Hochwasser

Einer der wohlhabenderen Bundesstaaten Brasiliens von verheerenden Überflutungen betroffen

Brasiliens Bundesstaat Rio Grande do Sul wurde seit Ende April wochenlang von einer Naturkatastrophe heimgesucht. 458 Gemeinden litten unter ungewöhnlich starken Regenfällen. Im Mai mussten mehr als 600 000 Menschen ihre Häuser verlassen.
Überflutete Autobahn im Ballungsraum Porto Alegre im Mai 2024. picture-alliance/Anadolu/Mateus Bonomi Überflutete Autobahn im Ballungsraum Porto Alegre im Mai 2024.

Laut Behördenauskunft vom 9. Juni sind 175 Menschen gestorben und 38 werden noch vermisst. Städte wie Eldorado do Sul waren teilweise überflutet worden. Bewohner*innen mussten mit Hubschraubern gerettet werden. Viele Familien verloren ihr gesamtes Hab und Gut.

Überschwemmte Straßen, zerstörte Häuser – das Ausmaß der Zerstörung ist groß. Ganze Familien wurden von den Strömungen fortgerissen. Leichen wurden aus Trümmern geborgen. Wegen mangelnden Trinkwassers und schlechter Sanitärversorgung stieg das Risiko von Infektionskrankheiten.

Örtliche Behörden riefen den Notstand aus, und die Bundesregierung mobilisierte Truppen und Hilfsgüter. Dennoch war die Katastrophe mancherorts überwältigend. Städte wie Nova Santa Rita und Tapes waren nur noch aus der Luft zu erreichen.

Unvorbereitete Behörden  

Das Ausmaß der Tragödie hätte nicht so groß sein müssen, denn das Hochwasser war vorhersehbar. Trotzdem waren die Behörden nicht gut vorbereitet. Vor zwei Jahren hatte Professor Marcelo Dutra da Silva von der Bundesuniversität Rio Grandes (FURG) gewarnt, im Zuge des Klimawandels steige das Flutrisiko auch in bisher nicht betroffenen Gebieten. Gehört wurde er nicht. Unter anderem schlug er vor, an gefährdeten Orten Wohngebiete und Infrastruktur nicht weiter auszubauen. Solche Stellen waren nun ernsthaft betroffen.

Die Behörden reagierten auch nicht effektiv, als die Katastrophe eintrat. Tausende Menschen blieben lange hilflos, weil die Unterstützung nur schleppend anlief. Staatlichen Stellen wird nun Nachlässigkeit und mangelnde Vorbereitung vorgeworfen. Mancherorts unterstützten sich Nachbarn gegenseitig und trotzten den Wassermassen. Schnelle und professionelle Nothilfe hätte das Ausmaß des Leids aber begrenzt.

Der Wiederaufbau wird teuer. Ersten Schätzungen zufolge werden umgerechnet 3,5 Milliarden Dollar benötigt, um Häuser, Straßen und andere beschädigte Infrastrukturen zu reparieren. Allein der Wiederaufbau von Brücken dürfte rund 670 Millionen Dollar kosten. Das Geld wird sich schwer mobilisieren lassen, denn sowohl der Bundesstaat als auch die Bundesregierung sind hoch verschuldet.

Problematisch war zudem die Desinformation, wie die Journalistin Carol Macario berichtet. Wegen verbreiteter Fake News begreifen ihr zufolge viele Brasilianer*innen den Ernst der Klimakrise immer noch nicht. Zugleich nährt Lügenpropaganda auch das Misstrauen gegenüber dem Staat. Vieles könnte in der Tat besser laufen, aber so schlecht, wie rechtspopulistische Agitation behauptet, funktionieren die Behörden nicht. Pikanterweise machen nun Klimaleugner*innen, die den Regenwald zugunsten der Landwirtschaft abholzen wollen, mit Versäumnissen bei einem ungewöhnlichen Unwetter Stimmung gegen staatliche Institutionen.

Entscheidungsträger*innen müssen angemessen auf den Klimawandel reagieren

Brasilien ist ein großes Schwellenland mit hohen mittleren Einkommen, und Rio Grande do Sul gehört zu den wohlhabenden Bundesstaaten. Seine Hauptstadt Porto Alegre gilt als vorbildlich verwaltet. Unsere Politik muss mit gutem Beispiel vorangehen und den Herausforderungen des Klimawandels mit geeigneten Maßnahmen gerecht werden.

Das Hochwasser in Rio Grande do Sul zeigt, dass die Klimakrise echt ist. Selbst Länder mit hohen Einkommen bleiben nicht verschont. Wenn die nötige Anpassung ausbleibt, werden die Folgen in ärmeren Weltregionen besonders schmerzhaft sein.

Pietra Madeira gehört zu den Katastrophenopfern, denn das Haus ihrer Familie wurde geflutet. Sie spricht für viele Betroffene, wenn sie sagt: „Der Staat hätte besser vorbereitet sein müssen, wir wurden schon vor Jahren gewarnt.“ Das muss beim nächsten Mal, wenn es ungewöhnlich heftig regnet, anders sein.

Thuany Rodrigues ist freie Journalistin und lebt in São Paulo.
thuanyrodriigues@gmail.com

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