Osterinsel

Das Lied der Heimat

Mahani Teave verlies mit neun Jahren ihre Heimat, die Osterinsel, weil sie eine Musikkarriere anstrebte. Mit 17 Jahren schloss sie ihr Musikstudium auf dem chilenischen Festland ab und setzte ihre Ausbildung in den USA und Deutschland fort. Sie wurde eine der herausragendsten lateinamerikanischen Pianistinnen ihrer Generation.
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Trotz allen Erfolgs fehlte ihr die Heimat. „Ich spürte das Gewicht der Insel“, erinnert sie sich. „Es gab dort keine Klaviere. Ich dachte: ‚Welche Zukunft haben die talentierten Kinder der Insel?‘“ Zwei Jahrzehnte nachdem sie die Insel verlassen hatte, folgte Teave ihrem Gefühl und kehrte 2012 nach „Rapa Nui“ zurück, wie die Osterinsel in der polynesischen Sprache der Ureinwohner heißt.

Mit Unterstützung von Spendern und Freunden eröffnete sie eine Musikschule, und nun gab es zum ersten Mal auf der Osterinsel Klaviere und Musikunterricht für Kinder. Mit der Rückkehr in die Heimat erfüllte sich ein Traum für die Musikerin, aber er bedeutete auch eine große kulturelle Veränderung. Nach Jahren auf dem internationalen Musikparkett kehrte sie an einen der isoliertesten bewohnten Orte der Erde zurück. Die Osterinsel mit ihren rund 7750 Einwohnern ist eine Vulkaninsel im Südpazifik, 3700 Kilometer westlich von Chile. Sie ist 5,5 Flugstunden von Santiago auf dem Festland entfernt.

Die Osterinsel ist vor allem für fast 900 monumentale Statuen bekannt, die „Moai“ genannt werden – in Stein gemeißelte, menschliche Figuren mit übergroßen Köpfen, die zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert geschaffen wurden. Seit 1995 ist der Großteil der Osterinsel als Nationalpark Rapa Nui Teil des UNESCO-Welterbes.

Die Insel, die 1888 von Chile annektiert wurde, lebt hauptsächlich vom Tourismus. Viele junge Menschen, denen es auf der Insel an Möglichkeiten mangelt, gehen auf das Festland. Infolgedessen kämpft die einheimische Kultur um ihr Überleben. Teave beschloss, trotzdem ihr Glück auf der Insel zu suchen. Sie hofft, dass ihre Musikschule es den rund 100 Schülern ermöglicht, ihre Talente zu entwickeln und gleichzeitig ihre eigene Kultur zu leben.

Die Leitung der Schule – die inzwischen zu einer Organisation geworden ist, die sich auch im Umweltschutz engagiert – erfordert Teaves volle Aufmerksamkeit. Für Konzerte und Reisen ins Ausland hat sie kaum mehr Zeit. Ein internationales Publikum hat sie aber dennoch: Teaves erstes Album „Rapa Nui Odyssey“, das dieses Jahr erschien, erreichte in den US-Billboard-Charts eine hohe Platzierung. Der Dokumentarfilm „Song of Rapa Nui“, der Teaves Geschichte erzählt, erhielt eine Emmy-Nominierung.

Alle Einnahmen aus dem Album und dem Dokumentarfilm gehen an die Musikschule, sagt die Pianistin. Obwohl sie die ganze Welt bereist hat, hat sie nie daran gezweifelt, dass die Osterinsel ihre wahre Heimat ist.


Javier A. Cisterna Figueroa ist ein chilenischer Journalist mit Sitz in Concepción.
cisternafigueroa@gmail.com

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