Entwicklung und
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Habitat III

Chance Urbanisierung

Die Weltbevölkerung wird nach vorsichtigen Schätzungen in den kommenden 25 Jahren um fast 2 Milliarden Menschen wachsen. Bis 2100 rechnen die UN mit mehr als 11 Milliarden Menschen. Die meisten von ihnen werden in Städten leben. Eine solche Geschwindigkeit der Urbanisierung ist historisch beispiellos und bringt große Herausforderungen, aber auch besondere Chancen mit sich.
Die Geschwindigkeit der Urbanisierung ist historisch beispiellos. Slum in Kairo. Elfiqi/picture-alliance/dpa Die Geschwindigkeit der Urbanisierung ist historisch beispiellos. Slum in Kairo.

Auf Megastädte mit mehr als 10 Millionen Einwohnern wie Mumbai, Dhaka oder Shanghai wird nur ein vergleichsweise geringer Teil des Wachstums entfallen. Es sind vor allem kleinere und mittelgroße Städte mit bis zu einer Million Einwohnern, die am rasantesten wachsen werden. Dabei werden 90 Prozent des städtischen Wachstums in Schwellen- und Entwicklungsländern erwartet, insbesondere in Asien und Afrika.

Eine schnelle und unkontrollierte Urbanisierung wird Armut und Ungleichheit „verstädtern“. Schon im Laufe der kommenden Generation wird jeder dritte Mensch in informellen Armutsgebieten leben, aus Mangel an bezahlbarem Wohnraum und existenzsicherndem Einkommen. Ein Leben in Elendsvierteln bedeutet auch dramatische Engpässe bei Infrastruktur und Versorgung. Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten sind mangelhaft, ebenso die Gesundheitsversorgung. Hinzu kommt, dass die Nutzung von Transportmitteln für die meisten Menschen nicht bezahlbar ist. Chancenlosigkeit und ein Ausschluss vom städtischen Leben und von Entwicklungsperspektiven sind die Folge, insbesondere für Heranwachsende.

Sollte sich die Verstädterung im jetzigen Tempo fortsetzen, müssen innerhalb der kommenden 35 Jahre noch einmal genau so viele städtische Infrastrukturen gebaut werden wie insgesamt, seit die Menschen begonnen haben, in größeren Siedlungen zu leben (siehe Interview mit Dirk Messner). Urbanisierung ist komplex und multidimensional. Nur wenn es gelingt, sie nachhaltig zu gestalten, birgt sie die Chance, Armut zu mindern, Ressourcen effizient zu nutzen sowie Integration und Lebensqualität für alle Bewohner zu ermöglichen.

Viele Beteiligte fordern einen Paradigmenwechsel hin zu einer verstärkten Beachtung der Probleme des städtischen Wachstums und einer breiteren Verankerung der Kriterien nachhaltiger Entwicklung im urbanen Raum. Doch das greift zu kurz. Erforderlich ist ein umfassender Perspektivwechsel:

  • Städte und ihre Bewohner dürfen nicht als „Begüns­tigte“, „Zielgruppe“ oder „Interventionsstandorte“ begriffen werden. Vielmehr müssen sie als verantwortliche Entwicklungsakteure anerkannt und befähigt werden, diese Rolle wahrzunehmen.
  • Die notwendigen Investitionen können nur dann solide finanziert werden, wenn die Städte Zugang zu Finanzierungsquellen in nationalen und internationalen Märkten erhalten.
  • Eine ausreichende und nachhaltige Versorgung allein reicht aber nicht: Ebenso entscheidend ist der gleichberechtigte Zugang aller.

Für die Verankerung und Umsetzung dieser Prinzipien ist die Habitat-III-Konferenz im Oktober in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito von besonderer Bedeutung. Ihr Ziel ist es, auf Grundlage der Sustainable Development Goals der Agenda 2030 eine globale Urbanisierungsstrategie für die kommenden 20 Jahre zu verabschieden: die „New Urban Agenda“ (siehe E+Z/D+C e-Paper 2016/07, S. 8).

Deutschland ist an der Vorbereitung von Habitat III beteiligt und wirkt darauf hin, dass eine handlungsorientierte und überprüfbare globale Agenda entsteht. Hierzu gehören:

  • ein Höchstmaß an kommunaler Selbstverwaltung mit starken lokalen Kapazitäten und sicherer Finanzierung,
  • integrierte, effiziente Lösungen zum Einsatz knapper Ressourcen,
  • bessere Lebensqualität für die Bewohner etwa durch Parks, Begegnungsstätten und kulturelle Einrichtungen und
  • die Stärkung internationaler Austauschbeziehungen, um gegenseitiges Lernen und den Erfahrungsaustausch zu ermöglichen.

Eine Kernaufgabe jeder Stadtverwaltung ist die Sicherung der Daseinsvorsorge. Dabei kommt bezahlbarer, nachhaltiger städtischer Mobilität eine besondere Rolle zu: Sie ist die Voraussetzung dafür, dass alle Bewohner grundlegende Einrichtungen und ihren Wohnort erreichen und am wirtschaftlichen und kulturellen Leben teilnehmen können. Zudem steigert sie die Energieeffizienz und den Umwelt- und Klimaschutz und trägt zur Reduzierung von Gesundheitsrisiken bei. Städte werden attraktiver für Menschen und Investoren, Wirtschaft und Gesellschaft entwickeln sich.

Deshalb unterstützt Deutschland Partnerstädte gezielt in der städtischen Infrastrukturentwicklung und wird in Quito eine Initiative für transformative urbane Mobilität vorstellen, durch die innovative Mobilitätsansätze unterstützt und die notwendige Verkehrswende weltweit vorangebracht werden (siehe Kasten).


Franz-B. Marré leitet im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) das Referat 312 „Wasser; Stadtentwicklung; Mobilität“.
franz.marre@bmz.bund.de

Maria-Theres Haase ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik/German Development Institute (DIE) und Beraterin im Referat 312 des BMZ.
maria-theres.haase@die-gdi.de


Link
BMZ, Stadtentwicklung:
http://www.bmz.de/de/themen/stadtentwicklung