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Jugendproteste

Warum Kenias Jugend auf die Straße geht

In den letzten Wochen ist es in den großen Städten Kenias zu massiven Protesten gekommen, die durch die Unzufriedenheit über das Finanzgesetz 2024 ausgelöst wurden. Die Menschen auf der Straße sind fast ausschließlich junge Menschen, die eine politische Bewegung bilden, wie sie das Land noch nie gesehen hat. Präsident William Ruto hat das Gesetz inzwischen zurückgezogen, aber die Jugendlichen haben nicht die Absicht, aufzuhören, und fordern weitreichendere Reformen – vorzugsweise eine neue Regierung.
Präsident Ruto erklärte sich bereit, online mit der Jugend zu sprechen. picture-alliance/ZUMAPRESS.com/James Wakibia Präsident Ruto erklärte sich bereit, online mit der Jugend zu sprechen.

Der Gesetzentwurf sollte die Steuern auf Alltagsprodukte wie Damenbinden, digitale Transaktionen, mobile Daten, Brot und Speiseöl deutlich erhöhen. Millionen von Kenianer*innen leben in Armut und wären davon besonders betroffen.

Zunächst äußerten junge Menschen ihren Unmut online vor allem auf Plattformen wie WhatsApp, X, TikTok und Instagram. Ende Juni gingen sie dann erstmals auf die Straßen. Die Proteste wuchsen schnell. Nachdem sich Tränengas und Wasserwerfer als unwirksam gegen die zunächst friedliche Menge erwiesen hatten, schoss die Polizei am 25. Juni in der Innenstadt von Nairobi mit scharfer Munition. Tausende Demonstrierende stürmten daraufhin das Parlamentsgebäude und setzten es teilweise in Brand. Mindestens 50 Menschen starben seither im darauffolgenden Chaos und bei weiteren Demonstrationen, Hunderte wurden verletzt.

Aufstieg der „Hustler-Nation“

Präsident Ruto hat schließlich den Forderungen nachgegeben und die geplanten Steuererhöhungen gestoppt. Doch die Demonstrierenden, überwiegend Millennials und aus der Generation Z, geben sich damit nicht zufrieden. Sie fordern weitreichende Reformen, darunter massive Kürzungen der Staatsausgaben, der Gehälter von Politiker*innen – und den Rücktritt von Ruto und seiner Regierung. Und tatsächlich löste Ruto zur Überraschung vieler Mitte Juli sein Kabinett auf.

Das Land ist in Aufruhr. Die Mehrheit in Kenia ist jung, das Durchschnittsalter liegt bei 19 Jahren. Ruto sammelte in den letzten Wahlen Stimmen, indem er während seines Wahlkampfs Kenia als „Hustler-Nation“ junger, fleißiger Menschen beschwor und Arbeit versprach. Doch die versprochenen Jobs blieben aus, die Wirtschaft steckt wegen hoher Schulden und Inflation in einer nicht endenden Krise – und die Jugend fühlt sich betrogen und ist wütend.

Mit den Demonstrationen erobert sich die Jugend nun ein Stück Handlungsmacht zurück. Dennis Ndolo, ein Fußballschiedsrichter in den Mittzwanzigern, bezeichnet die Proteste als Highlight, an das er sich lange erinnern werde. Seiner Meinung nach ist es wichtig, dass die Jugend zusammenhält. „Es gibt keine Führung, niemanden aus der Politik oder sonst jemanden, der den Weg weist. Und zum ersten Mal spielt bei einer Bewegung in Kenia die ethnische Herkunft keine Rolle“, sagt er. „Wir marschieren als Kenianer*innen.“

Die Bewegung hat sich dafür entschieden, keine Führungspersönlichkeiten zu entsenden, um mit der Regierung zu sprechen, nachdem der Präsident sie dazu aufgefordert hatte. So soll verhindert werden, dass Einzelne eingeschüchtert, bestochen oder entführt werden oder die Opposition die Bewegung für sich vereinnahmen kann. Prominente Unterstützer*innen hat die Bewegung dafür viele – darunter Vertreter*innen von Universitäten, Straßenaktivist*innen oder Influencer*innen. Eine von ihnen haben wir auf der nächsten Seite interviewt.

Nach der Weigerung, direkt mit dem Präsidenten zu sprechen, entschied sich die Bewegung für eine Gegeneinladung und bat Ruto zu einem anonym moderierten Onlinegespräch. Anders als erwartet stimmte der Präsident dem zu und sprach mit den jungen Menschen über X Spaces, die Live-Gesprächsfunktion auf der Plattform X (ehemals Twitter) – eine Premiere für Kenia und vermutlich für den gesamten Kontinent.

Der unerwartete Erfolg der Demonstrationen lässt sich zumindest teilweise auf die digitalen Kenntnisse der Demonstrierenden und ihre Kreativität und Innovation bei der Nutzung digitaler Plattformen zurückführen. Sie verbreiten Informationen über die Proteste, senden live von den Demonstrationen, erstellen virale Memes und Videos und mobilisieren so mehr Menschen. Sie verstehen die Macht von Plattformen wie X, Instagram, YouTube, Facebook und TikTok.

Alba Nakuwa ist freie Journalistin aus dem Südsudan. Sie lebt in Nairobi.
albanakwa@gmail.com

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