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Demokratie

Durchwachsene Bilanz

In Westafrika hat regionale Militärkooperation dazu beigetragen, demokratische Prinzipien durchzusetzen und Bürgerkriege zu begrenzen. In diesem Sinne ist die Wirtschaftsgemeinschaft afrikanischer Staaten (Economic Community of West African States – ECOWAS) beispielhaft. Vladimir Antwi-Danso vom Ghana Armed Forces Command & Staff College warnt dennoch, ernste Probleme bestünden fort.
Im Dezember 2016 erklärten vier gewählte Staatsoberhäupter – Muhammadu Buhari aus Nigeria, Ellen Johnson Sirleaf aus Liberia, Ernest Bai Koroma aus Sierra Leone und John Dramani Mahama aus Ghana – Gambias Diktator Yahya Jammeh, dass seine Zeit abgelaufen war. Johnson Sirleaf und Mahama sind wegen Wahlen mittlerweile nicht mehr im Amt. picture-alliance/dpa Im Dezember 2016 erklärten vier gewählte Staatsoberhäupter – Muhammadu Buhari aus Nigeria, Ellen Johnson Sirleaf aus Liberia, Ernest Bai Koroma aus Sierra Leone und John Dramani Mahama aus Ghana – Gambias Diktator Yahya Jammeh, dass seine Zeit abgelaufen war. Johnson Sirleaf und Mahama sind wegen Wahlen mittlerweile nicht mehr im Amt.

Die ECOWAS entstand als Wirtschaftsgemeinschaft, wurde aber international durch Interventionen in die Bürgerkriege von Liberia und Sierra Leone bekannt. Wie kam das?
In der Tat wurde die ECOWAS 1975 mit dem Ziel enger wirtschaftlicher Zusammenarbeit der 15 Mitgliedsländer gegründet, deren sozioökonomische Verhältnisse ähnlich waren. Wegen des historischen Kontexts von Kolonialherrschaft, Verwaltungskulturen und Sprachen gab es jedoch Stolpersteine. Die Regionalorganisationen sahen sich bald mit politischen Krisen konfrontiert – einschließlich Bürgerkrieg, Militärputsch und Staatsstreich. Folglich wurde Sicherheit zum zentralen Thema. Regionalintegration ist ohne politische Stabilität nicht zu haben. 1989 wurde ein Verteidigungspakt verabschiedet und die regionale Truppe ECOMOG (ECOWAS Monitoring Group) geschaffen, um auf die Aufstände in Liberia und Sierra Leone zu reagieren. Die ECOMOG trug zur Beendigung der Gewalt und dem Peacekeeping in beiden Ländern bei.

Welche langfristigen Folgen hatte das?
Die ECOMOG half beim Wiederaufbau nach dem Krieg sowie bei der Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung von ehemaligen Kämpfern. Sie wurde auch in Guinea-Bissau sowie in der Republik Guinea aktiv. In Kooperation mit französischen Truppen half eine kollektive ECOWAS-Intervention zudem, in Mali nach dem Militärputsch von 2012 die Demokratie wiederherzustellen. Voriges Jahr akzeptierte dann der langjährige Diktator von Gambia, Yahya Jammeh, seine Wahlniederlage erst, nachdem die ECOWAS eine militärische Intervention gestartet hatte. Ähnlich hatte die ECOWAS auch mit einem militärischen Eingriff gedroht, um in der Elfenbeinküste Laurent Gbagbo abzusetzen, der seine Wahlniederlage 2009 nicht eingestehen wollte. Auch dort griffen französische Truppen ein, und ECOWAS-Einheiten hätten sie unterstützt, wenn Gbagbo nicht schnell gefasst worden wäre.

Die Wurzeln der Demokratie scheinen heute in Westafrika tiefer zu sein als in anderen Regionen des Kontinents. Warum ist die ECOWAS ein Vorreiter?
Es ist richtig, dass demokratische Prinzipien in Westafrika stärker als anderswo betont werden. Das liegt vor allem an der neuen Elite, die um den Millenniumswechsel herum an die Macht kam. Führungspersönlichkeiten waren zum Beispiel Abdoulaye Wade im Senegal, John Kufuor in Ghana, Olusegun Obasanjo in Nigeria und Mamadou Tandja in Niger. Sie hielten die Fackel der Demokratie hoch und kooperierten gut miteinander. In gewissem Maße mögen westafrikanische Erfahrungen mit Bürgerkrieg und autoritärer Herrschaft dazu beigetragen haben. Obasanjo war selbst ein ehemaliger Militärherrscher. Zweifellos spiegelten die neuen Konzepte aber auch die multilaterale Debatte jener Jahre wider. Leider hatten diese Spitzenpolitiker afrikaweit nicht dasselbe Echo, sondern waren nur Referenzgrößen unter vielen anderen.

Was geschieht, um in den Streitkräften der ECOWAS-Mitglieder eine demokratische Kultur zu verankern?
In fast allen Mitgliedsländern wurden die Spielregeln dem Prinzip des Primats der zivilen Politik über das Militär angepasst. Unmittelbar nach der Unabhängigkeit war das anders; damals war die Verflechtung von Politik und Militär normal. Die Streitkräfte waren quasi ein Anhängsel der jeweiligen Regierungspartei. Heute unterliegt das Militär parlamentarischer Aufsicht. In Ghana debattieren und beschließen die Volksvertreter beispielsweise den Verteidigungshaushalt. Sie können auch den Verteidigungsminister zur Verantwortung ziehen, der sich ihren Fragen stellen muss. Der Rechnungshof prüft Militärmanagement und -beschaffung. Grundsätzlich sind die Streitkräfte nun ein Instrument des demokratischen Staates.

Hat sich denn die Denkweise der Generäle entsprechend verändert?
In Westafrika streben sie heute generell die Konsolidierung der Demokratie an. Dass sie keine Putsch-Mentalität mehr haben, liegt meiner Meinung nach an drei miteinander verflochtenen Faktoren:

  • In der internationalen Arena werden Militärputsche abgelehnt. Früher gab es im kalten Krieg für Staatsstreiche Unterstützung entweder vom Osten oder vom Westen. Heute verurteilen die UN solche Schritte. Zudem haben diverse regionale Organisationen Protokolle verabschiedet, die gesetzeswidrige Regierungswechsel untersagen. Die Afrikanische Union hat das 2001 getan, die ECOWAS folgte drei Jahre später nach.
  • Viele Spitzenoffiziere sind jetzt hochgebildet, sodass sie die Weltordnung höher bewerten und ihnen die Relevanz der Demokratisierung einleuchtet.
  • Das Militär hat für die innere Sicherheit eine höhere Bedeutung und wird auf unkonventionelle Weise eingesetzt, zum Beispiel für Peacekeeping oder in Konflikten mit geringer Intensität. Das spiegelt sich in Ausbildung und Orientierung wider.

Internationale Organisationen betonen gute Regierungsführung, und ihre Friedensmissionen bieten Karrierechancen. Motiviert vielleicht auch das die Generäle, ihre Aussichten nicht dadurch zu beeinträchtigen, dass sie die eigene Regierung stürzen?
Richtig ist, dass Friedenseinsätze für die Soldaten und ihre Länder finanziell attraktiv sind. Ich denke aber nicht, dass deswegen die Neigung zu Militärputschen zurückgegangen ist. Für Friedenseinsätze werden auch Truppen aus autoritär regierten Ländern herangezogen, also ist die Qualität der nationalen Regierungsführung keine Vorbedingung der Teilnahme.

Würden Sie sagen, dass Westafrika die Lektionen von Militärherrschaft und Bürgerkriegen gelernt hat?
Das wäre zu optimistisch. Die Bilanz ist durchwachsen. Die Generäle mögen einige Lektionen gelernt haben, aber ich glaube nicht, dass ihre Einsichten in der Gesellschaft weit verbreitet sind. Die Demokratisierung Westafrikas beruht vor allem auf globalen Trends. Es gab innenpolitische Dynamiken sowie den Druck der internationalen Gemeinschaft. Nach dem Ende des kalten Kriegs und dem Zusammenbruch des Kommunismus war monolithische Regierungsführung diskreditiert. Die Rückkehr ziviler Herrschaft war afrikaweit zu beobachten. Wir stehen aber leider wieder da, wo wir angefangen haben. Schlechte Regierungsführung und Korruption sind üblich. Staatliche Ressourcen und Institutionen werden missbraucht. Amigo-Systeme, Klientelismus, Ausgrenzung, Politik der Rache, Verschwendung, Wahlmanipulation – all das lässt sich weiter beobachten, und genau diese Dinge haben früher zu Staatsstreichen motiviert.

Militärdiktaturen haben die Probleme aber nicht gelöst.
Nein, denn die Offiziere waren sehr schnell selbst in diese Dinge verstrickt. Sie haben Afrikas Probleme weder verstanden noch gründlich analysiert. Die ungerechte weltweite Arbeitsteilung machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Sie waren Gefangene der Missstände – besonders der Korruption –, die sie den zivilen Regierungen angelasteten und die zu überwinden sie versprachen.

Ist die Ära der Militärputsche in Westafrika vorbei?
Das lässt sich schwerlich mit Emphase sagen, denn das, was die Akteure angetrieben hat, ist immer noch gegeben. Das Problem ist schlechte Regierungsführung – mit Korruption, Verschwendung, Vetternwirtschaft und unkluger Wirtschaftspolitik. Wichtig ist auch, dass sich zu Staatsstreichen oft Offiziere der mittleren und unteren Ränge, aber nicht die Generäle verschwören. Putsche sind also weiterhin möglich. Richtig ist aber auch, dass die ECOWAS die Hürden erhöht hat und es Putschisten schwer macht, sich an der Macht zu halten. 2012 wurde das Militärregime in Mali schnell wieder beseitigt.

In welchem Maße sind Streitkräfte der ECOWAS-Mitglieder in anderen afrikanischen Regionen und Friedenseinsätzen beteiligt?
Gemeinsam haben sie außerhalb der eigenen Region an keiner Mission teilgenommen, sondern nur innerhalb der ECOWAS auf Spannung reagiert. Die Afrikanische Union will mit zwei übergreifenden Mechanismen demokratische Regierungsformen stärken und Frieden und Sicherheit gewährleisten. Dabei geht es um die African Governance Architecture (AGA) und die African Peace and Security Architecture (APSA). Die ECOWAS folgt dem Aufruf der AU, als Teil der APSA eine Eingreiftruppe zu schaffen. Sie hätte schon 2010 bereitstehen sollen, aber der Termin wurde auf 2015 vertagt. Komplett etabliert ist sie immer noch nicht, aber es hat gemeinsame Übungen von Truppen aus Nigeria, Benin und Mali gegeben, um die Verwirklichung der AU-Eingreiftruppe vorzubereiten.


Vladimir Antwi-Danso ist Dekan und akademischer Direktor des Ghana Armed Forces Command & Staff College (GAFCSC) in Accra.
vladanso@yahoo.com

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