Cannabis
Legalisierung im Praxistest
2014 legalisierte das Parlament von Uruguay die Droge Cannabis. Es gibt seitdem drei legale Wege für den Erwerb und den Konsum: Man kann Cannabis in Apotheken kaufen – allerdings nur nach vorheriger Registrierung und nur uruguayische Staatsbürger –, man darf es für den Eigengebrauch selbst anpflanzen oder in speziellen Clubs konsumieren.
Cannabis kann vor allem in zwei Formen konsumiert werden, als gepresstes Harz (Haschisch) und als getrocknetes Kraut (Marihuana). Der psychoaktive Effekt hängt vom Wirkstoff ab, nämlich vom Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC). Der THC-Anteil variiert von etwa zwei bis 20 Prozent. Der Unterschied zwischen dem psychoaktiven und dem medizinischen Cannabis wird durch den prozentualen Anteil von THC festgelegt.
Seit der Legalisierung in Uruguay verliefen der Anbau für den Eigengebrauch und die Einrichtung der Cannabis-Clubs erfolgreich, aber der Verkauf durch Apotheken läuft nur langsam an. Der Grund liegt im Boykott großer internationaler Banken, die den beteiligten Apotheken in Uruguay Sanktionen androhten, falls sie Cannabis verkauften. Die Banken drohten zum Beispiel, die Konten der Apotheken zu schließen. Dies verlangsamte den Einstieg pharmazeutischer Ketten im Markt, was wiederum zu einem schwachen Verkaufsnetz im ganzen Land führte. Deswegen wächst der regulierte Markt für Cannabis nur langsam.
Außerdem verzögerten die Behörden die Umsetzung des Gesetzes. Erst seit Juli 2017 gibt es Marihuana in kleinen Päckchen zu fünf Gramm zu kaufen; die Kosten dafür liegen bei knapp über sechs Dollar. Jeder kann bis zu 40 Gramm im Monat kaufen.
Es gibt auch Fälle, dass Cannabis-Bauern im Landesinneren illegal durch die Polizei verfolgt wurden, obwohl sie sich gesetzeskonform verhalten hatten, was zum Teil auf falsche Anzeigen zurückzuführen war.
Im vergangenen Jahr führte die Regierung eine Kampagne der „Prävention und Sensibilisierung“ über den Gebrauch von Cannabis durch. Der Sekretär des nationalen Drogenausschusses, Diego Olivera, erklärte der Presse, dass die „Sensibilisierung notwendig und vom Gesetz vorgeschrieben“ sei.
Unternehmen und Kunden
Der Staat vergibt Lizenzen für den Anbau von Cannabis für verschiedene Zwecke, inklusive zur Nutzung als Freizeitdroge. Für diese sind zwei Unternehmen registriert: Simbiosys und International Cannabis Corporation. Die Firma Fotmer S.A. erwarb die Lizenz zur Produktion von zehn Tonnen Cannabis pro Jahr zu wissenschaftlichen Zwecken. Medicplast S.A. hat eine Lizenz für medizinisches Cannabis und registrierte weitere zehn Unternehmen für die Produktion von Hanf.
Die Firmen für medizinisches Cannabis haben einen Verband gegründet, die „Cámara de empresas de cannabis medicinal“ (CECAM), mit mehr als 10 Organisationen und Projekten mit Investitionen von insgesamt rund 100 Millionen Dollar.
Laut der uruguayischen Regulationsbehörde IRCCA (Institute for Regulation and Control of Cannabis) wurden Ende Oktober 2018 folgende Zahlen registriert: 29 386 Käufer (in den Apotheken registriert), 6863 Cannabis-Pflanzer, 109 Clubs und 17 Apotheken (von insgesamt landesweit 1100), die psychoaktives Cannabis verkaufen. Seit Einführung des Cannabis-Verkaufs in Apotheken im Jahr 2017 wurden bis September 2018 landesweit 1200 Kilogramm psychoaktives Cannabis verkauft.
Laut der wissenschaftlichen Plattform Monitor Cannabis ist die tatsächliche Nachfrage in Uruguay aber viel höher, und der nationale Drogenausschuss schätzt, dass im Land über 160 000 Menschen Marihuana konsumieren. Das heißt, der legale Marktanteil beträgt nur 20 Prozent, der Rest stammt aus illegaler Produktion. Diego Olivera vom nationalen Drogenausschuss kommentiert diese Zahlen folgendermaßen: „Die Zahlen sind gut für eine erste Etappe, sie reichen aber nicht aus, wenn wir uns die gesamte Nachfrage anschauen.“
Die IRCCA veröffentlichte weitere Zahlen zu den in den Apotheken registrierten Cannabis-Käufern: 49 Prozent sind zwischen 18 und 29 Jahre alt, 34 Prozent sind zwischen 30 und 44 Jahre alt, und 17 Prozent sind älter als 45 Jahre. 70 Prozent der Cannabis-Käufer sind männlich, und 35 Prozent haben einen Hochschulabschluss. Von den Menschen, die Cannabis für den Eigengebrauch anpflanzen, leben rund 70 Prozent im Landesinneren und der Rest in der Hauptstadt Montevideo.
Sicht der Drogennutzer
Hernán lebt in Montevideo und konsumiert seit Jahren Cannabis zum Vergnügen, schon zu der Zeit, als es noch illegal war. Seit der Legalisierung ist es „einfacher geworden, Marihuana zu rauchen“, erzählt er. „Früher musstest du immer aufpassen, dass die Polizei dich nicht erwischt.“ Jetzt sei es viel entspannter, meint Hernán, und man komme viel leichter dran. „Nur die langen Schlangen in den Apotheken nerven etwas. Es gibt einfach zu wenige Apotheken, die Marihuana verkaufen. Aber man kann es auch per WhatsApp oder online vorbestellen.“
Allerdings meinen viele Konsumenten, dass das Marihuana aus der Apotheke „nicht besonders“ sei. Sie rauchen lieber in den Cannabis-Clubs vor Ort, wo die Qualität der Ware viel besser sei. Der Gedanke, dass jetzt der Staat nicht nur den Verkauf, sondern auch die Qualität und Potenz des angebotenen Marihuanas regelt, ist für viele Drogenkonsumenten sehr seltsam: „Wir bekommen nicht das beste Marihuana der Welt angeboten, obwohl das möglich wäre“, sagt Hernán. „Der Staat hält den Daumen drauf, wie viel THC das Zeug enthält, das man in der Apotheke kaufen kann. Aber trotzdem ist besser als früher.“
Die Regierung des Bündnisses Frente Amplio, die die Legalisierung beschlossen hatte, überlegt bereits, wie sie das Thema für die nächste Wahlkampagne nutzen kann – etwa zur Modifizierung der bestehenden Regelungen. Nach wie vor besteht eine Unterversorgung vieler Regionen des Landes, weil zu wenige Apotheken Marihuana verkaufen. Ein weiteres Problem bleibt der Boykott der Banken. All dies führt dazu, dass der legale Markt nicht zügig ausgebaut werden kann. Diego Ferrer vom Parteienbündnis Frente Amplio meint: „Eines der Ziele dieses Gesetzes war, dass die Konsumenten sich ihr Marihuana nicht mehr illegal besorgen müssen. Dieses Ziel haben wir leider nicht erreicht.“
Von der Bevölkerung wird die Legalisierung akzeptiert und gut angenommen. Nachteile hat sie nicht gebracht, sondern für Konsumenten, Cannabis-Bauern und Apotheken nur Vorteile.
Sebastián Artigas ist Doktorand der Philosophie und Psychologie an der Universidad de la República in Montevideo, Uruguay.
seba.hombrepensativo@gmail.com