Wir möchten unsere digitalen Angebote noch besser auf Sie ausrichten.
Bitte helfen Sie uns dabei und nehmen Sie an unserer anonymisierten Onlineumfrage teil.

Russlandsanktionen

Zeitenwende in der Sanktionspolitik

Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar 2022 haben USA, EU und ihre Verbündete beispiellose Sanktionen gegen Russland verhängt.
Russland soll für die Kosten des Ukrainekriegs zahlen. Banner anlässlich einer Solidaritätskundgebung mit der Ukraine im Februar in Krakau, Polen. picture-alliance/NurPhoto/Beata Zawrzel Russland soll für die Kosten des Ukrainekriegs zahlen. Banner anlässlich einer Solidaritätskundgebung mit der Ukraine im Februar in Krakau, Polen.

Sie markierten eine Zeitenwende in der Anwendung internationaler Zwangsmittel, schreibt der Politikwissenschaftler Christian von Soest in seinem Buch „Sanktionen“. Die Zwangsmaßnahmen ergänzten bereits bestehende Sanktionen, die seit 2014 aufgrund der Annexion der Krim und der Nicht­umsetzung der Minsker Vereinbarungen gegen Russland verhängt wurden. Inhaltlich sind sie ein Mix von Maßnahmen, darunter

  • das Einfrieren russischer Auslandsreserven,
  • der Ausschluss russischer Banken aus dem SWIFT-System,
  • diverse Handelsbeschränkungen und -verbote,
  • das Sendeverbot zahlreicher russischer Auslands- und Propagandamedien sowie
  • Individualsanktionen wie das Einfrieren von Vermögen oder Reisebeschränkungen.

Alles, was eine moderne Industrie brauche, unterliege westlichen Strafmaßnahmen, analysiert von Soest. Allerdings ginge dies mit erheblichen Kosten für die Europäer*innen einher. Das rohstoffreiche Russland habe zudem viele Möglichkeiten, die Sanktionen zu umgehen – unter anderem, weil längst nicht alle Länder mitmachten. So stoppte die EU zwar bereits 2022 90 Prozent ihrer Erdöl-Einfuhren aus Russland, doch fließt russisches Öl weiterhin beispielsweise nach Indien, wo es raffiniert wird und dann auf legalem Weg in die EU gelangt.

Mikrochips erreichen Russland

EU-Exporte in Nachbarländer Russlands wie Kasachstan, Armenien oder Kirgistan seien seit Beginn der Sanktionen massiv gestiegen, analysiert von Soest. Grund für den höheren Güterbedarf dieser Länder sei ihre Zollunion mit Russland: Was in diese Länder gehe, könne unkontrolliert nach Russland exportiert werden. So würden Waschmaschinen in Kasachstan ausgeschlachtet und einzelne Mikrochips, die auf der Sanktionsliste stehen, nach Russland geliefert. Russland gelange so an elektronische Bauteile, die es für die Fertigung von Präzisionswaffen benötige, aber selbst nicht herstellen kann.

Die massiven westlichen Zwangsmittel hätten Russland nicht zum erhofften Kurswechsel bewegen können, sie wirkten aber mittel- bis langfristig, meint von Soest. Sie erschwerten den Zugang zum Finanzmarkt, beschädigten die russische Wirtschaft langfristig und verringerten so die Möglichkeiten, den Angriffskrieg weiterzuführen. Auch die Individualsanktionen erhöhten den Druck auf das russische Regime. Insgesamt, so von Soest, setzten die Sanktionsmächte ein international sichtbares Signal für zentrale Normen des Völkerrechts wie territoriale Integrität und staatliche Souveränität. 

Buch
Von Soest, C., 2023: Sanktionen. Mächtige Waffe oder hilfloses Manöver? Frankfurt, Frankfurter Allgemeine Buch.

Dagmar Wolf ist Redaktionsassistentin bei E+Z/D+C.
euz.editor@dandc.eu

Relevante Artikel