Regionale Integration

Afrikanische Spaghetti­schüssel

In Afrika gibt es acht regionale Wirtschaftsgemeinschaften (regional economic communities – RECs); dennoch lässt die regionale Integration deutlich zu wünschen übrig. Beispielsweise ist die Privatwirtschaft vielerorts noch zu wenig eingebunden.
Regionale Integration versus Wettbewerb auf dem Weltmarkt: Zwei von Tansanias verbreitetsten Biermarken (Serengeti und Tusker) gehören zur kenianischen Firma EABL, und zwei weitere (Kilimanjaro und Safari) gehören zum Global Player SAB Miller. Alle werden in der East African Community produziert. Fabian von Poser/Lineair Regionale Integration versus Wettbewerb auf dem Weltmarkt: Zwei von Tansanias verbreitetsten Biermarken (Serengeti und Tusker) gehören zur kenianischen Firma EABL, und zwei weitere (Kilimanjaro und Safari) gehören zum Global Player SAB Miller. Alle werden in der East African Community produziert.

Regionale Integration lässt sich grob als Kooperation von Staaten einer begrenzten geografischen Region in wirtschaftlichen, sozialen und anderen Belangen definieren. Das international bekannteste Beispiel ist die Europäische Union. Der Leitgedanke besteht darin, dass Integration für alle Beteiligten zu größeren Märkten führt und damit zu besseren Absatzmöglichkeiten und mehr Wettbewerb, der die Leistungsfähigkeit steigert.

In Afrika gilt regionale Integration als besonders wichtig. Afrikanische Länder haben zumeist relativ wenige Einwohner, so dass die heimischen Märkte eher klein sind. Außerdem haben viele Staaten keinen Zugang zum Meer, was den Überseehandel sehr teuer macht. Auch die gemeinsame Infrastruktur ist unzureichend.

Der Prozess der regionalen Integration in Afrika begann in der Zeit nach der Unabhängigkeit, als Staatschefs nach neuen Wegen suchten, den Kontinent zu vereinen. Heute gibt es acht regionale Wirtschaftsgemeinschaften in Afrika – jedoch mit enttäuschenden Ergebnissen. Die meisten afrikanischen Volkswirtschaften hängen immer noch vom Rohstoffexport ab und haben riesige informelle Sektoren. Bislang hat die regionale Integration noch nicht die Modernisierung und Diversifizierung gebracht, die nötig wäre, um den Handel untereinander anzukurbeln und formale Beschäftigung in verschiedenen Branchen zu erzielen.

Ruanda gehört zu den wirtschaftlichen Aufsteigern des Kontinents. Da das Land keinen Zugang zum Meer hat, klein und auch nicht übermäßig mit natürlichen Ressourcen gesegnet ist, liegt nahe, dass es in besonderem Maße von regionaler Integration profitiert. Der unübersehbare Fortschritt Ruandas beruht jedoch bislang vor allem auf einer Verbesserung des nationalen Investitionsklimas (siehe John Wesley Kabango, E+Z/D+C 2014/12, S. 454 f.) – obwohl es Mitglied im Common Market of Eastern and Southern Africa (COMESA), der East African Community (EAC) und der Economic Community of Central African States (ECCAS) ist.

Die Vielzahl der RECs, die sich zum Teil geografisch überschneiden, ist problematisch, da jede Gemeinschaft ihre eigenen Ziele verfolgt. Aus den unterschiedlichen, sich überkreuzenden Regeln und Bestimmungen entsteht der sogenannte Spaghettischüssel-Effekt. Abhilfe soll die Tripartite Free Trade Area (TFTA) schaffen, die drei RECs unter einem Dach vereint: EAC und COMESA, denen Ruanda angehört, und die Southern African Development Community (SADC). Es ist allerdings noch zu früh, um die Auswirkung der TFTA auf intraregionale Handelsströme zu bewerten.

 

Frustrierende Erfahrungen

Noch schwerer als die spaghettischüsselartigen Verwicklungen der Regeln wiegt ihre Nichtbeachtung. Laut dem African Regional Integration Index der Afrikanischen Entwicklungsbank (African Development Bank – AfDB) hält Ruanda die Regeln der RECs verhältnismäßig gut ein. Innerhalb von COMESA schneidet das Land in den Bereichen Handelsintegration, freier Personenverkehr und finanzielle und makroökonomische Integration überdurchschnittlich gut ab. In der ECCAS liegt Ruanda bei der Integration von Produktion und Handel weit vorne. Und in der EAC gehört es zu den Ländern, die freien Personenverkehr und finanzielle und makroökonomische Integration ermöglicht haben (AfDB 2016). Nur Tansania und der Südsudan müssen noch ihre Gesetze ändern, die den freien Personenverkehr behindern.

Andere Länder befolgen die Regeln jedoch weitaus weniger und unterminieren damit die positiven Effekte der regionalen Integration. Beispielsweise muss für eine erfolgreiche Handelsintegration der freie Warenverkehr gewährleistet sein. Zölle und andere Abgaben, die den intraregionalen Handel beeinflussen, müssen abgeschafft werden. Das Gleiche gilt für nichttarifäre Handelshemmnisse. Auf der anderen Seite muss eine Wirtschaftsgemeinschaft gemeinsame Außenzölle erheben.

Alle EAC-Mitglieder außer Ruanda erheben jedoch Steuern und Abgaben, die praktisch den Gleichen Effekt haben wie Zölle (World Bank/East African Community Secretariat 2014). Zudem leidet die Leistungsfähigkeit der EAC darunter, dass Uganda und Tansania die Bearbeitung von Zolldokumenten verschleppen. In anderen afrikanischen Wirtschaftsgemeinschaften gibt es ähnliche Probleme.

Um von regionaler Integration zu profitieren, sollte Ruanda seine derzeitige Strategie, das Exportvolumen zu steigern, ändern und mehr auf die Wettbewerbsvorteile seines Privatsektors setzen. Zwischen 2010 und 2015 verzeichnete das Land ein Handelsdefizit gegenüber anderen EAC-Mitgliedern, die mehr Einwohner, mehr natürliche Ressourcen und einen besseren Zugang zum Meer haben. Nur Burundi, das Ruanda in vielen Bereichen ähnelt, schnitt noch schlechter ab. Im Gegensatz zu Ruanda mangelt es in Burundi an kompetenter wirtschaftspolitischer Steuerung.

 

Infrastruktur verbessern

Ob sich die Mitgliedschaft in RECs auszahlt, bleibt abzuwarten. Bisher hat sich der starke Fokus auf den Export aufgrund hoher Handelskosten und der Konkurrenz anderer EAC-Länder für Ruanda als unprofitabel erwiesen (de Melo and Collinson 2011). Spezialisierung ist unabdingbar, und auch die regionale Infrastruktur muss verbessert werden.

Ruanda hat bereits erfolgreiche Anstrengungen unternommen, um das Land in ein Zentrum für Informations- und Kommunikationstechnologie zu verwandeln. Lokale Unternehmen aus dem Bereich sind wettbewerbsfähig und bieten ihre Dienstleistungen auch in Nachbarländern an.

Laufende Projekte wie der East-African-Railway-Masterplan müssen zum Abschluss kommen, um die Region voranzubringen und die Geschäftsnetzwerke zu verbessern. Auch das Straßennetz innerhalb Ruandas sollte ausgebaut werden – denn je besser der Transport im eigenen Land funktioniert, desto leichter fällt auch der Handel mit den Nachbarländern.

Die neuen Marktchancen, die die jüngst gegründete TFTA bietet, sollte Ruanda nutzen, um die Produktion in den Bereichen Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistung anzukurbeln – mit besonderem Augenmerk auf Privatunternehmen. Dabei muss sich erst zeigen, ob die TFTA tatsächlich Verbesserungen bringt. Lufuke und Kamau (2015) haben am Beispiel von Tansania untersucht, ob sich die Größe einer REC auf die Handelsvolumen auswirkt. Das Ergebnis: Kleine RECs sind besser, da sie nicht nur Handel erleichtern, sondern beispielsweise auch den freien Personenverkehr. Die TFTA ist jedoch eine riesige REC.

Ein weiteres – überraschendes – Ergebnis der Untersuchung von Lufuke und Kamau besteht darin, dass es für die regionale Integration nicht wichtig ist, ob ein Land Zugang zum Meer hat. Das liegt daran, dass Seetransport im innerafrikanischen Handel keine große Rolle spielt.

 

Alfred R. Bizoza ist Forschungsdirektor am Institute of Policy Analysis and Research-Rwanda (IPAR-Rwanda) und Aufsichtsratsmitglied der National Bank of Rwanda (BNR).
a.bizoza@ipar-rwanda.org

Eugenia Kayitesi ist Geschäftsführerin von IPAR-Rwanda und Aufsichtsratsmitglied im National Capacity Building Secretariat (NCBS).
e.kayitesi@ipar-rwanda.org

Kacana Sipangule ist PEGNet-Koordinatorin und Doktorandin für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Göttingen. Sie arbeitet außerdem am Institut für Weltwirtschaft in Kiel.
kacana.sipangule@ifw-kiel.de


Quellen

Africa Regional Integration Index Report 2016:
http://www.afdb.org/fileadmin/uploads/afdb/Documents/Generic-Documents/ARII-Report2016_EN_web.pdf

Lufuke , E. M., und Kamau, L. M., 2015: The Impact of size of the regional economic blocs to the country’s flow of trade: evidence from COMESA, EAC and Tanzania. World Academy of Science, Engineering and Technology. Journal of Social, Behavioural, Educational, Economic, Business and Industrial Engineering, 9 (8): 2880-2885.

MINECOFIN, 2013: Economic Development and Poverty Reduction Strategy (EDPRS2). Ministry of Finance and Economic Planning, Kigali, Rwanda.
http://www.rdb.rw/uploads/tx_sbdownloader/EDPRS_2_Main_Document.pdf

Tuffour, J-A., Balchin, N., Calabrese, L., und Mendez-Parra, M., 2016: Trade facilitation and economic transformation in Africa. The 2016 African Transformation Forum in Kigali 14-15 March 2016.
http://set.odi.org/wp-content/uploads/2016/03/SET-ACET-ATF-Trade-Facilitation-Paper.pdf

World Bank, 2014: East African common market score card 2014. Tracking EAC compliance in the movement of capital, services and goods. Arusha, Tanzania: World Bank and the East African Community Secretariat.
https://www.wbginvestmentclimate.org/publications/upload/East-African-Common-Market-Scorecard-2014.pdf

de Melo, J., and Collinson, L., 2011: Getting the best out of regional integration: some thoughts for Rwanda. International Growth Centre (IGC) Working Paper.
http://www.theigc.org/wp-content/uploads/2014/09/De-Melo-Et-Al-2011-Working-Paper.pdf