Geschlechterrechte

Pakistans politisch selbstbewusste Frauen

Im Zuge der weltweiten MeToo-Bewegung hat sich in Pakistan eine neue Welle feministischer Politik formiert. Sie macht das Recht von Frauen und queeren Menschen geltend, sich im öffentlichen Raum ohne Angst vor Belästigung und Gewalt zu bewegen.
Teilnehmerin an einem Frauenmarsch in Islamabad 2019. picture-alliance/AP Photo/B.K. Bangash Teilnehmerin an einem Frauenmarsch in Islamabad 2019.

Jedes Jahr am 8. März, dem Internationalen Frauentag, findet in vielen Städten der ­Aurat-Marsch („Frauenmarsch“) statt. Im Mittelpunkt steht der Kampf von Frauen gegen das Patriarchat – in ihrem Alltag zu Hause, in der Familie und in der Gesellschaft.

Junge Feminist*innen fordern, die ihrer Meinung nach falsche Trennung zwischen öffentlicher und privater Sphäre aufzuheben. Sie rücken bisher tabuisierte Themen wie Sexualität und Körperlichkeit in die öffentliche Wahrnehmung. Ein zentraler Slogan des Frauenmarschs lautet „mera jism meri marzi“ („Mein Körper, meine Entscheidung“). Er verweist auf den allgegenwärtigen körperlichen Missbrauch und die sexuelle Gewalt gegen Frauen, bekräftigt aber auch die körperliche und sexuelle Autonomie von Frauen und anderen diskriminierten Gruppen.

Für frühere Generationen waren solch uneingeschränkte Bekenntnisse zum Feminismus undenkbar. Viele Menschen finden Slogans des Frauenmarschs skandalös, etwa „khana khud garam kar lo“ („Wärm dir dein Essen selbst auf“), „mein tumhari izzat nahi hoon“ („Ich bin nicht deine Ehre“), „tou karay tou stud, mein karoon tau slut“ („Wenn du es tust, bist du ein Hengst, wenn ich es tue, bin ich eine Schlampe“) und „meri shadi ki nahi, pehlay meri taaleem ki fikar karo“ („Kümmer dich um meine Bildung, nicht um die Ehe“).

Parallel zum Beginn des Aurat-Marschs konnten Pakistans indigene und stark stigmatisierte Transgenderpersonen, die sogenannten Hijras, 2018 die wichtige Forderung durchsetzen, sich als „drittes Geschlecht“ zu identifizieren. Sie sind geschlechtlich vielfältig und umfassen Trans- und Intersexpersonen sowie Eunuchen. Ihre Unterdrückung hat eine lange Geschichte, die in Südasien auf diskriminierende Kolonialgesetze aus dem späten 19. Jahrhundert zurückgeht. Homo- und transphobe Gewalt ist nach wie vor weit verbreitet, aber die Reformen von 2018 haben Hijras zumindest rechtlichen Schutz und sozioökonomische Rechte gewährt.

Wie in vielen anderen Teilen der Welt trifft der Einsatz für Geschlechterrechte auf den Widerstand von Staat und Gesellschaft. In Pakistan sind es nicht nur rechtsgerichtete Gruppen, sondern – noch beunruhigender – auch staatliche Institutionen, die sich dagegenstellen. Erst vergangenes Jahr hob beispielsweise das islamische Schariagericht eine Reihe von Bestimmungen zugunsten der Hijras im neuen Gesetz auf – mit der Begründung, es verstoße gegen islamische Vorgaben. Diese marginalisierte Gruppe ist dadurch noch stärker von Verfolgung bedroht. Ironischerweise hatte ein progressives Urteil des Obersten Gerichtshofs den Weg für die Reform von 2018 geebnet.

Die Bewegung des Frauenmarschs gerät jedes Jahr in einen Sog von Kritik, Drohungen und Onlinebelästigungen, erhält aber bisher keinen ernsthaften staatlichen Schutz. Ermutigend sind die enorme Ausdauer und Beharrlichkeit, mit der die Frauen und diskriminierten Minderheiten in Pakistan ihren Kampf fortsetzen. Diese Art des Beharrens auf Grundrechten ist genau das, was das Land braucht. 

Maryam S. Khan ist Wissenschaftlerin am Institute of Development and Economic Alternatives (IDEAS) in Lahore, Pakistan. Sie hat vor Kurzem an der Universität von Wisconsin, USA, ihre Doktorarbeit in Rechtswissenschaften über die Geschichte der pakistanischen Verfassung abgeschlossen.
maryam.khan@ideaspak.org

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