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Schulheft oder Bomben

Zur Schule zu gehen oder in der Universität Vorlesungen zu besuchen ist nicht so einfach, wenn sich Teile des Landes in einem bewaffneten Konflikt befinden. Das neue Schuljahr und Semester in Libyen begann Mitte September. Viele Schüler können jedoch nicht zurück ins Klassenzimmer.
Reda Fhelboom Reda Fhelboom Reda Fhelboom

„Wegen des permanenten Beschusses sind die meisten Schulen in unserer Gegend geschlossen“, sagt Jamila Almagtoof, Lehrerin an der Aljanoobiya Girls School in Zawia, einer Stadt an der Mittelmeerküste rund 50 Kilometer westlich von Tripolis. Die Schule hat ungefähr 300 Schülerinnen. Die meisten von ihnen sind von der Gewalt traumatisiert.

„Wir haben es dermaßen satt, dauernd Granaten und Explosionen zu hören“, erklärt Almagtoof. „Niemand ist mehr sicher. Wir können alle sterben. Ich gehe zwar jeden Tag zur Schule, aber meine eigenen Kinder bleiben zu Hause, weil ihre Schule geschlossen ist. Die Straßen dieser Gegend sind so gut wie leer; es sieht aus wie eine Geisterstadt. Selbst mein Mann will nicht mehr aus dem Haus gehen.“

Naima Shalabi, die Schulleiterin der Aljanoobiya Girls School, erzählt, dass der Stress im Lehrkörper Spannungen hervorruft: „Die meisten Lehrerinnen waren froh, als die Schule trotz der prekären Sicherheitslage nach den Ferien wieder begann. Sie hielten diese Entscheidung der Schulbehörde für mutig.“ Aber, fügt sie hinzu, „manche denken auch, dass diese Entscheidung das Leben der Kinder aufs Spiel setzt“.

Hunderte von Grundschulen und weiterführenden Schulen in Libyen sind bis auf Weiteres geschlossen oder haben den Schulbeginn vertagt. Einige Regionen des Landes wie der Süden oder die Berggegenden im Westen sind von den Kämpfen kaum betroffen, während in Tripolis oder im Osten die Lage sehr explosiv ist. Die Schulbehörden von Bengasi veröffent­lichten im September einen Bericht, wonach 63 000 Schüler und mehr als 8500 Lehrer in den Konfliktzonen nicht zur Schule gehen können. Die Schulen, die funktionieren, müssen Schüler aufnehmen, die intern vertrieben wurden. Stundenpläne weichen inzwischen auch auf den Abend aus.

In Joudaim, einer Stadt östlich von Zawia, nutzen islamistische Milizen die Schulkantine der Joudaim Martyrs School als ihre Feldküche – selbstverständlich ohne Erlaubnis des Bildungs­ministeriums. Die Schulleitung versucht, Schüler und Lehrer auf andere Schulen zu verteilen, die abends noch ungenutzt sind. Bisher hatte sie noch kein Glück damit; die Kinder bleiben also zu Hause.

Auch das Universitätsleben ist unterbrochen. „Die meisten Studenten sind zurück“, sagt Ismail Ikesh, Dekan der Fakultät für Pharmazie an der Universität von Zawia. „Aber wir haben das Problem, dass die Dozenten aus Tripolis nicht herkommen können, weil auf der Straße zwischen Zawia und Tripolis gekämpft wird.“ So unterminiert der Krieg nach und nach die Bildung in Libyen.

 

Reda Fhelboom ist Journalist, Fernsehmoderator und Menschenrechtsaktivist. Er lebt in Tripolis.
fhelboom@yahoo.com

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