Zentralafrika
Bedrohter Tropenwald
Im zentralafrikanischen Kongobecken erstreckt sich – nach dem Amazonas – der zweitgrößte Regenwald der Welt. Entlang des Äquators zieht sich das tropische Waldgebiet auf einer Fläche von etwa 1,7 Millionen Quadratkilometern von Kamerun und Gabun an der Westküste des Kontinents durch die Länder der Region der Großen Seen, die Demokratische Republik Kongo, Uganda, Ruanda bis nach Tansania in Ostafrika. Wegen seiner Artenvielfalt und seinen einzigartigen Ökosystemen wird er als die grüne Lunge Afrikas bezeichnet. Den Ländern des Kongobeckens kommt eine Schlüsselfunktion für den Waldschutz zu, und sie tragen einen wesentlichen Beitrag zur Eindämmung der globalen Klimaerwärmung bei.
66 Prozent der gesamten Regenwaldfläche des Kongobeckens liegen in der DR Kongo. Somit verfügt das Land über eine einzigartige biologische Artenvielfalt. Die Wälder der DR Kongo bieten Lebensraum für tausende Tierarten und rund 10 000 verschiedene Pflanzenarten, von denen alleine 3000 nur in dieser Region vorkommen. Damit steht die DR Kongo auf Platz fünf der weltweit artenreichsten Länder der Welt. Aber nur rund acht Prozent der Landesfläche stehen unter Naturschutz.
Daher schrumpfen die Wälder in der DR Kongo beträchtlich, und täglich werden große Teile der wertvollen Bestände zerstört. Zwischen 1990 und 2010 nahm die Waldfläche in der DR Kongo um 60000 Quadratkilometer ab.
Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Der globale Klimawandel wirkt in solch empfindlichen Ökosystemen wie dem tropischen Regenwald besonders dramatisch. Schon eine kleine Veränderung in Temperatur und Niederschlagsmenge stören das Gleichgewicht zwischen Tier- und Pflanzenwelt und ziehen eine Kettenreaktion nach sich.
Außerdem wird permanent Wald gerodet, wodurch irreparable Schäden entstanden sind. Dies geschieht besonders dort, wo sich militärische Konflikte abspielen und die begehrten mineralischen Rohstoffe vorhanden sind. Gefährdet sind vor allem die Wälder im Osten der DR Kongo, der seit über 15 Jahren von Milizen, Gewalt und Vertreibung geprägt ist. Dort finden andauernde gewalttätige Konflikte zwischen diversen Milizgruppen untereinander, aber auch gegen die reguläre kongolesische Armee FARDC statt.
Kämpfe im ältesten Bioreservat
So gehen im ältesten Bioreservat Zentralafrikas, dem Virunga-Nationalpark, seit 1994 permanent Waldflächen verloren. In der Heimat der berühmten Berggorillas, an den Hängen der Virunga-Vulkankette, sammelten sich nach dem Genozid in Ruanda 1994 Hunderttausende Flüchtlinge. Seither herrscht in der Provinz Nordkivu ein nahezu andauernder Zustand aus Krieg und Bürgerkrieg. Die lokale Bevölkerung zieht sich vor militärischen Auseinandersetzungen in bislang unberührte Gebiete zurück. So wird die Natur durch Ackerbau, Fischfang, Beschaffung von Feuerholz, Holzkohlegewinnung und Besiedlung zerstört.
Ein weiterer entscheidender Faktor ist der verstärkte Abbau von mineralischen Rohstoffen wie Zinn, Kupfer, Coltan oder Gold, der oft mit gewalttätigen Auseinandersetzungen und der Nichtbeachtung von ökologischen und sozialen Standards einhergeht.
Auch der Kahuzi-Biega Nationalpark westlich von Bukavu leidet unter Wilderei und Besiedlung als Folgen des illegalen Abbaus von Coltan und Zinn in der Umgebung. Kahuzi-Biega beheimatet seltene Affenarten und steht auf der Roten Liste gefährdeter Stätten des Weltkulturerbes der UNESCO. Das gilt auch für das Okapi-Wildtierreservat, das sich in den Ituri-Wäldern im Norden des Landes befindet. Dort betreiben Miliz-Gruppen illegalen Abbau von Gold.
Die bewaffneten Milizen nutzen die oftmals unkontrollierten Waldgegenden als sicheres Rückzugsgebiet. Für sie sind die Nahrungsversorgung durch Wilderei sowie der illegale Abbau von Rohstoffen als Geldquelle unentbehrlich geworden.
Die Mitarbeiter der kongolesischen Wildschutzbehörde (ICCN) bemühen sich seit den 1960er Jahren, die bedrohten Rückzugsorte für gefährdete Arten zu schützen. Hunderte Ranger haben in den letzten 20 Jahren ihr Leben verloren, weil sie sich Wilderern oder bewaffneten Milizen entgegenstellten. Die ICCN wird unter anderem von der deutschen KfW Entwicklungsbank unterstützt. Doch das Geld reicht nicht aus, um die Parks wirklich ausreichend zu verwalten und zu schützen.
Staatsversagen
Leider fehlt ein dezidiertes Engagement der politischen Verantwortlichen in der Regierung der DR Kongo. Das ist auch das Kernproblem, warum es mit dem Waldschutz nicht funktioniert. Die seit der Unabhängigkeit des Landes andauernde politische Krise schafft in den entlegenen Provinzen Inseln der Gesetzlosigkeit, besonders in den weitflächigen und schwer kontrollierbaren Waldgebieten. Diese politische Instabilität verbunden mit einer schwachen Regierungsführung erschwert es erheblich, den Schutz der Biodiversität durchzusetzen.
An nationalen Gesetzgebungen für den Erhalt des Waldes und der Natur fehlt es nicht. Artikel 215 der Verfassung stellt internationale Schutzverträge über nationales Recht. Fünf der sieben Nationalparks sind Weltkulturerbe, andere Wälder stehen ebenso unter Naturschutz. Rohstoffabbau in geschützten Gebieten ist verboten. Ein neues Gesetz für den Erhalt des natürlichen Lebensraums und zur Verpflichtung von steuerlichen Abgaben, die für die 13 Nationalparks vorgesehen sind, liegt dem Parlament zur Abstimmung vor. Nach dem Gesetz sind die Reservate und Nationalparks eigentlich unangreifbar, menschliche Aktivitäten – abgesehen von begrenztem Tourismus und Forschung – sind nicht erlaubt. Der Status der Reservate gestattet eine begrenzte Zahl von Siedlungen und Aktivitäten.
Doch die zahlreichen Gesetze zum Schutz von Natur bestehen allein auf dem Papier. Es fehlt an der tatsächlichen Umsetzung. Politische Machtspiele und Korruption tragen zu der prekären Situation bei. Es sind zudem nur geringe staatliche Mittel für den Schutz der Wälder vorgesehen. Der erhoffte Ökotourismus als potenzielle Einkommensquelle liegt aufgrund der desaströsen Sicherheitslage noch in weiter Ferne.
Die DR Kongo verfügt über einen jährlichen nationalen Haushalt von circa 7,5 Milliarden Dollar bei über 70 Millionen Einwohnern. Sie ist selbst für einfachste staatliche Leistungen in den Sektoren Gesundheit oder Bildung zu über 90 Prozent von internationalen Hilfsgeldern abhängig.
Der Schutz von Wäldern und Biodiversität spielt im staatlichen Budget kaum eine Rolle. Die Abhängigkeit von internationalen Geldgebern ist auch in der Umweltpolitik groß. Der Staat tut kaum etwas, um die lokale Bevölkerung für Naturschutz und ähnliche Dinge zu sensibilisieren. Noch schwerer wiegt es, dass sich die DR Kongo von den Interessen internationaler Unternehmen leiten lässt (siehe Box).
Fazit ist: Essenziell für einen funktionierenden Forstschutz ist eine stabile Regierungsführung, die bestehende Regularien und Gesetze ernst nimmt und umsetzt. Die Verantwortlichen müssen sich den Schutz von Biodiversität und Wald zum wichtigsten Ziel setzen, anstatt die sensiblen Naturräume durch die Freigabe und Förderung des Rohstoffabbaus zu gefährden. Grundvoraussetzung wäre, dass die kongolesische Regierung die desaströse Sicherheitslage verbessert und vehement gegen den illegalen Abbau von Rohstoffen, die exzessive Holzrodung und plündernde Milizen vorgeht.
Eine weitere Herausforderung ist die Vereinbarkeit von Umweltschutzprogrammen mit den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung. Diese müssen viel stärker in nachhaltige Tourismusprojekte, einkommenschaffende Maßnahmen und Umweltschutzprogramme eingebunden werden. Nur so kann ein nachhaltiger Schutz für Natur und Wald garantiert werden.
Ephrem Balole arbeitet für den ICCN (Congolese Wildlife Authority) und ist stellvertretender Parkleiter im Virunga-Nationalpark. Teil des Parks stehen seit Monaten unter der Kontrolle von Rebellen, sodass die Parkranger nur noch unter großer Gefahr ihrer Arbeit nachgehen können.
Gesine Ames ist Mitarbeiterin beim Ökumenischen Netz Zentralafrika.
Ilona Auer-Frege ist Koordinatorin des ÖNZ. office@oenz.de