Privatsektor

Gestiegener Ehrgeiz

Die Volkswirtschaften vieler afrikanischer Staaten sind in den vergangenen Jahren gewachsen, und im formalen Sektor sind Unternehmen stärker geworden. Einige von ihnen denken längst kontinentweit und haben Niederlassungen in verschiedenen Ländern. Josef Boven von der DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft, die als KfW-Tochter den Privatsektor in Entwicklungsländern fördert, hat Hans Dembowski im Interview die Lage erläutert.
„Wir sind stolz, Mo Ibrahim unterstützt zu haben.“ Bothma/picture-alliance/dpa „Wir sind stolz, Mo Ibrahim unterstützt zu haben.“

Welche Art von Unternehmen aus Ländern südlich der Sahara ist afrikaweit tätig?
Wichtig sind hier vor allem drei Branchen: Banken, Telekom und Einzelhandel, der wiederum die Konsumgüter- und Nahrungsmittelherstellung antreibt. Zu nennen ist auch das stark zunehmende Engagement von Private Equity Fonds in Afrika, die in der Regel regional oder kontinentweit unterwegs sind. Die Fonds agieren sehr professionell und haben hohe Ansprüche an die Rendite; das sollte auch andere Investoren ermutigen.

Fangen wir mit den Banken an. Was für Geldhäuser sind das?
Grundsätzlich gilt, dass die Finanzwirtschaft in weiten Teilen Afrikas noch wenig entwickelt ist. Viele ärmere Menschen haben gar keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen. Auch kleinere und mittelständische Unternehmen tun sich oft schwer, Kredite zu bekommen. Es ist aber zu beobachten, dass große afrikanische Banken zunehmend kontinentweit denken und operieren. Dazu gehören etwa die Standard Bank aus Südafrika oder die Ecobank Transnational, die in Nigeria am meisten Kunden hat, aber ursprünglich von den Handelskammern mehrerer Länder auf Anregung der Staatengemeinschaft ECOWAS (Economic Community of West African States) gegründet wurde. Diese Entwicklung ist gut, weil so das Angebot an Finanzdienstleistungen größer und professioneller wird. Zudem gibt es immer mehr Banken, die regional expandieren. Beispielsweise die kenianische I&M Bank, die auch in Ruanda und Tansania vertreten ist. Um sie auf diesem Weg zu begleiten, hat die DEG Anteile an der Bank erworben, und unser Partner, der französische Entwicklungsfinanzierer Proparco, hat das auch getan.

Interessieren sich auch andere internationale Investoren für die afrikanische Finanzwirtschaft?
Ja, unbedingt. Spannend ist zum Beispiel die Plattform-Strategie von Atlas Mara. Atlas Mara ist an die Londoner Börse gegangen, um dort Kapital aufzunehmen, und erwirbt mit diesem Geld afrikanische Banken, um einen starken überregionalen Verbund aufzubauen. Das Wirtschaftswachstum in Afrika in den vergangenen Jahren hat die Nachfrage nach den verschiedensten Bankprodukten deutlich ansteigen lassen. Entsprechend werden gute Geschäfts- und Renditechancen erwartet.

Die gestiegene Kaufkraft belebt außerdem den Einzelhandel, so dass es sich zunehmend lohnt, Vertriebs- und Supermarktketten international aufzustellen. ShopRite aus Südafrika tut das. Im Einzelhandel ist es wichtig, örtliche Präferenzen und Vorlieben zu kennen. Die afrikanischen Firmen sind da nach meinem Eindruck näher dran als westliche multinationale Player wie etwa Carrefour oder Walmart.

Und weil es auf örtliche Präferenzen ankommt, wächst die Nachfrage nach in Afrika produzierten Konsumgütern und Lebensmitteln?
Genau. Die DEG finanziert und berät beispielsweise den kenianischen Safthersteller Kevian und hat dazu beigetragen, dass hochmoderne Abfüllanlagen aus Deutschland angeschafft wurden. Mit tropischen Fruchtsäften gibt es grundsätzlich auch Exportchancen nach Europa. Solche Möglichkeiten werden in Deutschland immer noch viel zu wenig gesehen, viele Unternehmen verbinden Afrika auch heute vor allem mit Problemen, sehen aber nicht die dynamische Entwicklung vieler Volkswirtschaften und damit verbundene Chancen. Andererseits zeigt aber auch die Tatsache, dass wir Kevian begleiten, wie groß der Bedarf an Finanzdienst- und Beratungsleistungen ist – und das erklärt auch, warum die Expansion afrikanischer Banken wichtig ist.

Kommen wir zur Telekommunikation. Celtel war ein frühes multinationales Unternehmen aus Subsahara-Afrika. Gründer Mo Ibrahim hat es geschafft, den Mobilfunk in vielen Ländern einzuführen, und die DEG war von Anfang an als Anteilseignerin mit dabei. Finden Sie es bedauerlich, das Celtel mittlerweile verkauft wurde und nun zum indischen Konzern bharti airtel gehört?
Nein, denn es zeigt, dass Afrika zunehmend auch für große ausländische Investoren interessant ist. Und für die Kunden ist das sogar vorteilhaft. bharti airtel verfolgt mit großem Geschick eine ausgeprägte Low-cost-Strategie und bietet Dienstleistungen entsprechend günstig an. Das ist wirtschafts- und gesellschaftspolitisch wichtig. Es geht ja darum, dass der Fortschritt möglichst viele Menschen erreicht, damit sich der Kontinent entwickelt. Dazu hat Mo Ibrahim mit der Gründung von Celtel erheblich beigetragen, und wir sind stolz darauf, ihn dabei unterstützt zu haben.

Aber braucht Afrika nicht eigene Großunternehmen, um Entwicklung zu gestalten und auf den Verlauf der Globalisierung Einfluss zu nehmen?
Ja, sicherlich, aber es gibt in der Telekommunikation auch weiterhin wichtige afrikanische Player. Ein Beispiel ist Safaricom in Kenia, das mit M-Pesa ein System eingeführt hat, das Geldüberweisungen per Mobiltelefon möglich macht, ohne dass man über ein Konto verfügen muss. Diese Innovation hat für ganz Afrika große Bedeutung und darf nicht unterschätzt werden. Gleichzeitig ist Safaricom ein Beispiel dafür, wie man mit angepasster Technologie sehr erfolgreich sein kann.

Sehen Sie aktuell eine Gründerpersönlichkeit vom Rang Mo Ibrahims?
Sehr eindrucksvoll ist Aliko Dangote aus Nigeria. Er hat als Zementhersteller angefangen und dann vielfältige Geschäfte in anderen Branchen aufgebaut. Seine Firmen sind heute in vielen afrikanischen Ländern präsent. Als Unternehmer hat er sicherlich das Potenzial, auch jenseits von Afrika bedeutend zu werden. Aber vielleicht will er das zunächst gar nicht, vielleicht erscheint es ihm klüger, die zahlreichen Chancen in Afrika weiter auszuschöpfen.

Um international relevant zu werden, muss ein Unternehmen erst einmal zu Hause wachsen. Dafür ist ein genügend großer Heimatmarkt nötig. Es ist ja kein Zufall, dass die Unternehmen, von denen wir reden, typischerweise aus Südafrika, Nigeria oder Kenia kommen. Viele afrikanische Länder sind aber recht klein und haben nur zehn oder 20 Millionen Einwohner. Ist die regionale Integration in Wirtschaftsgemeinschaften wie der ECOWAS, der East African Community (EAC) oder der Southern African Devel­opment Community (SADC) genügend weit fortgeschritten, um dieses Defizit auszugleichen?
Regionale Integration hilft sicherlich, aber es gibt diesbezüglich noch sehr viel zu tun. Bisher ist das Volumen des innerafrikanischen Handels noch recht gering. Für viele Volkswirtschaften ist der Überseehandel wichtiger als der Austausch mit Nachbarländern. Es fehlt unter anderem an grenzüberschreitender Infrastruktur und Logistik. Meistens gibt es beispielsweise keine Autobahnen zwischen den Hauptstädten zweier Nachbarländer. Auch die Eisenbahninfrastruktur lässt zu wünschen übrig. Aber es gibt Fortschritte. Zum Beispiel die Erneuerung der Eisenbahnlinie Dschibuti–Addis Abeba oder das Eisenbahnprojekt, das Kenia, Uganda, Ruanda und Burundi verbinden wird. Nötig ist auch der Ausbau von grenzüberschreitenden Stromversorgungsnetzen. Um große regionale Märkte zu schaffen, kommt es nun mal nicht nur auf Zollfreiheit an.

Aber große regionale Märkte würden dazu beitragen, Unternehmen so stark werden zu lassen, dass sie vielleicht auch einmal globale Bedeutung gewinnen?
Ja, genau. Afrika ist eine Schwerpunktregion für uns als Entwicklungsfinanzierer, wir halten es für sinnvoll, die Entstehung afrikanischer Champions in einzelnen Wirtschaftszweigen zu fördern. Wir tun das auf verschiedene Weise. Wir geben Unternehmen langfristige Darlehen, und wir beteiligen uns auch an ihrem Kapital. Darüber hinaus beraten wir die Unternehmen zu Themen wie etwa Corporate Governance – ein Bereich, der oft noch nicht auf internationalem Niveau ist. Das kann aber nur gelingen, wenn die Unternehmen selbst in diese Dinge investieren. Deshalb freut es uns, dass eine wachsende Zahl von Firmen eigenen Ehrgeiz zeigt und sich den Herausforderungen stellen will. Mit solchen Partnern können wir wirkungsvoll zusammenarbeiten und sie bei der erfolgreichen Entwicklung ihres Unternehmens begleiten.

 

Josef Boven ist Afrikaexperte bei der DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft, die KfW-Tochter, die den Privatsektor in Schwellen- und Entwicklungsländern fördert.
josef.boven@deginvest.de

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