Finanzierung fehlt. Das wäre verheerend.


Stephan Opitz ist Bereichsleiter in der KfW Entwicklungsbank und dort zuständig für Grundsätze und Lateinamerika.
stephan.opitz@kfw.de