Entwicklungshilfe

Neue Quellen anzapfen

Die Welt von heute ist eng verflochten. Internationale Zusammenarbeit ist nötig, um die globalen Herausforderungen wie Hunger, Klimawandel oder transkontinentale Migration zu bewältigen. Es ist schwer, Hilfsgelder für arme Länder zu beschaffen, aber dies wird weiter nötig sein. Ein neuer OECD-Report sucht nach innovativen Wegen, um Ressourcen für Entwicklung zu mobilisieren.
Sheila Mysorekar Farmer woman from Jonglei, South Sudan. Sheila Mysorekar

„Es gibt massenhaft Geld in der Welt, das für Entwicklung eingesetzt werden könnte“, meint Eric Solheim, Vorsitzender des Development Assistance Committee (DAC) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Laut Solheim gibt es beträchtliche Hilfsgelder, die nicht einfach zu identifizieren sind. Zum Beispiel schickten Migranten vergangenes Jahr Geldsendungen in Höhe von 277 Milliarden Euro nach Hause in Entwicklungsländer. Das war mehr als offizielle Entwicklungshilfe (ODA) und ausländische Direktinvestitionen zusammen. Dabei betragen die Gebühren für Auslandsüberweisungen oft bis zu zehn Prozent. Die Weltbank will diese Kosten um die Hälfte senken. Denn dies würde buchstäblich Milliarden Euro freisetzen, die direkt den Menschen in Entwicklungsländern zugute kämen.

Laut dem OECD Development Co-operation Report 2014 könnten noch viel mehr Geldquellen angezapft werden. Die Autoren glauben, dass dafür kreative Wege notwendig seien. Möglichkeiten wären beispielsweise Crowdfunding, Impf-Bonds, internationale Abgaben, CO2-Steuern oder die Umleitung von Brennstoff-Subventionen (siehe Essay von Anthony Jude auf Seite 410 ff.). Der OECD-Bericht schätzt, dass durch innovative Finanzierung jährlich bis zu „473 Milliarden Euro zusammenkommen könnten – fünf Mal so viel wie die ODA im Jahr 2012.“

Laut Europäischer Kommission erreichte die Gesamtsumme der öffentlichen und privaten Ressourcen der Entwicklungsländer im Jahr 2010 ungefähr 5,5 Billionen Euro. Die ODA beträgt augenblicklich rund 106 Milliarden Euro pro Jahr. Diese macht also nur einen kleinen Teil der internationalen Entwicklungsfinanzierung aus.

 

Risiken teilen

Private Investoren zögern oft Entwicklung zu finanzieren, weil sie die hohen Kosten und Risiken allein tragen müssen. Indem man die Risiken reduziert, können Regierungen und internationale Organisationen das Vertrauen der Investoren stärken und private Mittel mobilisieren, inklusive ausländischer Direktinvestitionen. Die OECD-Autoren schlagen einige Methoden vor, die hilfreich sein könnten: Es bestehen Optionen, private und öffentliche Mittel zusammenzulegen oder Garantien auszugeben.

Institutionen wie die International Finance Corporation (IFC) bieten bereits finanzielle Garantien an. Die IFC gehört zur Weltbank und konzentriert sich auf die Entwicklung des Privatsektors. Dank ihrer Garantien bekommen Klienten Zugang zu Geldern anderer Finanzinstitutionen, die sonst keine Geschäfte mit ihnen machen würden. Gleichzeitig fördern diese Garantien die Entwicklung von Kapitalmärkten in armen Ländern. Garantien können vieles bedeuten, zum Beispiel Anleihen oder garantierte Wechselkurse. Pierre Jacquet, Präsident des Global Development Networks – ein Forschungsnetzwerk und Ableger der Weltbank –, meint, dass „Risikominderung der Kern einer modernisierten und neudefinierten Rolle von ODA“ sei.

Garantien allein werden jedoch keine Privatinvestitionen anlocken. Da braucht es mehr dazu, wie etwa ein gesundes Geschäftsklima, gute Gesetze und Regelungen, verlässliche Zahlungsmechanismen, transparente Ausschreibungsprozesse und so weiter, erklären die OECD-Autoren. Der Bericht weist darauf hin, dass Regierungen die Entwicklung von innen stützen müssen, indem sie ihr Steuervolumen erhöhen und Korruption bekämpfen. Momentan fließt zu viel Geld illegal aus den Entwicklungsländern ab. 

Aber andere, positiv gerichtete Geldströme nehmen ebenfalls zu, schreibt Sachin Chaturvedi vom Research and Information System for Developing Countries, einem politischen Forschungsinstitut in Neu-Delhi, in einem Kapitel über Süd-Süd-Kooperation.

 

Frieden finanzieren

Der OECD-Bericht warnt, dass Kriege und gewaltsame Konflikte die Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung blockieren. Traditionelle Ansätze der Entwicklungspolitik seien „nicht darauf vorbereitet, diese Themen anzugehen”. Frieden ist jedoch die Bedingung für Entwicklung, und Entwicklung stabilisiert wiederum den Frieden.

Das Kapitel über Sicherheit in dem OECD-Report stammt aus der Feder von Tilman Brück und Gary Milante vom Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI). Sie schlagen einige interessante Methoden vor, um Friedensinitiativen zu fördern. Beispielsweise könnten Regierungen „Friedensanleihen“ ausstellen, ähnlich wie die „Kriegsanleihen“, um Geld für ihre Sicherheitsagenda zu beschaffen. Brück und Milante sind der Ansicht, dass friedensbildende Maßnahmen auf ähnliche Weise finanziert werden könnten.

Die Merkmale der Armut ändern sich ebenfalls. Indien und Nigeria sind beispielsweise aus der Kategorie der armen Länder zu Ländern mit mittlerem Einkommen aufgestiegen, aber ein großer Teil der Bevölkerung ist nach wie vor notleidend. Paradoxerweise leben heute rund eine Milliarde extrem arme Menschen in Mittelschichtsländern.

Gleichzeitig machen die ärmsten Länder kaum Fortschritte und viele von ihnen sind fragile Staaten. Ohne Hilfe von außen gelingt es ihnen nicht, Infrastruktur aufzubauen und Gesundheits- und Bildungssysteme zu schaffen. Laut OECD sind diese Länder für ausländische Investoren nicht interessant und deshalb weiterhin von ODA abhängig. Die Autoren schätzen, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre die meisten extrem Armen in fragilen Staaten leben. DAC-Vorsitzender Solheim schlägt deswegen vor, 50 Prozent der ODA an die „ärmsten und fragilsten Länder“ zu geben.

Neue und innovative Ideen sind vonnöten, um Armut zu reduzieren und um die globalen Nachhaltigkeitsentwicklungsziele (SDGs) zu erreichen, die 2015 auf die Millenniumsziele folgen (MDGs) sollen. OECD-Generalsekretär Angel Gurría meint: „Die Armut abzuschaffen, die Umwelt zu schützen, den Klimawandel zu bekämpfen, Frieden und Sicherheit zu garantieren, Widerstandsfähigkeit zu vergrößern und ein faires und gleichberechtigtes Handelssystem zu schaffen sind nicht länger nationale Aufgaben. Es sind Herausforderungen, die auf globaler Ebene gelöst werden müssen.“

Sheila Mysorekar

 

Links:

OECD, 2014: Development Co-operation Report 2014: Mobilising Resources for Sustainable Development.
http://dx.doi.org/10.1787/dcr-2014-en