Stadtentwicklung
Slums und “gated communities”
Entwicklungsländer erleben derzeit „schnelle und unordentliche Urbanisierung", sagt Gil-Hong Kim von der Asiatischen Entwicklungsbank (Asian Development Bank - ADB). Stadtverwaltungen rängen damit, widerstreitende Ziele wie Armutsbekämpfung, Wirtschaftsförderung, Korruptionsbekämpfung und Umweltschutz in Einklang zu bringen. Aus Sicht des ADB-Fachmanns erfordert die ökonomische Gesundheit eines Ballungsraums die Entstehung einer Mittelschicht. Es sei aber schwer, dynamisches Wirtschaftswachstum mit sozialen und ökologischen Zielen zu verbinden. Laut Kim werden mehr als 80 Prozent des städtischen Mülls und der städtischen Abwässer nicht fachgerecht entsorgt.
Es fehlt generell an Geld für Infrastrukturprojekte. Asiatische Länder weisen hohe Sparquoten auf, aber diese Mittel werden nicht für die Stadtentwicklung genutzt. Aus Kims Sicht muss aber mehr Geld mobilisiert werden. Obendrein müsse mehr dafür getan werden, dass Behörden und Privatfirmen beim Infrastrukturausbau kooperieren. Kim zufolge tragen Bürgermeister große Verantwortung. Er räumt aber auch ein, dass deren Verwaltungen meistens weder die Fachkompetenz noch die Finanzmittel haben, um Entwicklung in Gang zu setzen. Kommunalverfassungen sehen in Entwicklungsländern meist wenige Zuständigkeiten für örtliche Entscheidungsträger vor. Die nationalen Regierungen schauen auf Bürgermeister herab - und kontrollieren die Budgets.
William Cobbett von der Cities Alliance, einer internationalen Organisation, die sich gegen städtisches Elend engagiert, urteilt: „Kommunal- und Stadtverwaltungen gelten als zweitrangige Regierungsebene und oft nur als eine weitere Administrationsebene." Nationale Regierungen müssten zu Verbündeten der Kommunen werden. Ihm schwebt vor, dass Städte das Recht bekommen, selbst Einnahmen einzutreiben und sogar Fehler zu machen.
Städte brauchen aber nicht nur mehr Autonomie und Zuständigkeiten – sie müssen auch ihre eigene Amtsführung verbessern. Korruption, geringe Beteiligungsmöglichkeiten für die Öffentlichkeit und politische Strategien, die marginalisierten Menschen schaden, sind für viele Stadtverwaltungen typisch. Wo der informelle Sektor die Wirtschaft prägt, ist es zudem schwierig, Steuern einzutreiben. Bei einer Konferenz, die das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Berlin im März veranstaltete, herrschte Konsens darüber, was Städte brauchen:
- einen Gesellschaftsvertrag, der die Stadtregierung und ihre Bürger bindet,
- formale wie informelle Strukturen, um vielfältige Interessengruppen an Entscheidungen zu beteiligen, und
- stimmige Zuständigkeiten im Verhältnis zu anderen staatlichen Ebenen.
Leider ist nichts davon selbstverständlich.
Cities-Alliance-Experte Cobbett weist darauf hin, dass kein Land ohne funktionierende Städte den Sprung aus der Armut geschafft hat. Allerdings bauten die Armen dieser Welt die Städte, die ihnen dann selbst aber nur menschenunwürdige Quartiere ohne grundlegende Dienstleistungen wie etwa Müllabfuhr böten. Cobbetts große Fragen lauten: „Welche Politik macht aus Hütten Häuser? Was sind die Grundvoraussetzungen dafür, dass der Privatsektor investiert?"
Ein Grundproblem ist, dass kommunale Behörden oft keine Kontrolle über den Immobilienmarkt haben. Slums sind in der Praxis oft große, informelle Grundstücksmärkte. Cobbett sagt, es unterhöhle die Glaubwürdigkeit der Kommunalverwaltungen, dass sie diese nicht regulieren könnten.
Auch Klaus Töpfer, der ehemalige Leiter des UN Entwicklungsprogramms, sieht Elendsviertel als Herausforderung. Wo Slums entstünden, sei das ein Indikator dafür, dass die Stadtverwaltung ihre Aufgaben nicht erfülle. Großer Reichtum spalte die Gesellschaft aber ebenso wie bittere Armut. Auch „gated communities" sind laut Töpfers Einschätzung Anzeichen von Fehlentwicklungen.
Manche Länder haben auf beispielhafte Weise Urbanisierungsprobleme gelöst. Südkorea hat mit das schnellste Städtewachstum weltweit verbucht, aber Slums gehören dank guter Amtsführung inzwischen der Vergangenheit an. Cobbett empfiehlt anderen Ländern, sich an solchen Vorbildern zu orientieren.
Ellen Thalman