Katholische Kirche

Italienischer Argentinier

Wenn Papst Franziskus in Schwellen- und Entwicklungsländern Einfluss nehmen will, muss er mehr tun, als für Arme beten.
Papst Franziskus. Reuters Papst Franziskus.

Der neue Papst hat sich den Namen von Franz von Assisi gewählt. Das ist ein Zeichen, dass ihm sowohl Armutsfragen als auch die Versöhnung von Mensch und Natur am Herzen liegen. Das ist erfreulich, denn Elend um Umweltzerstörung sind globale Herausforderungen. Sie sind in Schwellen- und Entwicklungsländern besonders akut. Es ist kein Zufall, dass der erste Papst aus Lateinamerika sich dessen bewusst ist. Dass er auf den persönlichen Luxus, auf den hohe Kirchenfunktionäre Anspruch haben, als Erzbischof von Buenos Aires verzichtet hat, macht ihn glaubwürdig.

Leider formuliert Franziskus sein Verständnis vom Kümmern um die Armen aber in erster Linie als Barmherzigkeit. Es muss sich noch zeigen, ob der neue Papst aus seinem spirituellen Verständnis auch politische Forderungen ableitet. Bislang betont er eher, dass die Armen nicht vergessen werden dürfen, als dass er auf Rechten für benachteiligte Menschen bestünde, damit diese selbst Meister ihres Schicksals werden. In der innerkirchlichen Auseinandersetzung hat er sich auf der Seite des Vatikans gegen die lateinamerikanischen Befreiungstheologen gestellt, die aus ihrem Glauben auch ein politisches Mandat ableiten. 2009 hat er indessen gesagt, extreme Armut und ungerechte Wirtschaftsstrukturen seien Verstöße gegen Menschenrechte.

Vor seiner Wahl wurde spekuliert, ob diesmal wieder ein Italiener drankommen würde, oder vielleicht doch erstmals ein Kandidat aus einem Entwicklungsland. Die Kardinäle haben einen interessanten Kompromiss gefunden. Jorge Mario Bergoglio wurde als Kind italienischer Einwanderer 1936 in Buenos Aires geboren. Die Muttersprache seiner Eltern geht ihm flüssig über die Lippen, wie sein erstes Grußwort auf dem Petersplatz bewies. Keine andere Stadt weltweit ist so stark von italienischer Einwanderung geprägt wie Argentiniens Hauptstadt.

Sicherlich hoffen die Kardinäle, die Franziskus gewählt haben, dass ein argentinischer Papst helfen wird, das starke Wachstum evangelikaler Sekten in Lateinamerika zu bremsen. Dieser Kontinent ist nicht mehr die selbstverständliche Bastion des Katholizismus, die er einst war. Zum Vertrauensverlust der römischen Kirche hat beigetragen, dass einflussreiche Mitglieder des Klerus während der Militärdiktaturen des 20. Jahrhunderts die Machthaber unterstützten.

Kardinal Bergoglio wurde vor acht Jahren sogar vorgeworfen, er sei in die Entführung und Folterung von zwei linken Priestern während der Militärherrschaft verwickelt gewesen. Nachgewiesen wurde ihm das nicht – und er selbst sagt, er habe sich hinter den Kulissen um die Freilassung der beiden Männer bemüht und auch anderen Regimegegnern geholfen. Klar ist allerdings, dass er sich in einer extrem polarisierten Zeit nicht offen gegen die Diktatur gestellt hat, die ihre Schreckensherrschaft mit dem Argument religiös überhöhte, sie verteidige den Glauben gegen den Kommunismus.

Lateinamerika ist von großen Megastädten geprägt, die kulturell Pluralismus zunehmend nicht nur akzeptieren sondern hervorbringen. Kardinal Bergoglio hat sich erfolglos mit Argentiniens Regierung wegen deren Befürwortung von Empfängnisverhütung und der Einführung der Homo-Ehe angelegt. Als Papst Franziskus wird sein Wort in der Heimat vermutlich etwas – aber wirklich nur etwas – mehr wiegen als vorher. Wenn er den Vertrauensschwund der Kirche in Lateinamerika bremsen will, muss er mehr tun, als für Arme und Aids-Kranke zu beten.