Editorial
Der richtige Weg
Wer Öl und Gas importiert, macht sich tendenziell von despotischen Regimen abhängig. Das hat System, denn zur Förderung dieser Rohstoffe sind nicht viele Menschen nötig. Wer mit damit reich werden will, braucht sich nicht um die Bedürfnisse der Bevölkerung zu kümmern. Potentaten, die ihre Kraft aus Energieexporten schöpfen, erheben dann gern auch jenseits ihrer Staatsgrenzen Machtansprüche – ob sie nun aus dem früheren sowjetischen Geheimdienst stammen oder aus der saudischen Königsfamilie.
Hohe Weltmarktpreise sind ein weiterer Anreiz, sich von Öl und Gas zu verabschieden. Zuletzt sind die Preise zwar gesunken. Sie lagen Mitte Oktober rund ein Viertel unter dem Juniniveau. Allerdings sind um die 85 Dollar pro Barrel im historischen Vergleich immer noch viel Geld.
Atomkraft ist keine Alternative. Sie braucht auf Dauer staatliche Subventionen, denn keine private Versicherung kann die Unfallrisiken abdecken, und kein Versorgungsunternehmen kann die Kosten der Abfallbeseitigung stemmen – für die es bis heute auch noch keine überzeugende technische Lösung gibt. Solche Kosten trägt der Steuerzahler. Dass sich Regierungen von Schwellenländern für Nukleartechnik interessieren, hat denn auch mehr mit militärischen als ökonomischen Kalkülen zu tun. Wer Atomkraftwerke baut, kann im Prinzip auch Atomwaffen herstellen.
Deutschland ist mit der Energiewende auf dem richtigen Weg. Die Menschheit muss sich besser früher als später auf erneuerbare Energiequellen stützen, und was langfristig unvermeidlich ist, nehmen kluge Leute auch schnell in Angriff. Um international Maßstäbe zu setzen, muss die Energiewende in Deutschland nun zügig vorankommen. Die aktuelle kleinkrämerische Bedenkenträgerei führt zu Verzettelung. Es würde die internationale Entwicklung zur Nachhaltigkeit beschleunigen, wenn die Bundesregierung die Energiewende mit mindestens derselben Entschlossenheit vorantreiben würde, mit der sie ihren Haushalt konsolidieren will.
Manche Skeptiker fordern hierzulande, klimapolitisch seien nun erst einmal die Schwellenländer am Zug. Richtig ist, dass auch dort etwas passieren muss. Allerdings liegen die deutschen CO2-Emissionen pro Kopf immer noch um mehr als ein Drittel über dem chinesischen Niveau und übertreffen das indische Niveau mehr als fünffach. Die deutsche Vision, auf fossile und nukleare Energie zu verzichten, ist vorbildlich. Der deutsche Alltag überzeugt weniger.
Vergessen werden darf derweil auch nicht, dass viele Haushalte in Entwicklungsländern von moderner Energieversorgung weiterhin ausgeschlossen sind. Die Nachfrage nach Feuerholz bleibt riesig – und sie treibt die Waldvernichtung an. Die Forderung des Rio-Gipfels 1992 war, Entwicklung und Umweltschutz zu verbinden. Auch sie verdient, ständig wiederholt zu werden.