Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Post-2015-Agenda

„Ein neuer Geist“

Erfolgreiche Unternehmer tragen zu Entwicklung bei, denn sie schaffen Arbeitsplätze und ermöglichen Wachstum. Die Vereinten Nationen möchten sie deshalb in die Formulierung ihrer Entwicklungsziele einbeziehen. In Accra berieten Gründer aus Afrika und Europa, welche Bedingungen für gutes Unternehmertum erfüllt sein müssen.
BU: Familienunternehmen brauchen Zugang zu Finanzdienstleistungen: Schneiderin in Accra. © Verfürth BU: Familienunternehmen brauchen Zugang zu Finanzdienstleistungen: Schneiderin in Accra.

Markola ist der zentrale Marktplatz in Ghanas Hauptstadt Accra. Über ein ganzes Viertel ziehen sich Marktstände, Garküchen und kleine Ladenlokale. Mitten in diesem Getümmel betreibt Baah Kwabena einen Allzweckladen. „Das ist eine gute Lage hier“, sagt er, „sehr zentral“. Jeden morgen ab 6 Uhr steht er hinter der Theke und verkauft Nahrungsmittel-Konserven, Kaugummis und Toilettenpapier. Zusammen mit seinen sechs Angestellten stemmt er Ein- und Verkauf und Logistik. Die meisten Waren bezieht er von ghanaischen Herstellern und verkauft sie an Einzelhändler weiter. Morgens früh schon kommen sie zu ihm, um die Produkte zu erstehen, die sie dann auf anderen Märkten oder auf der Straße anbieten.

Die meisten Händler des Makrola-Markts sind klein- und mittelständische Unternehmer wie Kwabena. Mit seinem Geschäft kann er sich ein kleines Haus leisten und seine drei Kinder großziehen.

Nicht alle Ghanaer schaffen es, sich wie Kwabena selbst Arbeit zu schaffen. Die Jobsituation ist schwierig in vielen afrikanischen Ländern. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen steigt aufgrund hoher Geburtsraten, die Zahl der Arbeitsstellen aber nicht. In Uganda zum Beispiel liegt das Durchschnittsalter der Bevölkerung bei 16 Jahren, und in den nächsten Jahren werden Massen von jungen Menschen auf den Arbeitsmarkt strömen. Länder wie Uganda sind darauf angewiesen, dass mehr Menschen sich selbständig machen und Jobs schaffen.

 

Verantwortung für Entwicklung

Mehr Arbeitsplätze zu schaffen soll daher ab dem Jahr 2015 auf der Liste der universellen Ziele der Vereinten Nationen (UN) stehen. Im Jahr 2000 hatten die UN erstmals weltweit gemeinsame Ziele formuliert, die Millenniumsentwicklungsziele (MDGs), die bis 2015 erfüllt sein sollten. Vieles davon wurde seitdem erreicht, alles aber nicht. Ein von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon einberufenes Expertengremium hat Ende Mai zwölf neue Ziele für die Zeit nach 2015 vorgeschlagen – und eins davon ist, die Jobsituation zu verbessern (siehe Aufsatz von Sabine Balk in E+Z/D+C 2013/7-8, S. 278).

Bisher richteten sich die MDGs vor allem an Regierungen. Einzeln und in Zusammenarbeit sollten sie etwa die Armut halbieren oder die Müttersterblichkeit senken. Um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, ist aber vor allem die Wirtschaft wichtig. Die neue UN-Agenda möchte deshalb auch die Wirtschaft einbeziehen. Zudem soll die Post-2015-Agenda – anders als die MDGs – für Industrie- und Entwicklungsländer gleichermaßen gelten und fordert eine neue „Globale Partnerschaft“.

Vor diesem Hintergrund wandten sich drei Mitglieder des High-Level-Panels – der ehemalige deutsche Bundespräsident Horst Köhler, die Direktorin des Kenianischen Industrieverbandes Betty Maina und der Leiter der Wirtschaftsanalyseabteilung des Präsidentenamts aus Benin, Fulbert Gero Amoussouga – and die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG). Sie forderten diese Tochter der KfW Bankengruppe auf, ein Treffen afrikanischer und europäischer Unternehmer zu organisieren. „Oft haben Politiker gute Ziele, aber keine Partner, sie umzusetzen“, erklärt Amoussouga.

Die DEG veranstaltete daraufhin Ende Juni den „Chance Entrepreneurs’ Dialogue“ in Accra.  Unternehmer aus unterschiedlichen Branchen und Ländern berichteten über ihre Projekte und Herausforderungen. Sie diskutierten, welche Bedingungen nötig sind, um in Afrika erfolgreich Geschäfte zu machen – sei es als afrikanischer Unternehmer oder als europäischer Investor oder Geschäftspartner. Und sie sprachen darüber, wie verantwortungsvolles Unternehmertum aussieht.

 

Unternehmer unterstützen

Damit Unternehmen erfolgreich wirtschaften können, brauchen sie gute Voraussetzungen. Die Politik kann helfen Bedingungen zu schaffen, in denen die Wirtschaft gedeiht und dem Land Gutes bringt. Wie dieses „Enabling Environment“ aussehen müsste, fassten die Teilnehmer in einem gemeinsamen Abschlussdokument zusammen:

-       Nötig ist ein zuverlässiges, dezentrales System für Finanzdienstleistungen.

-       Die Regierungen müssen – eventuell in Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen – für verlässliche Infrastruktur wie Energieversorgung und Transportwege sorgen.

-       Zudem sollten sie Industriepolitik betreiben, damit der Kontinent Rohstoffe nicht nur exportiert, sondern auch verarbeitet. Die Wertschöpfung vor Ort soll steigen.

-       Besonders wichtig sind Bildung und Ausbildung. Mehr Menschen, vor allem Frauen und Jugendliche, müssten Zugang zu Bildung bekommen, die Qualität besonders der Berufsausbildung müsse steigen.

-       Die Integration in regionale Wirtschaftsgemeinschaften muss gestärkt werden, da sie die Wettbewerbsfähigkeit erhöht und Marktschranken wie Steuern und Zölle senkt.

-       Nationale Regierungen müssen verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen garantieren wie etwa eine klare Steuergesetzgebung.

-       Die internationale Gemeinschaft ist gefragt, ein offenes und faires Handelssystem und ein solides Finanzsystem zu schaffen. „Damit richten wir uns an alle Regierungen dieser Welt“, betonte Köhler. „Unsere Handelssysteme sind nicht gerecht genug.“ Afrikanische Unternehmen bräuchten fairen Zugang zu den Märkten der Industrieländer.

Dass diese Bedingungen, wie etwa gute Finanzleistungen, für Unternehmer entscheidend sind, davon weiß auch Baah Kwabena auf dem Makrola-Markt zu berichten. Für den Einkauf neuer Waren braucht er oft sehr kurzfristig einen Kredit für Betriebsmittel. Doch nicht jede Bank schafft es, solch ein Darlehen schnell auszuzahlen. Die Prüfungen dauern lange – und die Zinsen sind hoch.

Bisher gibt es laut Hubertus Graf von Plettenberg von der DEG in den meisten afrikanischen Ländern sowohl ein großes Angebot an Mikrokrediten, als auch an Großkrediten in Millionenhöhe – dazwischen klafft eine Lücke. Dabei brauchten gerade kleine und mittelständische Unternehmen (SMEs) und Start-Ups gute Finanzdienstleistungen. Sie seien es auch, die die meisten neuen Arbeitsplätze schaffen. „Deutschland hat gute Erfahrungen mit seinem dezentralen Bankensystem aus Geschäftsbanken mit nationaler Reichweite, Genossenschaftsbanken und regionalen Sparkassen gemacht“, führt Plettenberg fort. Jeder Banktyp bediene dabei ein anderes Marktsegment.

Kwabena hat in Ghana eine Bank gefunden, die seine wichtigste Anforderung erfüllt: Die UT Bank verspricht, Kredite innerhalb von 48 Stunden zu vergeben. Manchmal bekomme er sein Geld sogar in 14 Minuten, erzählt Kwabena. Das Management der UT Bank sieht in der Förderung von Mittelständlern einen großen Markt. Noch ist es mit diesem Geschäftsmodell aber relativ allein.

 

Eine neue globale Partnerschaft

„Im Gespräch mit den Unternehmern ist mir klar geworden, dass die Unternehmer dieselben Ziele haben wie wir“, sagte Betty Maina zum Abschluss des Entrepreneurs’ Dialogue. „Wir müssen einen gemeinsamen Weg nach vorne finden“, fügte Horst Köhler hinzu. Dafür brauche es eine neue globale Partnerschaft, einen neuen Geist für Zusammenarbeit.

Richard Kimani Rugendo, Gründer des Obstsaftherstellers Kevian Kenya Ltd, stellt fest: „Wir haben erkannt, dass Nord und Süd vor demselben Problem stehen – nämlich unsere Welt in einem besseren und nachhaltigen Zustand zu hinterlassen.“ Wie fruchtbar eine Zusammenarbeit zwischen Nord und Süd sein kann, erläutert Hartmut Sieper, Gründer von Trans Africa Invest, an einem Beispiel: 60 Prozent des Bodens, der weltweit noch als Landwirtschaftsfläche neu erschlossen werden kann, liege in Afrika. Mit Investitionen aus Europa könnten diese Ländereien erschlossen und Millionen neue Arbeitsplätze auf dem Kontinent geschaffen werden.

Es geht im Privatsektor eben nicht nur um Profit. Auch das hat die Tagung in Accra deutlich gemacht. „Noch nie war ich bei einem Treffen mit so ökologisch und sozial verantwortungsbewussten Unternehmern“, zeigt sich DEG-Experte Plettenberg beeindruckt. Aus Köhlers Sicht ist wichtig, dass „die Unternehmer selbst das Thema soziale und ökologische Verantwortung ansprachen, und sie Wege sehen, damit profitable Geschäfte zu machen.“

„Mit dem Ergebnis des Dialogue sind wir sehr zufrieden“, lautet Köhlers Urteil. „Es ist ein Kreis von Menschen entstanden, die einander zuhören und konstruktiv zusammenarbeiten möchten.“ Das Abschlussdokument will Köhler an das High-Level-Panel der UN weiterleiten.

 

Eva-Maria Verfürth ist Redakteurin bei E+Z/D+C.

eva-maria.verfuerth@fs-medien.de