Cemex
Was mexikanischen Zement stark macht
Cemex gehört zu den mexikanischen Unternehmen mit der größten internationalen Reichweite. Seine Geschichte begann 1906 im Staat Nuevo León mit der Gründung der Zementfabrik Cementera Hidalgo, die 1931 durch die Fusion mit Cementos Portland Monterrey zu CEMEX (Cementos Mexicanos S.A.) wurde. Die geografische Lage – vor allem die Nähe zu den USA – war ein entscheidender Faktor für das schnelle Wachstum des Unternehmens und den erfolgreichen Einstieg in das Exportgeschäft. Bereits vor der Expansion hatte die Eigentümerfamilie über den Grenzhandel ein großes Vermögen anhäufen können.
Im Gegensatz zu anderen Zementproduzenten investierte Cemex von Beginn an in Modernisierung, um die Produktion zu steigern. So konnte das Unternehmen schon früh hohe Gewinne einfahren und wurde bald landesweit zum Marktführer. In den ersten Jahrzehnten nach der Gründung verzeichnete das Unternehmen kontinuierliches Wachstum.
Vom nationalen Marktführer zum internationalen Konzern
Zwei Faktoren führten Mitte der 1980er Jahre dazu, dass Cemex auch global expandierte. Erstens wurde 1985 Lorenzo Zambrano zum Vorstandsvorsitzenden. Seine Persönlichkeit und seine Vision haben die Firma so sehr geprägt, dass es schwer ist, sich beide getrennt voneinander vorzustellen. Nicht zuletzt deshalb stellte sein Tod im vergangenen Jahr ein großes Dilemma für den Konzern dar.
Zambrano, der zugleich Aufsichtsratsvorsitzender war, war entscheidend am globalen Aufstieg beteiligt sowie daran, dass Cemex sich als sozial verantwortliches Unternehmen positionierte. Als bedeutende Persönlichkeit in der mexikanischen Unternehmerbranche sah er sich immer sozialen Zielen verbunden. Er unterstützte Projekte, die Menschen neue Möglichkeiten eröffnen sollten – in so unterschiedlichen Bereichen wie Medien, Bildung, Umwelt und sogar Sport.
Zambranos Unternehmensphilosophie – und möglicherweise der Schlüssel zu Cemex‘ Erfolg – bestand darin, nicht allein den Verkauf von Zement in den Mittelpunkt zu stellen. Das Ziel sollte sein, den Kunden bei ihren Bauprojekten zu helfen: „Niemand will Zement kaufen – unsere Kunden möchten ein Haus, eine Brücke oder eine Straße bauen“, pflegte er zu sagen. „Deshalb arbeiten wir daran, neue Formen zu finden, wie wir ihnen dabei helfen können, ihre Ziele auf effizientere und effektivere Weise zu erreichen.“ Das schlägt sich in dem Unternehmensanspruch nieder, möglichst überall auf der Welt jederzeit frisch angerührten Zement zu liefern.
Der zweite wichtige Faktor war 1986 Mexikos Beitritt zum GATT (General Agreement on Tariffs and Trade), dem Vorläufer der Welthandelsorganisation WTO. Der Schritt löste landesweit Ängste aus: Die internationale Wettbewerbsfähigkeit mexikanischer Unternehmen stand auf dem Prüfstand. Es bestand die Sorge, dass der Markt von Importgütern überschwemmt wird – was bis zu einem gewissen Grad auch geschah.
Gleichzeitig aber eröffnete GATT für Unternehmen wie Cemex neue Chancen. Cemex machte sich die neuen Exportmöglichkeiten ebenso zunutze wie die Steuererleichterungen des mexikanischen Staates für Unternehmen, die international expandieren wollten.
Der Cemex-Weg
Das Businessmodell von Cemex, der sogenannte „Cemex Way“, hat auch weit über Mexiko hinaus einen Präzedenzfall geschaffen. Das Unternehmen investierte zunächst in solide Technologie und baute sich ein starkes Partnernetzwerk auf, um schließlich lokale Unternehmen aufzukaufen und zu transformieren. Wichtig war zudem, dass es sich gegen externe Schocks zu wappnen wusste.
Eine der größten Errungenschaften von Cemex ist sicherlich, Zement zu sehr geringen Kosten herzustellen, was das Unternehmen zu einem der rentabelsten der Branche machte. Ein weiterer guter Schachzug war die Diversifizierung. Cemex ist deutlich weniger von Einnahmen aus dem Zementverkauf abhängig als beispielsweise seine direkten Konkurrenten, die Schweizer Holcim-Gruppe und der französische Lafarge-Konzern.
Kürzlich sprach der Unternehmensberater und stellvertretende Vorstandsvorsitzende der „Vértice Comunicación“-Gruppe, Rodolfo Rubio Etcharren, über Mexikos drei weltweit erfolgreichste Unternehmen: Cemex, Corona und Señor Frog’s. Cemex‘ Schlüssel zum Erfolg sei, so Etcharren, dass das Unternehmen „in jedem Land, in dem es aktiv ist, wie ein lokaler Player agiert“. Außerdem betonte er die Nähe zum Kunden, die das Unternehmen immer ausgezeichnet habe, seine Authentizität und die Resistenz gegen externe Schocks. Für Etcharren ist Cemex zurzeit der globalste aller mexikanischen Konzerne.
Eine wechselreiche Geschichte
Natürlich gab es im Laufe der Geschichte auch Schwierigkeiten. Die Verstaatlichung der Zementindustrie in Venezuela 2008 beispielsweise zog einen langen Rechtsstreit nach sich, der erst nach dem Tod des damaligen Präsidenten Venezuelas, Hugo Chávez, entschieden wurde. Streitpunkt war vor allem die Höhe der Entschädigung. Der Verhandlungsspielraum war eng, und so erhielt Cemex anstelle der geforderten 1,3 Milliarden Dollar schließlich nur 600 Millionen Dollar vom venezolanischen Staat. Angesichts der Umstände galt das als Erfolg.
Eine andere schwierige Situation, die für Cemex jedoch glücklich ausging, war das EU-Verfahren wegen Monopolbildung. Laut der mexikanischen Tageszeitung La Jornada zog es sich über sieben Jahre, bis die Untersuchungen 2015 aus Mangel an Beweisen eingestellt wurden. Es blieb bei einer Empfehlung der EU, die Aktivitäten der größten Zementfirmen zu überprüfen.
Trotz aller Rückschläge ist Cemex höchst erfolgreich: 2014 nahm der Konzern Platz eins im Ranking der globalsten Unternehmen Lateinamerikas ein. Das Ranking wird vom Foro Multilatinas mit Sitz in Miami aufgestellt und zeichnet herausragende Unternehmer der Region aus.
Tatsächlich ist die Führungsrolle von Cemex in Mexiko unbestritten: Das Unternehmen besitzt landesweit die meisten Zementwerke und deckt damit rund die Hälfte des nationalen Marktes ab. Nachdem es im Laufe seiner Geschichte verschiedene externe Schocks überstanden hat, verfügt Cemex im eigenen Land nun über eine gewisse Sicherheit und Stabilität. Die schwierigste Aufgabe war vielleicht der Abschied vom Strategen Zambrano. Nichtsdestotrotz präsentiert sich das Unternehmen ein Jahr nach dessen Tod stark und wettbewerbsfähig.
Auf internationaler Ebene hingegen wird sich erst zeigen müssen, wie das Unternehmen in Zukunft zurechtkommt. Anfang Juli gaben seine zwei größten Konkurrenten – Holcim und Lafarge – ihre Fusion bekannt und kündigten an, dadurch zum weltgrößten Anbieter von Baumaterial zu werden.
Virginia Mercado ist Wissenschaftlerin an der Universidad Autónoma del Estado de México sowie Lehrkraft für Friedens- und Entwicklungsstudien.
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