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Kabinett Bolsonaro

Umstrittene Personalie

Die Entscheidung des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, den Richter Sérgio Moro zum Justizminister zu ernennen, ist höchst umstritten. Ihm wird eine Politisierung der Justiz vorgeworfen. Denn Moro sorgte dafür, dass der wichtigste politische Gegner Bolsonaros, Lula da Silva, nicht zur Wahl antreten konnte.
Vom Richter zum Minister: Sérgio Moro. picture-alliance/ZUMA Press Vom Richter zum Minister: Sérgio Moro.

Moros Ermittlungen führten Anfang April zur Inhaftierung des ehemaligen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva. Er wurde beschuldigt, den Besitz einer Wohnung nicht deklariert zu haben, und wurde dafür von dem Richter aus Curitiba wegen Korruption und Geldwäsche zu zwölf Jahren Haft verurteilt – ein Witz angesichts anderer brasilianischer Politiker, die wesentlich gravierendere Straftaten begangen haben und bisher unbescholten blieben.

Obwohl alle Prognosen auf seinen Sieg hindeuteten, konnte Lula bei der Präsidentenwahl im Oktober dieses Jahres nicht antreten, da er im Gefängnis saß. Die Entscheidung Moros verhalf also Bolsonaro zumindest indirekt zum Sieg. Moro wurde für den Teil der Bevölkerung, der der Arbeiterpartei von Lula seit den Protesten 2013 die Schuld für alles Übel gibt, zu einer Art Superheld und Symbol der Korruptionsbekämpfung in Brasilien.

Die Haltung des neuen „Superministers“ Moro war bisher voller Widersprüche und alles andere als ehrenhaft und neutral für sein Amt als Richter. Während seiner Zeit in Curitiba pflegte er zu sagen, dass er nicht beabsichtige, Politiker zu werden. Jetzt tritt er in eine Regierung ein, dessen wichtigsten Oppositionspolitiker er verurteilt hat. Diese Entscheidung stellt die Legitimität der Ermittlungen von „Operation Lava Jato“ in Frage, die unter anderen zur Verhaftung von Lula geführt hat.

Der Nationale Justizrat (CNJ) – zu dessen Aufgaben es gehört, die Unabhängigkeit des Justizsystems zu gewährleisten und Disziplinarverfahren gegen Mitglieder der Justiz durchzuführen – hat Moro Anfang November gebeten, seine vermeintlichen parteipolitischen Aktivitäten zu erklären, während er noch Richter war. Er bestritt jegliches Fehlverhalten und erklärte, seine Ernennung zum Minister habe keinen Bezug zur Anklage Lulas.

Moro behauptete, er wäre von der Einladung, Justizminister zu werden, „überrascht“ gewesen. Heute weiß man jedoch, dass Moro noch während des Wahlkampfs von Bolsonaros jetzigem Finanzminister Paulo Guedes kontaktiert wurde.

Und das war nicht alles, womit man Moro politische Einflussnahme unterstellen könnte: Während der Anti-Korruptions-Ermittlungen von Lava Jato gab er bekannt, dass der ehemalige Präsident Lula da Silva am Telefon abgehört worden sei, einschließlich eines Gesprächs mit der damaligen Präsidentin Dilma Rousseff. Dass Lula abgehört wurde, war nicht völlig überraschend, aber das Brisante war der Zeitpunkt der Veröffentlichungen. Es passierte kurz vor Lulas Ernennung zum Minister, was Moro verhindern wollte.

Gegenüber dem Bundesverfassungsgericht (STF) entschuldigte sich Moro für die verursachte „Kontroverse“ und versicherte, dass der Bruch der Geheimhaltung des Telefonabhörens nicht das Ziel hatte, „parteipolitische Fakten, Polemik oder Konflikte zu erzeugen“.

Während einer Konferenz in Harvard sagte Moro 2017, dass Schwarzkassen in Wahlen Betrug seien und „ein Verbrechen gegen die Demokratie“. In der Regierung Bolsonaro hat Stabschef Onyx Lorenzoni zugegeben, Gelder von Schwarzkassen für seinen Wahlkampf genutzt zu haben. Die ersten Untersuchungen wurden schon gegen ihn eingeleitet. Auf die Frage, wie er an einer Regierung teilnehmen könne, in der ein Minister von Schwarzgeldkassen profitiert hat, antwortete Moro: „Er hat es bereits zugegeben und sich entschuldigt.“ Dem ehemaligen Richter Moro reicht in diesem Fall offenbar eine Entschuldigung für den Freispruch von einer Straftat aus.

Damit Jair Bolsonaro seine rechtsorientierte politische Agenda durchsetzen kann, ist er nicht nur auf einen sehr fragmentierten Kongress, sondern auch auf den Beistand des Bundesverfassungsgerichts angewiesen. So ist es gut möglich, dass Moro 2020 oder 2021 zum obersten brasilianischen Gericht berufen wird, nachdem die Pensionierung zweier Verfassungsrichter ansteht. Nach dieser Perspektive gefragt, antwortete Moro, es sei „eine Möglichkeit für die Zukunft“. Laut Experten würde eine sofortige Ernennung Moros als Bundesverfassungsrichter ein Unbehagen in Brasília verursachen, da er bis dato nur als Richter erster Instanz gearbeitet hat. „Es ist, als würde man einen Soldaten einsetzen, um die Generäle zu befehligen“, zitierte die Zeitung Folha de São Paulo einen Amtsrichter.

Es kann aber auch sein, dass der ehemalige Richter noch andere Ambitionen hat und auf die Nachfolge Bolsonaros spekuliert, auch wenn er bereits bestritten hat, dass er 2022 als Präsident kandidieren will. Seine jetzige Rolle in der Regierung sieht er nach eigenen Worten eher technisch, als politisch. Doch das glaubt die liberalere Öffentlichkeit nach seiner Vorgeschichte nicht mehr.

Sicherheitsexperten sind der Meinung, dass das von Moro ausgewählte Team zwar über Erfahrung im Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität verfügt, aber kaum über andere wichtige Themen, wie die Bekämpfung von Morden und Raubüberfällen. Moro kann die Verantwortung nun nicht mehr der Arbeiterpartei in die Schuhe schieben, sondern wird sich an seinen Taten messen lassen müssen.


Carlos Albuquerque arbeitet für das Brasilien-Programm der Deutschen Welle in Bonn. Dieser Beitrag wurde Mitte Dezember, vor Amtsantritt Bolsonaros am 1. Januar 2019, fertiggestellt.
carlos.albuquerque@gmx.de