Internationale Finanzinstitution

Multilaterale Flitterwochen

Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB – Asian Development Bank) und die Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) haben im Mai im Rahmen der ADB-Jahrestagung in Frankfurt ihr erstes Gemeinschaftsvorhaben bekanntgegeben. Sie wollen gemeinsam Straßenbau in Pakistan finanzieren. Möglicherweise werden sie dennoch auf längere Sicht zu Gegnern statt Partnern werden.
AIIB-Präsident Jin Liqun und ADB-Präsident Takehiko Nakao in Frankfurt. ADB AIIB-Präsident Jin Liqun und ADB-Präsident Takehiko Nakao in Frankfurt.

Laut ADB-Präsident Takehiko Nakao stehen noch nicht alle Details fest, aber beide Institute sollen in Pakistan gleich viel investieren. Der Gesamtwert des Vorhabens könne bis zu 300 Millionen Dollar betragen. Die ADB werde es implementieren, da die AIIB erst 2015 die Geschäfte aufgenommen und noch keine Außenvertretungen habe. Nakao sagte, alle ADB-Regeln und -Standards würden angewendet.

Die AIIB ist unter westlichen Regierungen umstritten. Die USA halten sie für ein Instrument der chinesischen Außenpolitik und wollten ihre Verbündeten vom Beitritt abhalten. Wichtige EU-Länder, zu denen auch Deutschland gehört, wurden dennoch Mitglied und argumentierten, sie wollten die neue Bank von innen beeinflussen und China enger ins internationale System einbinden.

AIIB-Präsident Jin Liqun nutzte die Konferenz in Frankfurt, um zu betonen, dass alle Seiten von Kooperation profitierten. Das Straßenprojekt in Pakistan sei ein Beispiel. Es wird Pakistans Volkswirtschaft stärken, passt aber auch zur chinesischen Initiative für eine neue Seidenstraße. Unter dem Titel „One Belt one Road“ sollen Seeverbindungen im Pazifischen und Indischen Ozean sowie internationale Straßen in Asien ausgebaut werden. Diese Infrastruktur dürfte Chinas Exporte fördern und chinesischen Baufirmen Aufträge bringen.


Gemeinsame Interessen

Jin verweist aber darauf, dass die Initiative nicht nur chinesischen Interessen dient. Sie sei von Peking ausgegangen, gehöre aber nicht Peking. Die wahren Eigentümer seien die Länder, in denen neue Infrastruktur entstehe. Richtig ist sicherlich, dass die Verbesserung der Verkehrsverbindungen innerhalb Pakistans und von dort in den Westen der Volksrepublik chinesischen und zentralasiatischen Firmen Zugang zu Häfen am Indischen Ozean verschafft. Der Welthandel insgesamt kann profitieren.   

Jin verweist auch gelegentlich auf Schwächen der internationalen Entwicklungspolitik. Er warnt etwa, die am wenigsten entwickelten Länder blieben zurück, weil sie sich Kredite von multilateralen Banken nicht leisten könnten. Alle internationalen Finanzinstitutionen müssten zusammen neue Wege suchen. Jin ließ sich in Frankfurt aber nicht auf den Vorschlag des KFW-Vorstandsmitglieds Norbert Kloppenburg ein, den ärmsten Ländern Kredite in ihrer Landeswährung zu geben und ihnen so das Wechselkursrisiko abzunehmen.

Jin äußerte in Frankfurt grundsätzliches Interesse an Kooperation, ließ sich aber öffentlich nicht auf Detailfragen ein. ADB-Präsident Nakao sprach sich auf ähnliche Weise für Zusammenarbeit aus. Weitere Kofinanzierungen würden mit der AIIB vorbereitet, und auch mit der New Development Bank (NDB) in Shanghai liefen Gespräche. Die NDB gehört den BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) und wurde wie die AIIB 2015 rechtskräftig.  


Chinesische Außenpolitik

Ob die Flitterwochenstimmung zwischen den neuen und alten internationalen Finanzinstitutionen anhält, bleibt indessen abzuwarten. Einem deutschen Beamten zufolge kann es trotz des vielversprechenden Starts noch „sehr schwierig“ werden. Jin unterstützt zum Beispiel offen Pekings Außenpolitik. Auf die Frage, ob Spannungen im Südchinesischen Meer, wo die Volksrepublik auf Inseln, die auch andere Ländern beanspruchen, Landebahnen baut, die ökonomische Kooperation erschweren könnten, antwortet er, die chinesische Haltung sei „konsistent“: schwierige Souveränitätsfragen sollten „freundschaftlich“ gelöst werden.

Solche Aussagen lassen aufhorchen – denn der Bau militärisch relevanter Landebahnen ist nicht unbedingt freundschaftliches Handeln. Auch entwicklungspolitisch gibt es deutliche Differenzen zwischen den etablierten Gebern und den Schwellenländern. Erstere betonen Menschenrechte, Nachhaltigkeit und gute Regierungsführung; Letzteren kommt es mehr auf ungebremstes Wirtschaftswachstum an. Die indische Regierung treibt derzeit beispielsweise ohne Rücksicht auf Ökologie oder Minderheiten Projekte voran. Die Schwellenländer wollen mehr Einfluss in den internationalen Finanzinsitutionen und steuern wachsende Kapitalsummen zur ADB bei.

Derweil kritisieren zivilgesellschaftliche Akteure multilaterale Banken schon lange, ihre Vorhaben schadeten armen Menschen und belasteten die Umwelt. Heute fürchten allerdings viele von ihnen, die Sozial- und Umweltstandards, die diese mittlerweile akzeptieren, könnten in der Konkurrenz mit den neuen Entwicklungsbanken verwässert werden (siehe Kasten). Die Kritiker hadern weiterhin mit ADB, Weltbank und anderen internationalen Finanzinstituten – aber sie trauen den BRICS und deren Initiativen noch weniger.


ILO-Kernarbeitsnormen

Gerd Müller, der Bundesminister für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, unterstützt viele Anliegen zivilgesellschaftlicher Organisationen. Bei der Jahrestagung präsentierte er die Frankfurter Erklärung, die Deutschland mit der ADB vereinbart hat. Sie beinhaltet Bekenntnisse zu Klimaschutz und Anpassung an den Treibhauseffekt sowie beruflicher Bildung. Müller sagt, es habe keinen Sinn, Infrastruktur zu bauen, ohne die junge Generation gleichzeitig für gute Arbeitsplätze zu qualifizieren.  

Entsprechend lobt Müller ADB und Weltbank, weil sie – auch auf deutsches Drängen hin – die Einhaltung der Kernarbeitsnormen der ILO zur Kreditbedingung gemacht haben. Solche Anliegen lassen sich vermutlich mit den etablierten Instituten leichter voranbringen als mit den neuen. Die Wirkung ist angesichts der Finanzvolumina auch größer. ADB-Präsident Nakao sagt, seine Bank habe 2015  Kredite im Wert von mehr als 16 Milliarden Dollar vergeben und werde die Summe bis 2020 auf 20 Milliarden steigern, wohingegen die AIIB in diesem Jahr wohl höchstens auf fünf Milliarden kommen werde.

Hans Dembowski