Interview

„Infrastruktur kann den Armen helfen“

Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) weitet ihre Zusammenarbeit mit Privatunternehmen aus. Im letzten Jahr stellte sie 1,7 Milliarden Dollar dafür zur Verfügung – was nahezu 18 Prozent ihres Gesamtaufwandes entspricht. Das Volumen ist seit 2001 von 70 Millionen Dollar um mehr als das
24-fache gestiegen. Infrastruktur hält die Bank für besonders wichtig – sie macht etwa die Hälfte ihres Privatsektorportfolios aus.


[ Interview mit Joe Yamagata ]

Infrastruktur erhält in Entwicklungskreisen wieder mehr Aufmerksamkeit, nachdem das Thema in den letzten Jahren etwas in Verruf geraten war. Schließlich waren viele Großprojekte fehlgeschlagen, weil sie nicht ins ökonomische und soziale Umfeld von Entwicklungsländern passten. Wie sieht es heute mit der Vorliebe der Regierungen für spektakuläre Großprojekte aus?
Es ist verständlich, dass Regierungen etwas bauen wollen, was zeigt, dass sie sich für die Entwicklung von Infrastruktur einsetzen. So gesehen, leuchten Prestigeobjekte ein. Und wenn sie gut laufen, sind sie auch für die Entwicklung sinnvoll. Generell würde ich aber sagen, dass die Regierungen vorsichtiger geworden sind. Sie wollen erfolgreich sein, aber mit den so genannten „Palästen in der Wüste“, die womöglich auch noch hohe Kosten verursachen, gewinnen sie keine Wahlen. Meine Abteilung arbeitet mit Unternehmen aus dem Privatsektor. Und für diese Investoren ist Durchführbarkeit und Rentabilität wichtig. Sie werden keine Gelder in Projekte stecken, an die sie nicht glauben.

Legt das nicht eine neuerliche Ausrichtung auf Großprojekte nahe? Vermutlich ist es leichter, einen Privatinvestor für eine Mautstraße zu gewinnen, als ihn zu überzeugen, ländliche Zufahrtsstraßen zu bauen. Aber von Zufahrtsstraßen profitiert vor allem die arme Landbevölkerung, die dadurch Marktzugang gewinnt.

Die Dinge sind nicht unbedingt so klar zu trennen. Beispielsweise können wir ein Gesamtpaket entwerfen, das Zufahrtsstraßen beinhaltet. Diese Straßen werden nicht nur der armen Landbevölkerung nützen, sondern auch den Wert der geplanten Schnellstraße erhöhen. Der Bau von Zufahrtsstraßen kann wirtschaftlich sinnvoll sein, auch wenn es unmöglich sein wird, dafür Mautgebühren zu erheben. Wenn wir ländliche Armut bekämpfen wollen – und die Asiatische Entwicklungsbank verspricht das – dann ist es auch wichtig, die ländliche Infrastruktur zu verbessern. Wir haben bei der Zusammenarbeit mit dem Privatsektor zwei Optionen. Wir können die Investoren überzeugen, ein Paket von Maut- plus Zufahrtsstraßen zu finanzieren. Oder wir können mit anderen Abteilungen unserer Bank arbeiten, um zu gewährleisten, dass Zufahrtsstraßen von den Regierungsbehörden bezahlt werden – wenn nötig mit unserer Unterstützung. In der Praxis haben wir erst zwei Mautstraßen finanziert, in Thailand und auf den Philippinen, und in beiden Fällen haben Kommunen die Verantwortung für die Zubringerstraßen übernommen.

Haben private Investoren überhaupt Interesse an Armutsbekämpfung?

Einige sind sicherlich an Wohlfahrtsprojekten beteiligt. Aber wenn es ums Geschäft geht, unterscheiden sie nicht wirklich nach Arm und Reich. Sie wollen Einnahmen und Gewinne erwirtschaften. Wenn ein Projekt in diesem Sinne gut und nachhaltig konzipiert ist, finden wir Partner – egal welchem Bevölkerungssegment es am meisten nützt.

Ist es sinnvoll, von Pro-poor Infrastruktur zu sprechen?

Ja, durchaus. Menschen ohne Zugang zu Infrastruktur zahlen sehr hohe Preise für grundlegende Dinge wie Wasser. In den Elendsvierteln der Megastädte müssen die Armen in der Regel mehr Geld dafür ausgeben als Wohlhabende, und ich spreche über absolute Kosten, nicht über Einkommensanteile. Der Liter Wasser ist immer teurer, wenn Sie keinen eigenen Hahn zu Haus haben. Arme Menschen zahlen sieben- bis zehnmal mehr pro Liter. Darum ist die Verbesserung der Infrastruktur ein guter Weg, den Armen zu helfen.

Aber private Trinkwasserversorger haben international keinen guten Ruf. Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bemängeln, dass Privatisierung meist nur kümmerliche Ergebnisse brachte.

Wir haben Erfolge und Misserfolge erlebt. In Jakarta wurden zwei Konzessionen zur Wasserversorgung an verschiedene Privatunternehmen vergeben. Ein Projekt hat sich sehr gut entwickelt, das andere nicht. Das Gleiche ist in Manila passiert. Eines der Unternehmen konnte sehr gute Ergebnisse vorweisen, das andere hat keine gute Arbeit geleistet.

Die NGOs verweisen aber nur auf die Misserfolge.

Das ist ihr Job. Sie geben uns Warnsignale, sie erinnern uns an unsere Defizite. An unsere Erfolgsgeschichten müssen sie uns ja nicht erinnern. NGOs haben eine Wächterfunktion, und das halte ich auch für sinnvoll.

Einmal abgesehen von überdimensionierten Großprojekten: In der Vergangenheit war Korruption eine weitere Schattenseite von Infrastrukturprojekten. Baufirmen sind weltweit dafür bekannt, dass sie zu Bestechung neigen.

Die Asiatische Entwicklungsbank – wie auch andere multilaterale Institutionen – hat sehr strenge Maßstäbe, was Umwelt, Unternehmensführung und Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeziehungen angeht. Und zwar im öffentlichen wie im privaten Sektor. Bei Projekten des Privatsektors führen wir sehr intensive Unternehmensprüfungen durch. Es gibt jährliche Kontrollen. Wir werden von den Mitgliedsländern finanziert und müssen sicherstellen, dass wir mit guten, verlässlichen Kunden zusammenarbeiten. Es ist schon vorgekommen, dass große Unternehmen mit uns zusammenarbeiten wollten – nicht wegen des Geldes, sondern wegen unseres Bewilligungssystems. BP hat uns einmal ganz offen gesagt, dass sie das nötige Geld für eine Investition im Energiesektor in Indonesien ohne Probleme mobilisieren könnten. Dennoch wollten sie mit uns zusammenarbeiten – um sicher zu gehen, dass sie die höchsten Maßstäbe erfüllten, weil sie sonst Kritik fürchteten.

Impliziert die Arbeit mit privaten Investoren in der Infrastruktur nicht, dass Sie vor allem in aufstrebenden Volkswirtschaften arbeiten? Es muss doch sehr schwer sein, privates Kapital in einen Krisenstaat zu locken.

Wir sind ohne Zweifel von der Motivation des Privatsektors abhängig. Wenn private Investoren nicht an ein Projekt glauben, wird es auch keins geben. Aber das heißt nicht, dass ein sehr armes Land nicht von ADB-finanzierten Privatsektor-Projekten profitieren kann. Beispielsweise wurde von privaten Unternehmen und mit unserer Unterstützung eine Hochspannungsleitung von Thailand nach Phnom Penh gelegt. Diese Investition war für die beteiligten Firmen sinnvoll, aber auch für die kambodschanische Öffentlichkeit. Dort wird Elektrizität vor allem mit Diesel- und anderen Generatoren erzeugt, was sehr teuer ist.

Wenn die Projekte, die Sie unterstützen, so attraktiv sind, warum müssen Sie sich überhaupt einbringen?

Das hat mehrere Gründe. Erstens können wir Investoren ermutigen, Dinge zu tun, die sie selbst als riskant einschätzen. Beispielsweise decken wir politische Risiken in Krisenländern ab. Zweitens nehmen wir nicht an jedem Projekt teil, das vernünftig aussieht. Wir wollen Modellprojekte unterstützen, die leicht zu wiederholen sind. Und wir wollen Vorreitern helfen, die in einem Sektor oder Land etwas zum ersten Mal tun, das die Entwicklung langfristig voranbringen kann. Drittens ist unsere Finanzierung relativ günstig – damit können wir Investitionen attraktiver machen. Aber dieser Aspekt sollte nicht überbetont werden, unser Leverage-Faktor liegt normalerweise bei fünf bis acht. Mit anderen Worten, wir tragen nicht mehr als 20 Prozent des benötigten Geldes bei.

Die Fragen stellte Hans Dembowski.