Weltwirtschaftspolitik

Afrika muss handeln

Die führenden Politiker Afrikas haben einige Zeit gebraucht um einzusehen, dass die globale Finanzkrisen ihre Volkswirtschaften beeinträchtigt. Angesichts der realwirtschaftlichen Konsequenzen müssen Afrikas Regierungen Lösungen finden.


[ Von Mohamed Gueye ]

Westafrikanische Staats- und Regierungschefs machen sich zunehmend Sorgen, seit sie Folgen der globalen Finanzkrise im internationalen Rohstoffgeschäft spüren. Regierungen und Unternehmen äußern Bedenken zwar kaum öffentlich, doch die Zeit des Optimismus ist vorbei.

In der Elfenbeinküste, dem weltweit führenden Kakao-Herkunftsland, musste die Regierung 150 Millionen Euro für Subventionen ausgeben, weil der Marktpreis für Kakao unter den Festpreis gefallen war, der Produzenten garantiert wird. Senegals Finanzministerium ließ mitteilen, dass Heimatüberweisungen von Gastarbeitern in Europa und den USA um ein Drittel gesunken sind.

Senegal muss zudem die Verzögerung eines 2-Milliarden-Dollar-Projekts im Eisenerzabbau in Falémé verkraften: Der Weltkonzern Arcelor Mittal, Geschäftspartner der Regierung, steckt in Schwierigkeiten. Seit Vertragsabschluss ist der Eisenpreis um 40 Prozent gefallen. Mauretanien wird ähnlich leiden. Dort macht Eisen die Hälfte aller Exporterlöse aus.

Niger erwartet kaum mehr als 217 Millionen Dollar an Einnahmen von den 3100 Tonnen Uran, die dort dieses Jahr produziert werden. Voriges Jahr brachte dieselbe Menge die doppelte Summe.

Für die Mehrzahl der westafrikanischen Staaten, von denen viele auf der UNCTAD-Liste der am wenigsten entwickelten Länder stehen, besteht der einzige Trost im niedrigen Benzinpreis. Im Gegensatz zu vielen Nachbarn wünschen sich die Nigerianer aber, dass der Ölpreis wieder steigt. Die größte Ökonomie der Region hängt fast vollständig vom Ölexport ab. Der Handel mit Nigeria wiederum ist lebenswichtig für Nachbarstaaten wie Benin, Togo und Niger.

Sinkende Benzinpreise irritieren auch die Ghanaer. „Die kürzlich entdeckten Ölfelder vor der Küste hatten Hoffnungen geweckt“, sagt Wirtschaftsprofessor Yaw Akakpo aus Accra. Viele Menschen hätten erwartet, dass sich ihr eigenes Leben und das ganze Land grundlegend verbessern. „Es ist entmutigend, wenn der neue Reichtum schon an Wert verliert, bevor man ihn nutzen kann.“

Afrikas Politiker haben eine Weile gebraucht um einzusehen, dass der globale Börsenkollaps auch ihre Volkswirtschaften massiv beeinträchtigt. In der Tat sind afrikanische Banken kaum von den toxischen Wertanlagen betroffen, die großen Finanzinstituten in reichen Ländern Angst einjagen. Und obwohl viele Banken in Afrika zu Weltkonzernen gehören, ist das Finanzsystem bislang gut abgeschottet: Als Société Générale vor zwei Jahren in Frankreich mehr als 5 Milliarden Euro verlor, blieben die afrikanischen Ableger des Konzerns davon unbeeinträchtigt.

Die globale Finanzkrise erschüttert aber die Realwirtschaft. Afrikanische Staaten sind betroffen, ihre Regierungen müssen handeln. Die Arbeit hat schon begonnen.

Auf dem Gipfel der Afrikanischen Union (AU) im Februar in Addis Abeba haben die Staats- und Regierungschefs in einer Deklaration bekräftigt, dass Afrikas Interessen nicht vergessen werden dürfen, wenn weltweit die Regierungen auf die Finanzkrise reagieren. Afrikas Politiker fordern, auf dem nächsten G20-Gipfel im April in London repräsentiert zu werden. Nach seiner Rückkehr aus Addis sagte Senegals Außenminister Cheikh Tidiane Gadio, der Kontinent werde seinen eigenen Weg gehen und sich nicht an Gipfelbeschlüsse gebunden fühlen, wenn Afrika nicht an den Entscheidungen beteiligt würden.

Viele afrikanische Politiker waren schockiert, als der damalige US-Präsidenten George W. Bush nur Südafrika zum G20-Gipfel im November nach Washington einlud. Andere Staatschefs waren beleidigt und lehnten ab, dass ein einziges Land den Kontinent vertreten könne.

Entwicklungshilfe wird relevanter

Die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) ist die Institution Afrikas, die als einzige die Konsequenzen der Finanzkrise voll und ganz verstanden zu haben scheint. Seit Dezember hat sie Experten und Finanzminister zu zwei Treffen in die Zentrale nach Tunis geladen, um Lösungsvorschläge für die Krise zu entwickeln. Moustapha Kassé, ein Ex-Dekan der Wirtschaftsfakultät der Universität von Dakar, betonte dort, dass der Westen seine Hilfsversprechen einhalten müsse.

Tatsächlich wird die Bedeutung westlicher Hilfe immer größer, weil afrikanische Gastarbeiter in Europa und den USA ihre Jobs verlieren und deshalb weniger Geld überweisen. Jahrelang haben solche Überweisungen die Abhängigkeit von Entwicklungshilfe reduziert. Laut einer Studie des senegalesischen Finanzministeriums im vergangenen Jahr konnten 31 Prozent der Empfänger sich aus der Armut befreien. Senegal erhielt vor der Krise jährlich rund 1,1 Milliarden Euro an Überweisungen pro Jahr, aber nur 950 Millionen Euro Entwicklungshilfe.

Ein anderer Experte, Jean Claude Cabral, ist überzeugt, dass Afrika Infrastrukturprojekte vorantreiben muss, die die Länder des Erdteils miteinander verbinden. Sofern die Finanzierung steht, könnte die Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (NEPAD) solche Projekte koordinieren. Straßen, Brücken und andere Elemente werden dringend gebraucht. Eine Afrika-weite Infrastrukturinitiative hätte das Potential, neue, dauerhafte Arbeitsplätze zu schaffen.

Ein interessanter Vorschlag ist die „Große Grüne Mauer“, eine Vegetationsbarriere von Senegal bis Dschibuti quer durch unfruchtbare Landstriche von Nord-Mali, Niger, Tschad und Sudan. Dieses Projekt würde die Wüstenausdehnung eindämmen. Offiziellen Zahlen zufolge würden etwa 130 000 temporäre Jobs für junge Leute in den betroffenen Ländern entstehen.

Der globale Abwärtstrend trifft Westafrika in einem ungünstigen Moment. Die Wirtschaftsgemeinschaft der Westafrikanischen Staaten (ECOWAS) ist gerade dabei, mit der Europäischen Union (EU) ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) zu schließen. Einige Experten befürchten, dass dieses Handelsabkommen die Krise in den ärmsten Staaten der Region nur verschärfen wird, weil es zu einem erheblichen Verlust an Zolleinnahmen führen könnte.

Der senegalesische Volkswirtschaftler Moustapha Kassé glaubt, dass die afrikanischen Staaten nicht vom EPA profitieren werden, weil der Handel unter ihnen weniger wichtig ist als ihr Handel mit Europa. Ihm zufolge wird der Vertrag das Verramschen europäischer Güter in Afrika erleichtern, während afrikanische Firmen schon jetzt relativ freien Zugang zum europäischen Markt besitzen.

Die derzeitige Situation enthält eine bittere und ironische Lehre. Jahrzehntelang hatte man vom Westen gehört, dass Liberalisierung das Wirtschaftswachstum fördere, dass die Produktion nicht subventioniert werden dürfe und dass die Regierung ihre Hände von den Firmen lassen solle. Afrika sieht nun zu, wie der Westen sein Wirtschaftssystem zu retten versucht, indem er eben die Mittel anwendet, von denen er Afrika abriet. Wirtschaftsexperten in Afrika meinen jetzt, dass kein Land sich zur Lösung seiner Probleme auf ein anderes verlassen kann.

Westliche Staaten sind für die weltweite Krise verantwortlich, aber sie zuerst sich selbst retten wollen. Im Erfolgsfall können sie auch andere Länder mit nach oben ziehen. Die Afrikaner wären aber gern sicher, dass sie nicht für andere Volkswirtschaften geopfert werden. Also sollten sie schnell eigene Lösungen finden, meint El Hadj Ibrahima Sall, Wirtschaftswissenschaftler und früherer Planungsminister Senegals.

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