Wir möchten unsere digitalen Angebote noch besser auf Sie ausrichten.
Bitte helfen Sie uns dabei und nehmen Sie an unserer anonymisierten Onlineumfrage teil.

Editorial

Gut gewählt

Das Ziel der Entwicklungshilfe ist letztlich, sich selbst überflüssig zu machen. Also ist der 50. Geburtstag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit nicht nur Anlass zum Feiern, sondern auch zum Nachdenken über seine Rolle.

Die Vorstellung von „Entwicklung“ ist recht jung. Sie wurzelt im Fortschrittsgedanken, der selbst noch nicht alt ist. Erst im 17. Jahrhundert begannen Europäer zu erwarten, dass Wissen ständig wächst. Viel später dachten sie dann, auch der Lebensstandard solle ständig steigen. Die Idee, reiche Nationen müssten arme auf dem Weg zum Wohlstand unterstützen, fasste erst nach dem Zweiten Weltkrieg Fuß.

Den Impuls gaben im Westen die USA. Präsident Harry Truman war nicht zuletzt aus Sicherheitsmotiven am Thema interessiert, und bis zum Kollaps des Ostblocks prägte der Kalte Krieg die Entwicklungspolitik. Das galt besonders für das geteilte Deutschland. Die DDR wollte von möglichst vielen Staaten anerkannt werden, und die Bundesrepublik tat ihr Bestes, um sie zu marginalisieren. Jahrelang diente westdeutsche Entwicklungshilfe dazu, andere Staaten von der Anerkennung der DDR abzuhalten.

Mit dem Fall der Berliner Mauer begann eine völlig neue Ära. Nun konnten die Geber und ihre Durchführungsorganisationen erstmals auch über Amts- und Regierungsführung diskutieren. Zuvor hatten ehemalige Kolonien, die auf ihre junge Unabhängigkeit stolz waren, Einmischung in innere Angelegenheiten streng verboten. Ohnehin lag westlichen Regierungen in der Blockkonfronta­tion mindestens so sehr daran, die sozialistische Konkurrenz einzudämmen, wie der Dritten Welt zu helfen. Sie scheuten nicht vor Kooperation mit brutalen und korrupten Diktaturen zurück. Ein bequemer, gängiger Spruch lautete: „Er mag ein Schurke sein, aber er ist unser Schurke.“ Heute achten Geber viel mehr auf Governance, wobei sie im Fall strategisch wichtiger Länder – genannt sei nur Pakistan – doch immer wieder zu Kompromissen bereit sind.

Der prägende Begriff der vergangenen zwei Jahrzehnte war aber Globalisierung. Er steht für die Liberalisierung des Welthandels und zugleich für internationale Interdependenzen und die Notwendigkeit intergouvernementaler Kooperation mit Blick auf öffentliche Güter. Vielen Menschen im Westen macht der Begriff Angst, sie fürchten um soziale und ökologische Standards. Vielen Menschen in ärmeren Ländern hat die Globalisierung jedoch neue Chancen eröffnet.

In China, Indien, Brasilien und anderen aufstrebenden Ländern wachsen heute die Mittelschichten schnell. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass die Regierungen dieser Länder früher die Weltmarktorientierung, die heute so erfolgreich ist, abgelehnt hatten. Zugleich ist aber auch klar, dass das Modell der westlichen Konsumgesellschaft, dem diese Länder folgen, nicht nachhaltig ist. Umweltprobleme sind real, der Klimawandel eine globale Herausforderung. 2008 bewies zudem die globale Finanzkrise, dass Märkte sich hoffnungslos verrennen können. Das riesige Vertrauen, das Politiker den Kapitalmärkten geschenkt hatten, erwies sich als ökonomisch nicht nachhaltig.

Die Menschheit steht vor riesigen Herausforderungen. Mit gutem Grund hat das BMZ im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends seine Politik zunehmend auf die Stärkung der Global Governance ausgerichtet. Jetzt zeigt sich, dass sein Name ganz am Anfang gut gewählt wurde. Das BMZ war nie ein bloßes Entwicklungshilfeministerium, es war immer das für wirtschaftliche Zusammenarbeit.