Gender
Mehrfacher Verlust
In der Volksgruppe der Luo im Norden Ugandas, einer von zwei Jahrzehnten Bürgerkrieg gezeichneten Region, ist die Situation für Witwen besonders schwierig. Die Familie des Mannes erbt nach dessen Tod den gesamten Besitz des Paares. Allzu oft wird dabei nicht einmal Rücksicht darauf genommen, dass sich die Witwe weiter um die Kinder kümmern muss. In einigen Gemeinschaften wird sogar Land ohne die Einwilligung der Witwe verkauft. Oftmals beugen sich die Frauen diesem Vorgehen, weil sie ihre Rechte nicht kennen oder kein Geld für einen Rechtsbeistand haben.
Ester Abonyo, deren Ehemann 1999 von Rebellen der Lord’s Resistance Army ermordet wurde, pachtete Land, nachdem sie die Felder, die sie zu Lebzeiten ihres Mannes bewirtschaftete, verloren hatte. Die Familie ihres Mannes verkaufte fast ihr gesamtes Land, während Abonyo noch in einem Vertriebenenlager lebte. Als sie heimkehrte, besaß sie nur noch das kleine Grundstück, auf dem ihr Haus steht. Für das Pachtland muss Abonyo jährlich 30 000 ugandische Schilling (etwa acht Euro) pro Hektar bezahlen. In Uganda, wo die Einkommen niedrig sind und Bauern wegen unberechenbarer Regenfälle häufig schlechte Ernten haben, ist das viel Geld.
Die Menschenrechtsaktivistin Hilda Angulu beklagt, dass beim Landerwerb in Uganda normalerweise nur der Name des Ehemannes registriert wird. Viele Männer vertrauen ihren Frauen nicht. Hinzu kommt, dass Kinder das Land ihrer Väter beanspruchen. Angulu spricht von „großen Herausforderungen“, die oftmals nicht innerhalb der Familie geregelt werden können. Oft werden die Clanältesten und Dorfvorsteher hinzugezogen. Normalerweise gehen die Vermittlungen so aus, dass die Witwe das Land verliert. Es ist Sitte, den Entscheidungen der Ältesten zu folgen. Obwohl Frauen in Uganda den Großteil der Farmarbeiten verrichten, gehören ihnen nur 15 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche.
Besonders hart ist der Verlust von Grund und Boden für Frauen mit HIV/Aids. Eine von ihnen ist Faustine Amutuhaire. Die vierfache Mutter lebt im Bezirk Mbara in der Region Kashari in West-Uganda. Als ihr Mann an Aids starb, verlor sie nicht nur dessen Grundstücke. Die Schwiegereltern nahmen ihr auch den gesamten übrigen Besitz weg – vom Esstisch über Stühle, Bettwäsche und Geschirr bis hin zu Bildern. „Wir waren gerade dabei, meinen Mann zu beerdigen, als meine Schwiegereltern in unser gemietetes Haus eindrangen und alles wegtrugen“, sagt Amutuhaire.
Sie blieb trauernd und schockiert zurück, ohne Geld für einen Anwalt. Ihr Mann hatte kein Testament hinterlassen. Nachdem sie mehrere Nächte auf dem kalten Zementboden geschlafen hatte, brachten Verwandte ihr einige Decken und Kochgeschirr. „Wenn ich gearbeitet hätte, wäre es anders gewesen. Aber ich hatte keine Arbeit, und die gesamten Ersparnisse meines Mannes waren in Medikamente und Essen geflossen. Ich hatte nicht mal ein Feld, das ich bestellen konnte. Ich wusste, dass der Vermieter jeden Moment kommen könnte, um sein Geld einzufordern, das ich nicht hatte.“
Mit Unterstützung ihrer Familie konnte Amutuhaire in ein kleineres Haus umziehen. Sie begann, am Straßenrand Tomaten zu verkaufen, und weitete ihr Angebot schrittweise aus. Schließlich erwarb sie ein eigenes Grundstück. Heute hat sie genug Geld, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
In manchen Fällen verlieren Witwen Land, weil sie sich weigern, den Bruder ihres verstorbenen Mannes zu heiraten. Eine Tradition sieht vor, dass die Witwe einen ihrer Schwager als Ehemann auswählen muss. So sollen der Grundbesitz des Verstorbenen und dessen Kinder in der Familie bleiben. Diese Tradition ist jedoch im Rückgang begriffen. Die Regierung hat hier zum Höhepunkt der HIV/Aids-Epidemie eingegriffen, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern.
Frauen in polygamen Familien leiden doppelt. Clanälteste erkennen normalerweise die erste Ehefrau an, aber nicht einmal sie darf das von ihrem verstorbenen Mann hinterlassene Land erben. Die angeheiratete Familie wählt einen Sohn des Verstorbenen aus, der sich um das Land und den übrigen Besitz kümmern soll. Die zweite Ehefrau bleibt mit leeren Händen zurück.
Für die Politikerin Nancy Obita ist es sehr problematisch, dass Grundstücke in der Region Acholi im Norden Ugandas normalerweise Familien gehören und dass Ehefrauen und Witwen dabei als außenstehende Verwandte gelten. „Das macht es schwierig für sie, das Land weiter zu bestellen“, sagt Obita. Frauen haben nicht einmal einen Anspruch auf Landbesitz, wenn sie zum Erwerb des Grundstücks beigetragen haben. Was die Sache noch schlimmer macht, ist, dass die Frauen selbst als Eigentum ihres Mannes und seines Clans gelten. Das ist eine schändliche Folge der Kultur des Brautpreises, die sogar in der ugandischen Verfassung verankert ist.
Obita fordert, dass im Sinne der Gleichberechtigung Männer und Frauen Landtitel besitzen müssen, dass das Grundstücksrecht Witwen schützt und dass nach einer Heirat sämtliches Eigentum der Frau und dem Mann gemeinsam gehören. Die Politikerin ruft zu Gesetzesreformen und mehr öffentlicher Aufmerksamkeit für das Problem auf, das aus vielen Regionen des Landes berichtet wird. Die Behörden unterstützen Frauen nicht – aus dem einfachen Grund, dass sie Frauen sind.
Doch es ist nicht jegliche Hoffnung verloren für Ugandas Witwen. Mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen setzen sich für ihre Rechte ein, darunter die Anwältinnenvereinigung Uganda Association of Women Lawyers (FIDA). In Norduganda hat FIDA begonnen, bei Clanältesten und Dorfvorstehern sowie bei der Bevölkerung das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie Frauen, Kinder und ihr Land geschützt werden können.
Lilian Ajok arbeitet für FIDA in der Region Acholi. Nach ihren Angaben ist es dort heute friedlich, aber der Krieg hat viele Wunden hinterlassen. Konflikte um Grund und Boden sind ein dauerhaftes Problem. „Frauen sowie Familien, die von Mädchen geleitet werden, sind besonders davon betroffen“, sagt Ajok. „Viele von ihnen leben in abgelegenen Dörfern und haben keinen Zugang zu Rechtsberatung, deshalb verlieren sie häufig ihr Land.“ In städtischen Gebieten sei die Situation der Frauen besser. Um die Lücke zu füllen, bietet FIDA Rechtsberatung und Mediation an und kooperiert mit Gemeinderäten.
Probleme könnten häufig vermieden werden, wenn ein Testament vorläge. Doch das ist in Uganda nicht sehr verbreitet, weil die Auffassung vorherrscht, dass nur sehr kranke und sterbende Menschen ihren letzten Willen aufschreiben. Die Folge ist, dass viele Menschen ihre Angehörigen und ihr Eigentum ohne Absicherung zurücklassen.
Solange in Uganda keine Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern herrscht, werden die Bemühungen für einen besseren Schutz des Landbesitzes von Witwen kaum vorankommen. Die gute Nachricht ist, dass die Regierung das Grundstücksrecht ändern will, um Witwen zu schützen. Zivilgesellschaftliche Gruppen unterstützen diese Pläne.
Gloria Laker Aciro leitet die Peace Journalism Foundation of East Africa. Sie lebt in Kampala.
glorialaker@gmail.com
Twitter: @GloriaLaker
Link
Uganda Association of Women Lawyers:
http://www.fidauganda.org/